Die einen sehen darin die lästige Lärmquelle, den Mietpreistreiber oder ein Militarismussymbol, das 3500 Menschen die Heimat kostete, die anderen den willkommenen Wirtschaftsfaktor, dem die Region 2500 Garnisons-Arbeitsplätze und mehr als 600 Millionen Euro jährlichen Geldzufluss verdankt.
In seinem leider nur von etwa 20 Zuhörern besuchten zweistündigen Vortrag für Heimatpflegebund und Volkshochschule im Gasthof Heining rückte Gerald Morgenstern einen Aspekt ins Blickfeld, der oft nur am Rand wahrgenommen wird: „Militär und Natur sind kein Widerspruch, und das zu 60 Prozent bewaldete Sperrgebiet ist ein Reservat für etwa 3000 Pflanzen- und Tierarten – darunter 800, die auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen“, weiß der Stabsfeldwebel im Ruhestand, der sich auch heute noch der Öffentlichkeitsarbeit für den Truppenübungsplatz widmet.
Nicht nur Seeadler, Schwarzstörche, Fledermäuse und Gelbbauchunken fühlten sich dort wohl: Eine „Fotofalle“ habe 2016 die ersten Bilder des „Grafenwöhrer Wolfspaars“ geschossen. Von Nachwuchs wisse man bisher aber nichts. Riesige Hirschrudel hätten dem Gebiet bei der US-Garnison, deren Umweltabteilung sich gemeinsam mit der Bundesforstverwaltung dem Schutz von Boden, Luft und Wasser widme, den Spitznamen „Deer Heaven“ (Himmel der Hirsche) eingetragen.
Ein Landschafts- und Natur-„Juwel“ sei das Quellgebiet „Ursprung“ bei Vilseck, das in Verbindung mit dem Egergraben stehe. Dies habe eine Analyse der dort aufsteigenden Gase bewiesen: „Gleichartige ‚magmatische‘ Gase wurden auch in nordwestböhmischen Quellgebieten im Egergraben nachgewiesen, sie gehen auf vulkanische Aktivitäten in etwa 30 Kilometern Tiefe zurück.“ Nicht zu kurz kam in Gerald Morgensterns Vortrag die Geschichte des Truppenübungsplatzes, die mit dem allerdings misslungenen ersten Artillerieschuss am 30. Juni 1910 begann.
Sogleich nach ihrer Machtübernahme hätten die Nationalsozialisten auf eine Vergrößerung hingearbeitet: „1933 war sogar Adolf Hitler mit seinem Stab hier, um erste Erkundungen anzustellen, und ist im damaligen Netzaberger Gasthof eingekehrt“, erzählte Morgenstern. Zeitweilig habe die Wehrmacht das Gebiet um Hütten und Josephsthal ins Auge gefasst, sich letztlich aber für die Westerweiterung entschieden. Ihr seien 57 Dörfer und Siedlungsplätze zum Opfer gefallen, darunter das „kleinstädtische“ Haag, Hammergänlas mit seiner Brauerei und Hopfenohe, dessen beherzter Pfarrer Johann Ritter noch 1935 trotzig die Dorfkirche habe vergrößern lassen.
Die 2005 mit amerikanischer Unterstützung hergerichtete Kirchenruine diene als Denkmal für die untergegangenen Siedlungen, die Innenausstattung sei nach 1945 in die kriegszerstörte Troschenreuther Kirche überführt worden. Erhalten geblieben sei auch die Einrichtung der Pappenberger Mariä-Himmelfahrt-Kirche samt Gnadenbild „Schwarze Madonna“: Ebenso wie ein Großteil der Dorfgemeinschaft habe sie eine neue Heimstatt in der Siedlung Wolfskofen bei Regensburg gefunden – auf dem Gelände eines Thurn-und-Taxis-Guts, das die „Reichsumsiedlungsgesellschaft“ erworben habe.
„Das dortige Gotteshaus ist wohl der einzige katholische Kirchenbau, den die Hitlerregierung bezahlte“, merkte Morgenstern an. Der Flurbrand von 2018 habe den wuchernden Bewuchs auf dem Pappenberger Friedhof vernichtet: „Seither sind die Grabsteine wieder sichtbar.“
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