Schmidmühlen
28.02.2023 - 09:37 Uhr

Zwei Modelle machen Schmidmühlener Heimatgeschichte sichtbar

Oft gilt die Heimatpflege als etwas verstaubt und aus der Zeit gefallen, als nur für die ältere Generation interessant. Das muss nicht so sein, wie eine Initiative in Schmidmühlen beweist.

Ein Beispiel dafür, dass Geschichtsbewusstsein aktuell ist, ist etwa der historische Heimatkalender des Marktes Schmidmühlen, der auf großes Interesse stieß. Die 200 Exemplare gingen an Sammler in ganz Deutschland, aber auch an junge Schmidmühlener, bei denen die Leistungen von Eltern oder Großeltern, die Geschichte und Geschichten des Ortes auf viel Interesse stoßen. Auch das Aufleben der Kirchweihtraditionen im Amberg-Sulzbacher Land beweist die Verbundenheit zum Heimatdorf und der örtlichen Tradition.

Seit den Nachkriegsjahren widmen sich in Schmidmühlen Heimatkundler der Erforschung der Ortsgeschichte, angefangen vom damaligen Rektor Fritz Link und von Franz-Xaver Eichenseer bis hin zu Michael Koller, der für seine Forschungsarbeiten zum Ehrenbürger ernannt wurde. Er hinterließ nach seinem Tod ein umfangreiches heimatkundliches Vermächtnis, das in den nächsten Jahren aufgearbeitet werden soll.

Unter Kollers heimatkundlichen Nachlass befanden sich auch eine detailgetreue Nachbildung des Oberen Tores von Schmidmühlen, das in den Nachkriegsjahren erstellt worden ist, und des im Zuge der Hochwasserfreilegung abgerissene Fochtner-Anwesens. Diese beiden Modelle übergab nun Erwin Koller an die Marktgemeinde Schmidmühlen für deren Heimatmuseum. Bürgermeister Peter Braun zeigte sich ebenso wie Heimatpfleger Josef Popp beeindruckt von der filigranen und maßstabsgetreuen Nachbildung des Ensembles, das nicht nur im Heimatmuseum, sondern auch bei verschiedenen Veranstaltungen zu sehen sein wird. Braun bedankte sich bei der Regina und Erwin Koller für das Überlassen der Modelle.

Wie viele Arbeitsstunden in den beiden Modellen stecken, kann man nur ahnen. Sicher Hunderte, wie Erwin Koller vermutet. Ein Modell des alten Bahnhofs hat Michael Koller seinerzeit selbst angefertigt, es befindet sich im Schützenheim Alter Bahnhof. Beide Gebäude stehen für ein Stück Heimatgeschichte, besonders das Obere Tor. Es zeigt plastisch, dass man sich im Mittelalter nur mit Mauern und Toren gegen Gefahren schützen konnte.

Mit seiner Lage am Ausgangspunkt des Lauterachtales hatte Schmidmühlen schon vor Jahrhunderten eine besondere strategische Lage. Das Lauterachtal war immer schon Vormarschstraße aus dem fränkischen in den bayerischen Raum, besonders nach Regensburg. Schmidmühlen war seinerzeit auch ein wichtiger Handelsplatz. Bedeutende Handelsstraßen führten aus allen Richtungen nach Schmidmühlen zum dortigen Vilshafen. Hier wurde durch die Mündung der Lauterach in die Vils erst die Schifffahrt mit größeren Transportbooten möglich.

Schmidmühlen wurde damals insgesamt vier Markttore, der Hammer mit zwei weiteren Toren gesichert. Das Lauterachtor, heute das Obere Tor, wurde 1424 fertiggestellt. Das Gebäude ist mit einem tragischen Unglück verbunden: Am 20. April 1729 stürzte es ein und begrub die zwölfjährige Anna Reindl unter seinen Trümmern. Das Mädchen war sofort tot. 1785 wurde Das Tor mit einem runden Bogen wieder aufgebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurde es 1945 durch amerikanische Panzer beschädigt, anschließend aber notdürftig wieder hergerichtet. Damals ging der Schlussstein im Torbogen mit der Jahreszahl 1424 verloren.

Am 11. April 1952, einem Karfreitag, brachen die Amerikaner mit dem Einverständnis des Gemeinderats das Obere Tor ganz ab, weil es dem zunehmenden Verkehr zum Truppenübungsplatz nicht mehr gewachsen war. In dem Tor befand sich ein großes Ölbild, auf Leinwand gemalt, mit der Darstellung Jesu, wie er vor dem Tor stehend von seiner Mutter Abschied nimmt. Dieses Bild ist seit dieser Zeit spurlos verschwunden. Das Obere Tor war das einzige Tor, das ständig bewohnt war. Die letzten Bewohner und auch Eigentümer der unteren Wohnung waren der Braumeister Johann Brey mit seiner Frau. Sie waren aber schon vor dem Abbruch des Torhauses verstorben.

Auch die Nachkriegszeit brachte einen baulichen Wandel mit sich. Die Lauterachbrücke, besser bekannt als Friedhofbrücke, musste im Zuge der Hochwasserfreilegung einer Doppelbogenbrücke weichen. Die Lauterach selbst hat ihre Bedeutung als Schutz des Ortes verloren. Heute dient sie Anglern als Fischgewässer, das Umfeld wurde im Zuge dieser Hochwasserfreilegung neu gestaltet. Es dient heute als Naherholungsgebiet.

Hintergrund:

Michael Koller

  • Lebensdaten: Geboren am 19. Januar 1929 in Schmidmühlen, gestorben am 29. Januar 1921.
  • Ortsheimatpfleger: Heimatforschung war bis ins hohe Alter seine große Leidenschaften. Er gehörte auch im Landkreis zu den profiliertesten Heimatkundlern. „Michael Koller schaffte es wie kein anderer, den Bogen zu spannen von den vergangenen Jahrzehnten zur Gegenwart. Viele Beiträge zur Heimatgeschichte und unzählige Geschichten bilden ein wertvolles Vermächtnis“, so Bürgermeister Peter Braun.
  • Auszeichnung: Marktgemeinde Schmidmühlen ernannte ihn im Jahr 2016 zum Ehrenbürger.
 
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