Christian Flierl sieht das Lebenswerk seiner Familie in Gefahr. Er wohnt mit seinen Eltern mitten in Pursruck - das Haus steht nur wenige Meter von der Hirschauer Straße entfernt. Es ist jene Kreisstraße AS 18, die der Landkreis schon seit Jahren ausbauen und sanieren möchte. Die Ortsdurchfahrt von Pursruck ist das letzte Teilstück, das dem Landratsamt noch fehlt, um endlich einen Haken hinter die Maßnahme setzen zu können.
Doch so einfach ist das nicht: Diese Straße ist die längste im ganzen Landkreis, früher hatte sie sogar militärische Bedeutung. Das Thema des Ausbaus beschäftigt die Anwohner seit 1962. Flierl wohnt in einer Engstelle, etwas abschüssig am Berg. Dort hat die Straße nur eine Breite von etwa 5,55 Metern (zum Vergleich: Außerorts ist die Straße 6,50 Meter breit). Landwirtschaftlicher Verkehr oder Lastwagen überfahren unweigerlich in Flierls Kurve den Mittelstreifen. Wenn sich der Verkehr begegnet, wird es richtig eng. Zusätzlich versperrt eine meterhohe stützende Mauer des gegenüberliegenden Grundstücks die Sicht auf den Verkehr, der vom Hügel herunterkommt. "Ich wohne an einem Unfallschwerpunkt", sagt Flierl.
SUV in Garage geschlittert
Den Beweis lieferte ihm im Dezember ein SUV: Der war bei Glatteis in Flierls Garage gekracht. Der Schaden war mit 20 000 Euro beträchtlich. "Es ist mein drittes Garagentor, das ich kaufen musste", klagt Flierl. In den vergangenen 20 Jahren hätten zusätzlich mindestens fünf Autos die kleine Betonmauer vor seinem Anwesen mitgenommen. Den Schaden habe bislang immer die Versicherung des Verursachers bezahlt. Aber: "Was ist, wenn ein Lkw, der keine Haftpflichtversicherung hat, bei einem Unfall auch noch jemanden aus meiner Familie verletzt?"
Schon seit Jahren kämpfen deshalb er und sein Vater, dass sich etwas beim Ausbau der AS 18 tut. "Der Verkehr wird immer mehr auf der Straße. Dem Landkreis muss es um die Sicherheit der Fahrer und der Anwohner gehen."
Im Dezember 2011 hatten Pursrucker aus insgesamt 59 Anwesen bei einer Versammlung - unter anderem mit dem ehemaligen Freudenberger Bürgermeister Norbert Probst - abgestimmt und damit eine Empfehlung für den Kreistag abgegeben. Zur Wahl stand eine Umgehung für den kleinen Ort. Sie hätte über Schwand führen sollen. Mit großer Mehrheit und nur zwei Gegenstimmen entschieden sich die Pursrucker aber für den bisherigen Trassenverlauf durch das Dorf - allerdings mit einer verkehrsberuhigten Zone.
Der Kreistag votierte ebenfalls für die bisherige Trasse. Im Sommer 2012 hieß es daher, dass bei den Planungen "besonderes Augenmerk auf die bei dieser Variante beibehaltene Kurve am südlichen Ortsrand gelegt werden" solle. Kreisrat Karl Fochtner (CSU) sah Schutzmaßnahmen für die Anwohner "als dringend notwendig" an. Sogar eine Betonwand wurde ins Spiel gebracht. Dann geschah lange nichts.
Sicht und Sicherheit
Im Frühjahr wird Flierl kurzerhand selbst aktiv und geht in finanzielle Vorleistung, weil er der Meinung ist, dass das Landratsamt zu wenig in der Sache unternimmt. Er beauftragt ein Ingenieurbüro, das einen Plan erarbeitet, damit Flierls Grundstück möglichst gesichert wird. Dazu überplant das Büro einen schmalen Streifen des gegenüberliegenden Grundstücks - mit etwa 85 Zentimeter mehr Breite soll laut der Auskunft des Experten das Problem gelöst sein, dass genau hier der entgegenkommende Verkehr früher sichtbar ist.
Das Grundstück gehört der Gemeinde Freudenberg und wäre eigentlich auch leicht dem Landkreis für die Maßnahme zur Verfügung zu stellen. Doch in den 1950er-Jahren ist die Fläche überbaut worden, erklärt Freudenbergs Bürgermeister Alwin Märkl. "In den 1980er-Jahren wurde die Mauer verstärkt, weil sie von einem Panzer bei einem Manöver beschädigt wurde." Die Mauer kann nicht so einfach verschwinden oder versetzt werden, weil sie das Grundstück mit einem Haus, das ein gutes Stück oberhalb der Straße liegt, statisch stützt.
Im Landratsamt kennt man die Planung, die Flierl in Auftrag gegeben hat. "Wir haben unserem Büro auch diese Option zur Prüfung übergeben", sagt die zuständige Abteilungsleiterin für Tiefbau, Tania Ehbauer. Noch gibt es keine Ergebnisse zu vermelden, welche Variante die meisten Vorteile hätte. Jedoch kann die Expertin die Befürchtungen von Flierl sehr gut verstehen. "Wir wollen, wie Christian Flierl auch, das Optimale bei dem Ausbau des Teilstücks erreichen." An jeder Stelle der Ortsdurchfahrt soll so gut wie möglich die Sicht und Sicherheit im Fokus stehen. "Klar ist aber auch, dass diese Kurve immer eine Engstelle bleiben wird." Man wolle natürlich versuchen, die Stelle zu entschärfen. "Allerdings hat unsere Verkehrsbehörde die betreffende Kurve nicht als Unfallschwerpunkt eingestuft." Verkehrszählungen ergaben, dass hier ein unterdurchschnittliches Verkehrsaufkommen von rund 700 Fahrzeugen in 24 Stunden gemessen wurde. "Außerdem ist es nicht möglich, in einer Nahezu-90-Grad-Kurve schnell zu fahren", sagt Ehbauer.
Landkreis braucht Grund
Das Problem, das Ehbauer hat: "Wie in fast jedem Ort geht die Bebauung bis fast an die Straße. Wir haben wenig Platz." Aus diesem Grund führe das Landratsamt seit Ende 2016 Gespräche mit Pursruckern, um Grund zu erwerben. "Es geht um eine Handvoll Anwohner, von denen wir Fläche bräuchten", erklärt sie. Das sei ein langwieriger Prozess - oft auch sehr zäh. "Wir sind darauf angewiesen, dass die Anwohner freiwillig Grund verkaufen."
Etwas oberhalb der scharfen Kurve hat der Landkreis einen kleinen Erfolg verbuchen können. Das Grundstück gegenüber der Kirche ist nun in seinem Besitz. "Dort können wir das Haus abbrechen, wenn der Ausbau startet."
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