Nur noch wenige erinnern sich: Aber es gab einmal eine aktive Boxer-Szene in der nördlichen Oberpfalz. In Pressath wurde diesem Sport gefrönt, junge Männer aus Erbendorf waren darunter. Das war vor 40 Jahren. Einige der damals Aktiven lassen ihre Muskeln heute immer noch beim Boxen spielen, wenn auch nicht mehr öffentlich im Boxring. Jeden Dienstagabend trifft sich die "Boxlegende von Erbendorf" zum Training in der Mehrzweckhalle Premenreuth.
Viel auf Achse
"Servus. Schön, dass du dich für uns interessierst. Aber wir boxen ja gar nicht mehr richtig", sagt Willi Dietz. Jetzt, erzählt er weiter, stünden Fitness und der Spaß an der Sache im Vordergrund. "Das mit dem Boxen war vor über 30 Jahren", überlegt Willi Dietz auf die Frage, wann er aktiv unterwegs war. "In Pressath war leider dann irgendwann Schluss", erzählt er und gerät ein wenig ins Schwärmen beim Gedanken an die guten, alten Zeiten. "Da war ich 26 Jahre alt. Wir haben nicht nur in Pressath aktiv geboxt. Wir waren jedes Wochenende zu Boxkämpfen nach Weiden oder bis nach Pegnitz auf Achse."
Dann habe dieser Sport an Attraktivität verloren, bedauert Willi Dietz. Er habe aber weitermachen wollen - soweit möglich. Deshalb habe er beim TSV Reuth nachgefragt, ob Trainingskapazitäten in den Sportanlagen frei seien. Seither führt der TSV Reuth unter seinen Sparten die Abteilung Boxen. Er wolle keine falschen Hoffnungen wecken, gibt sich Dietz bescheiden. Dennoch wird jeden Dienstag Leistungssport betrieben, das Programm richtet sich nach dem Training der Profi-Boxer.
Von 17 bis 72
Die Teilnehmer im Alter zwischen 17 und 72 Jahren stammen aus der weitläufigen Umgebung von Premenreuth. "Es gehören auch einige Frauen zu uns", fügt Willi Dietz stolz an, während er die 20 Kilogramm schweren Box-Sandsäcke mit starken Seilen an die Decke hängt. Verena Konz, 22 Jahre jung, betritt eben den geräumigen Sportraum im ersten Stock der Mehrzweckhalle. Sie mache das bereits seit acht Jahren, sagt die superschlanke Premenreutherin. Das sei billiger als ein Fitnessstudio und mindestens ebenso effektiv. "Mein Vater und mein Bruder kommen auch gleich", sagt sie.
Unter den Teilnehmern befindet sich auch Günter Reischl. Er hat vor 40 Jahren mit Willi Dietz geboxt. "Jetzt bin ich in die Heimat zurückgekehrt. Und wen treffe ich: den Willi", erzählt er. Willi habe von dieser Fitness-Boxgruppe gesprochen, da habe er sich gleich angeschlossen.
Jetzt geht's los: Willi Dietz gibt den Ton an. Beim Warm-up ist man nicht zimperlich. Seilspringen, Dehn- und Springübungen, Gymnastik im flotten Tempo, einige Yoga-Elemente gehören dazu. Nach jeder Übung das unerbittliche Kommando: Fünf Liegestützen! Zehn Minuten später ist die kleine Gruppe ins Schwitzen geraten. Erstes Stöhnen macht sich breit. "Ich wog früher 110 Kilo. Kurze Zeit später war ich dank Boxen auf 92", lässt Dietz einen Nebeneffekt des Boxtrainings anklingen.
Nicht gefährlich
Zur Technik sagt er, diese sei nicht schwer. Man müsse nur auf die richtige Stellung der Handgelenke achten. "Wer mitmachen will, muss im TSV Mitglied werden. Wegen der Versicherung." Aber das Boxtraining sei natürlich nicht gefährlich. In über 30 Jahren sei nie was passiert. Easy sei es, das Zubehör anzuschaffen. Alles ist vorhanden, die Teilnehmer bringen nur Sportkleidung mit. Willi Dietz erklärt, was nötig ist. "Pratzen" zum Beispiel. Das seien spezielle Trainingshandschuhe. Die zieht er über. Sein erster Sparringspartner, Gerhard Lösch, bekommt die Boxhandschuhe angezogen. Die habe er alle aus Pressather Zeiten herübergerettet. Wie die Sandsäcke, berichtet Willi Dietz.
Der Boxkampf dauert jeweils nur drei Minuten. Gerhard Streibel misst sich mit Nils Horn, der erst 17 ist. Nils ist an Ausdauer überlegen, während Streibel ihm in der Technik als erfahrener Boxer weit voraus ist.Während jeweils ein Paar boxt, darunter auch Verena, trainieren die anderen an den Sandsäcken, am Fitnessrad oder an einem der aufgebauten Kraftgeräte.
Dass das fit macht, steht außer Frage. Aber was ist mit der Sehnsucht nach einem Kampf im Boxring? Kommt diese nie auf? "Es gibt halt keine Gegner mehr", antworten die Männer und lachen schelmisch. "Die haben wir alle bereits k.o. geschlagen." Aber das Kräftespiel mit dem Gegner im Ring hat längst nicht Priorität. "Wir wollen fit bleiben und Spaß haben. Das reicht uns", sagen die Ex-Boxer. Damit versteht sich das Work-Out der Gruppe nach dem Training von selbst. Um 20.30 Uhr wandern die Freunde, ein wenig ausgepowert vom eineinhalbstündigen Kraftakt, aber durchaus glücklich, ins TSV-Sportheim gegenüber. Hier wird der unbedingt erforderliche "Eiweißshake", in der Premenreuther Variante mit süffiger Schaumkrone versehen, in gemütlicher Runde genossen.
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