26.04.2020 - 13:07 Uhr

Prager Regierung löst die Bremsen

Tschechen dürfen wieder ins Ausland ausreisen. Doch umgekehrt gilt: EU-Bürger müssen weitgehend draußen bleiben. Unabhängig davon gibt es weitere Lockerungen für die Bürger im Nachbarland.

Tschechen warten in Prag auf einen Corona-Antikörpertest. Zuvor müssen sie entsprechene Formulare ausfüllen. Insgesamt sollen in Tschechien rund 28 000 Menschen ohne Symptome getestet werden, um einen Anhaltspunkt zu erhalten, wie weit das neuartige Coronavirus verbreitet ist. Bild: Petr David Josek/AP/dpa
Tschechen warten in Prag auf einen Corona-Antikörpertest. Zuvor müssen sie entsprechene Formulare ausfüllen. Insgesamt sollen in Tschechien rund 28 000 Menschen ohne Symptome getestet werden, um einen Anhaltspunkt zu erhalten, wie weit das neuartige Coronavirus verbreitet ist.

Überraschende Wende im tschechischen Corona-Kurs: Die Regierung hat am späten Donnerstagabend die einmonatigen drastischen Bewegungsbeschränkungen aufgehoben, zieht Erleichterungen für Handel, Tourismus und das Gaststättengewerbe um bis zu drei Wochen vor und erlaubt der Bevölkerung wieder die Ausreise.

Seit Mitte März durften die Tschechen im wesentlichen nur zur Arbeit und zum Einkauf, zum Arzt und zu begrenzten Spaziergängen aus dem Haus. Die positive Entwicklung der Pandemie, das Drängen der Wirtschaft, das Hoffen der Tschechen auf einen Auslandsurlaub und ein zweifelhaftes Gerichtsurteil haben das alles umgeworfen und den erst eine Woche jungen vorsichtigen Plan zum Hochfahren des Lebens in den Papierkorb befördert.

Besagtes Urteil erklärte einige der Anweisungen des Gesundheitsministeriums für ungültig. Aus einem rein formalen Grund: Die Beschränkungen seien so schwerwiegend gewesen, dass sie von der ganzen Regierung hätten beschlossen werden müssen. Regierungschef Andrej Babis nannte die Begründung zwar "absurd, weil wir so tausende Leben gerettet haben". Die Regierung wolle sich jedoch an das Urteil halten.

Grünes Licht für die raschen Erleichterungen gaben vor allem die Epidemiologen. Die befürchtete Anstieg der Erkrankungen über Ostern trat nicht ein. Im Gegenteil, die Zahl der Neuinfizierten sinkt. Am Sonntag meldete die Johns Hopkins Universität 7352 Infizierte und 219 Tote. Innenminister Jan Hamácek bezifferte am Freitag die Reproduktionszahl R auf 0,74 - also Hundert Corona-Infizierte stecken nur 74 andere an. Es gibt mehr freie Corona-Betten in den Kliniken als belegte. Zudem begannen Massentests in mehreren Städten. Sie sollen zeigen, wie viele Menschen bereits Antikörper in sich tragen.

In der Folge sind nun wieder Ansammlungen von bis zu zehn Menschen erlaubt - bei bleibender Abstandsregel. Ab diesem Montag dürfen Geschäfte mit einer Fläche von bis zu 2500 Quadratmetern geöffnet werden, dazu Fahrschulen, Fitnesszentren, Büchereien sowie Außenanlagen von Zoos. Gottesdienste sind mit 15 Gläubigen erlaubt. Schrittweise folgen dann alle anderen Geschäfte und Dienstleistungseinrichtungen. Ab dem 25. Mai sollen dann auch die Restaurants und Hotels wieder ihre Arbeit aufnehmen können.

Das über Wochen andauernde Chaos um das sich ständig ändernde Grenzregime wird einer Regelung weichen, die von längerer Haltbarkeit sein soll. Freilich ist diese neue Regelung genauso wenig mit den Nachbarländern abgesprochen, wie die fast über Nacht erfolgte Grenzschließung, die bei den Nachbarn auf Unverständnis gestoßen war.

Die Europäische Union (EU) hatte nun zwar auf ein abgestimmtes Vorgehen der Mitgliedsstaaten wenigstens bei der Wiederöffnung der Grenzen gedrängt. Prag prescht hier nun aber wieder allein vor. Mit der Folge, dass die Öffnung der Grenzen für tschechische Staatsbürger seit der Nacht auf Freitag eine mehr theoretische ist. Die Nachbarn ihrerseits haben ja jeweils eigene Richtlinien und lassen nicht so ohne weiteres jeden Ausländer auf ihr Staatsgebiet.

Das tschechische Außenministerium sah sich deshalb am Freitag gezwungen, den Tschechen von Bemühungen abzuraten, ins Ausland zu reisen. Beispielsweise sei die Slowakei derzeit für Tschechen tabu. Man empfehle den Tschechen, nur in begründeten und dringenden Fällen zu versuchen, ins Ausland zu reisen, hieß es aus dem Außenministerium.

Die neue Regelung ist denn in erster Linie auch nur ein populistisches Licht am Ende des Tunnels mit Blick auf die Ferienzeit. Kroatien - das Lieblingsziel der Tschechen im Ausland - hat sich bereit erklärt, Touristen zu beherbergen. Österreich erwägt das. Vor einer Woche noch galt in Tschechien die Devise, diesen Sommer ausschließlich die Schönheiten des eigenen Landes zu genießen, was auch der am Boden liegenden Tourismusbranche am ehesten helfen würde. Bei der Wiedereinreise aus dem Ausland sollen die Tschechen einen maximal vier Tage alten negativen Test vorweisen, den sie sich selbst auf eigene Kosten besorgen müssen. Alternativ wäre eine 14-tägige Quarantäne fällig.

Für tschechische Arbeitspendler wird die Regelung 14 Tage Arbeit/14 Tage Quarantäne ab kommenden Montag abgeschafft. Pendler aber auch Studierende dürfen ab dann jeden Tag die Grenze überqueren, wenn sie regelmäßig negative Tests nachweisen. Ausländer aus der EU kommen weiter nur in Ausnahmefällen nach Tschechien. Geschäftsreisende dürfen sich künftig zunächst bis zu drei Tagen im Land aufhalten, wenn sie negativ getestet worden sind.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.