Schnaittenbach
03.05.2019 - 09:15 Uhr

Der Wege-Streit als Realsatire

War es bisher eine unfreiwillige Provinzposse, so ist nun ein bühnenreifer Bauernschwank daraus geworden. Der Garagenbau auf einem Wanderweg hat Zuwachs bekommen, und die Haidhofer feiern ein Fest.

Symbolik geht tiefer als Vernunft: Martin Nagler, Eigentümer eines Teils des Hirschauer Wegs, inszenierte eine feierliche Wegschließung, die jedem Durchlass gewährt, und es macht ihm sichtlich Spaß. Bild: Wolfgang Steinbacher
Symbolik geht tiefer als Vernunft: Martin Nagler, Eigentümer eines Teils des Hirschauer Wegs, inszenierte eine feierliche Wegschließung, die jedem Durchlass gewährt, und es macht ihm sichtlich Spaß.

1. Mai. Die einen stellen wacker Maibäume auf, andere huldigen der schwindenden Arbeitertugenden. Die Haidhofer unternehmen einen Spaziergang, um kurz hinter dem Ortsrand von einem gatterartigen Tor wieder gestoppt zu werden. Sichtlich haben alle ihren Spaß dabei. Denn sie werden "einem seltenen Naturereignis beiwohnen", versprach Martin Nagler als Gastgeber und selbst ernannter Festredner seinem stattlichen Publikum: "Es ist das sogenannte Wegesterben in Haidhof."

Der angesehene, international tätige Geschäftsmann, ehemalige Schnaittenbacher CSU-Stadtrat, Hobby-Gast- und -Landwirt sowie kunstsinnige Mann ist standesgemäß mit seinem Sechs-Zylinder-Bulldog vorgefahren. Auf seinem Feldweg, der im Volksmund als Hirschauer Weg bekannt ist und als Wanderweg die Nummer 25 trägt. Nicht einmal einen Kilometer weiter östlich endet eben dieser Wanderweg schnurstracks in einer Doppelgarage, weshalb Nagler als symbolischen Protest auf seinem Grund nun auch eine Wegsperre errichtet hat. Denn, so bisher die offizielle Lesart der Stadtverwaltung und des Landratsamts, die Garage steht völlig rechtmäßig dort.

Schnaittenbach03.04.2019

Nagler sieht das anders und hat inzwischen Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg eingereicht. Am 1. Mai hält der Schnaittenbacher erst einmal sein Versprechen, das er in einem Leserbrief allen Haidhofern öffentlich gegeben hat, die sich gegen diese Garage zur Wehr setzen, um einen seit Menschengedenken existenten Feld- und Waldweg wieder zu öffnen.

Von seinem Bulldog herab fragte nun der Eigentümer des Hirschauer Wegs in die amüsierte Runde: "Warum sterben die Wege? Sind sie Opfer von Willkür, ist es Zufall, ist es Anarchie?" Hinzu komme bedauerlicherweise noch Dummheit und Ignoranz. Selbst bezichtigte sich Nagler "ein Dummkopf" gewesen zu sein, weil er auf das Wort des Garagen-Bauherrn vertraut habe, den Bürgerwald-Weg nicht zu sperren, obwohl er über dessen Grund und Boden verläuft. Ignoranz attestierte der Festredner dem Bauausschuss, der einstimmig das Bauvorhaben genehmigt habe. "Und dann kam noch Willkür hinzu in Form der eigentlichen Wegsperrung, und aus der Willkür wurde Gesetz." Szenenapplaus.

Geschätzt ganz Haidhof plus x war auf den Beinen. Nur die Bauherren, die eine Doppelgarage auf einen ausgewiesenen Wanderweg stellten, fehlten. Bild: Wolfgang Steinbacher
Geschätzt ganz Haidhof plus x war auf den Beinen. Nur die Bauherren, die eine Doppelgarage auf einen ausgewiesenen Wanderweg stellten, fehlten.

Jeder kann durch

Derweil versteige sich der Stadtrat nun mit einer Stimme Mehrheit, "dass der Weg zu sterben hat. Ja noch schlimmer, dass er aus formalen Gründen eigentlich nie existiert hat". Deshalb dieses symbolische Tor, das allerdings nicht minder bedeutungsvoll entriegelt, geöffnet und frei passiert werden kann. "Wer zu blöd dafür ist, oder wer Wege vorsätzlich sperrt, der muss einen Umweg gehen", schloss Nagler seine Festrede.

Eine Stimme zu wenig

Zuvor hatte SPD-Stadtrat und Zweiter Bürgermeister Uwe Bergmann das Wort ergriffen und betont, auf der Seite der verärgerten Haidhofer zu stehen. Diese Position sei jedoch um eine Stimme nicht mehrheitsfähig gewesen. Die feierliche Wegschließung war mit einem Tag der offenen Tür in der benachbarten Ruine des einst größten Bauernhofs der Gegend mit der Adresse Haidhof 1 gewesen. Nagler hat das verfallende Anwesen vor zehn Jahren erworben und ist so Eigentümer eines Stücks des Hirschauer Wegs geworden, das er nun symbolisch gesperrt und dafür viel Applaus erhalten hat.

Kommentar:

In inniger Verbundenheit

Die Bandbreite der Interpretationen gibt einiges her. Hirschauer Stückl können liebenswert-amüsante Versehen sein, eine Tollpatschigkeit oder unbeabsichtigte Dummheit. Immer wohnt diesen Sichtweisen eine gewisse Portion Sympathie inne, alles doch bitte nicht immer so tierisch ernst zu nehmen.
Der Schnaittenbacher Martin Nagler hat in inniger Verbundenheit zu seiner Nachbarstadt nun seinem eigenen Stadtrat mit viel Ironie so ein nettes Hirschauer Stückl ins Stammbuch geschrieben. Es bleibt nur zu fürchten, dass der Adressat nicht über den nötigen feinsinnigen Humor verfügt, das auch so zu sehen.
Denn mit ihrem bisherigen Verhalten im Haidhofer Wege-Streit haben der Schnaittenbacher Stadtrat und das Rathaus eher der derben Interpretations-Variante von Hirschauer Stückln Vorschub geleistet: dem Gespött.

 
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