Reuth bei Kastl bei Kemnath
18.11.2019 - 12:06 Uhr

Motivwagen mit Schliff

Norbert Weigert ist als Scherenschleifer beim historischen Erntedankumzug 2020 in Kastl dabei.

Norbert Weigert ist beim historischen Erntedankumzug 2020 in Kastl als Scherenschleifer dabei. Bild: hwk
Norbert Weigert ist beim historischen Erntedankumzug 2020 in Kastl als Scherenschleifer dabei.

Handwerk und Tradition sind unter anderem zwei wesentliche Bestandteile beim historischen Erntedankumzug in Kastl am 20. September 2020. Mit zahlreichen Motivwagen werden vor allem Handwerkstechniken unterschiedlicher Berufe gezeigt.

Neu ist dann erstmals die Teilnahme eines Scherenschleifers: Norbert Weigert aus Reuth hat sich vorgenommen, den Festumzug mit der Darstellung dieses alten Gewerbes zu ergänzen, auch wenn Scherenschleifer früher nicht immer den besten Ruf hatten, wie er aus seiner Kindheit weiß.

Seit mehreren Jahren lebt er in Reuth, ihm macht es große Freude, bei den Vorbereitungen zum historischen Erntedankumzug 2020 als "Neubürger" in der Gemeinde mitmachen zu können. So habe er sich die Motivwagen und Fußgruppen angesehen. Nach Rücksprache mit dem Festausschuss sei er auf die Idee gekommen, bei den Handwerksburschen mit dem "Scherenschleifergewerbe" mitzumachen.

Dabei war die Aufgabe bislang nicht einfach für ihn: Denn die größte Herausforderung war, ein passendes Fahrrad zu finden. Nach längerer Suche und Recherche im Internet baut er aus den Teilen dreier alter Räder aus der Zeit ein für ihn passendes Fahrrad zusammen. Herzstück und Hauptbestandteil dieses speziellen Gefährts ist der Schleifstein auf der Mittelstange des Rades, mit dem die Messer und Scheren geschliffen werden.

Um die Schleifscheibe antreiben zu können, musste er nach historischer Vorlage einen speziellen Mechanismus anbringen. Mit einem speziellen Ständer kann wie früher das Fahrrad "aufgebockt" werden. Damit hat es beim Bearbeiten der Klingen einen festen Stand. Hierfür wird die Kette für das Hinterrad aus- und bei der Schleifscheibe eingehängt. Mit den Pedalen wird der kleine Schleifbock angetrieben. Um dies alles nach altem Vorbild originalgetreu nachzubauen, machte sich Weigert bislang viel Arbeit. An das Gefährt brachte er hinten und vorne mehrere Gepäckträger an, um Haushaltswaren mitführen zu können, die die Scherenschleifer bei sich hatten. So ist beabsichtigt, das Sortiment mit Putzlappen, Hosengummis, Knöpfen, Scheren und Messern zu ergänzen.

Während des Sommers hat er das Fahrrad für den Festumzug im Wesentlichen zusammengebaut. In den kommenden Wochen und Monaten wird er sich nun mit den Details beschäftigen wie der passenden Kleidung. Hier machte er die Erfahrung, dass es nicht einfach ist, die passenden Sachen zu finden.

Info:

Hintergrund

„So ein Schleiferer“ oder „eine Goschn wie ein Scherenschleifer“, Sprüche mit dem zum Ausdruck gebracht wird, dass jemand nicht viel taugt. Heute hört man diese Redewendungen nur noch selten aber sie haben an ihrem Sinn nichts verloren. Hatten doch die Scherenschleifer, Kesselflicker und Hausierer kaum einen guten Ruf bei der Bevölkerung auf dem Land. Sie waren dafür bekannt, dass sie minderwertige Waren zu überhöhten Preisen anbieten wollten und das sie gerne auch mitnahmen was nicht Niet- und Nagelfest war. Um den Leuten auf dem Land etwas verkaufen zu können, dafür brauchte es schon viel Verkaufsgeschick. So waren die Vertreter ihrer Zunft meist sehr redegewandt und schafften es auch den geizigsten Bauern etwas verkaufen zu können. Indem sie von Ortschaft zu Ortschaft zogen und auf viele Höfe kamen hörten und sahen sie vieles was sie sich als Informationen auch bezahlen ließen, wenn zum Beispiel jemand Erkundigungen über jemanden in Auftrag gab.

Bei der älteren Generation im Kemnather Land ist vor allem die alte Hösl aus Kaibitz noch bekannt. Zusammen mit ihren beiden Söhnen brach sie damals in die Kastler Kirche ein um die Wertsachen zu entwenden. Sie stand Wache, während die beiden jungen Männer den Tabernakel aufbrachen. Sie selbst war viele Jahre als Hausiererin im Fränkischen unterwegs wo man sie weniger kannte. Bei Tag spekulierte sie als unbescholtene ältere Frau beim Feilbieten ihrer Waren mit Vorliebe abgelegene Höfe aus um dort bei Nacht selbst einzusteigen oder anderen Tipps geben zu können wo sich ein Einbruch lohnen könnte. War sie in der Kirche neben einem, schauten die Frauen immer darauf, dass sie nichts in der Bank zurückließen, wenn sie zum Empfang der Kommunion gingen, denn meist waren die Dinge dann weg. Nicht selten kam auf diese Weise ein wertvoller Fuchs oder Nerz, den die Frauen an kalten Tagen beim Kirchgang umlegten, weg oder eine Handtasche war plötzlich leer. Zusammen mit ihren Söhnen lebten sie so nicht unbedingt schlecht, weil vor ihnen kein Gänsestall oder gut gefüllte Räucherkammer sicher war.

Info:

Garderobe gesucht

Beim historischen Erntedankzug werden viele Hundert Darsteller bei den Fußgruppen und Motivwagen zu sehen sein. In vielen Familien in Kastl sind zwar einige alte Kleidungsstücke aus der Zeit vorhanden, die auch Verwendung finden werden, aber so manch Mitwirkender ist noch auf der Suche nach passender Garderobe. Wer also daheim im Schrank, im Keller oder auf dem Speicher passende Kleidung wie alte Hosen, Leinenhemden, Mäntel, Kleider, Gehröcke, Hüte, Zylinder und vieles mehr aus der Zeit hat, soll sich beim Festausschuss melden. Die Organisatoren wünschen sich dazu einen ersten Überlick zu den Ortsbesprechungen nach Weihnachten.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.