Die Oberpfalz verfügt über eine bemerkenswerte Architekturszene. Man denke nur an das Konzerthaus Blaibach (Peter Haimerl Architektur) oder das Amt für Ländliche Entwicklung Tirschenreuth (S H L Architekten und Stadtplaner). Mit großem Erfolg dokumentiert die im Büro Wilhelm Verlag erschienene Buchreihe "Aktuelle Architektur der Oberpfalz" die Entwicklung. Im Centrum Bavaria Bohemia in Schönsee (Landkreis Schwandorf) trifft Wilhelm Kochs dazugehörige Ausstellung nun auf einen eher unbekannten Namen: Adolf Loos. Schon zu Lebzeiten wurde der im Jahr 1870 in der damals noch österreichisch-ungarischen Stadt Brünn geborene Architekt von vielen Kollegen als wesentliche Persönlichkeit für die Entwicklung der modernen Architektur in Mitteleuropa an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wahrgenommen, erläutert der Autor der ebenfalls in Schönsee zu sehenden Wanderausstellung "Loos und Pilsen", Petr Domanický auf Anfrage von Oberpfalz-Medien: "Loos war ein großer Architekt, blieb aber fast ohne große Projekte". Das habe unter anderem auch an seiner Art gelegen, die manches Mal zu Konflikten und Missverständnissen führte.
Erfahrungen aus den USA und Großbritannien
Schlichtheit, glatte Fassaden, Flachdächer und Wohnterrassen prägten die wegweisenden Ideen von Loos: "Am wichtigsten war jedoch seine Herangehensweise an die Gestaltung von Innenräumen, insbesondere von Wohnräumen. Dabei brachte er zahlreiche Erfahrungen aus dem anglo-amerikanischen Umfeld, das er als Vorbild betrachtete, in die Mitte Europas", sagt Domanický. Sein gesamtes Werk sei durch sein außergewöhnliches Interesse an räumlichen Konzepten und der Verwendung untypischer Materialien und Elemente, die sich andernorts bewährt haben, verbunden. "Am bedeutendsten ist wohl sein Konzept des sogenannten Raumplans, das heißt die Schaffung von Raum in drei Dimensionen. Der Raum hat keine klassischen Böden, sondern die einzelnen Teile unterschiedlicher Höhe sind durchdacht miteinander verbunden oder sogar ineinander verschlungen". Loos verfeinerte dieses Prinzip mehr als zwei Jahrzehnte lang, wandte es auf den Wohnungsbau an und perfektionierte es in der Müller-Villa in Prag.
Wirken im westböhmischen Pilsen
Die Ausstellung konzentriert sich auf einen weniger bekannten Ort der Tätigkeit von Loos, nämlich die westböhmische Stadt Pilsen, erläutert der Ausstellungs-Autor: "Sie wurde schließlich zum zweitwichtigsten Schwerpunkt der Arbeit des Architekten, da hier in zwei Etappen ab 1907 und dann ab 1927 eine ganze Reihe von Wohninterieurs für etliche Familien geschaffen wurde". In Schönsee gezeigt werden die Umsetzungen in den Wohnungen der Familien Hirsch, Brummel, Vogl, Kraus und Semler, allesamt auch bekannt als "Pilsener Interieurs". Für die Pilsener Architektur war das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert generell eine ganz außergewöhnliche Epoche, berichtet Domanický. Die Bedeutung und der Wohlstand der Stadt spiegelten sich auch in der architektonischen Form wider. Allerdings entstanden viele der außergewöhnlichen Bauwerke im Auftrag von Einzelpersonen. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts und ab den 1960er-Jahren habe sich die Stadt dann architektonisch und vor allem städtebaulich nicht gesund entwickelt, konstatiert Domanický, der selbst in Prag Architektur studiert hat. Das Gelungene und Bemerkenswerte bleibt häufig auf den ersten Blick verborgen – so wie die von Loos konzipierten Innenräume.
Städtebauliche Probleme
Die Entwicklung Pilsens in der Zwischenkriegszeit verlief wiederum vielversprechend, sagt Domanický und nennt die Architekten Hanuš Zápal, Bohumil Chvojka, Václav Neckář als Beispiele. Auch gegenwärtige beherberge die Stadt eine Reihe fähiger Vertreter des Fachs. Während die Zahl der qualitativ hochwertigen Neubauten zunehme, würden aber die städtebaulichen Probleme, die in Pilsen von den 1960er bis zu den 1990er Jahren entstanden sind, nur langsam behoben und stünden teilweise immer noch nicht im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Da wiederum könnte der Blick auf den Oberpfälzer Part der Doppelausstellung helfen. Nicht ohne Grund konstatiert Till Briegleb im Vorwort zu Band IV der "Aktuellen Architektur der Oberpfalz": "Die Architekturentwicklung, die sich hier in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, ist eines der überzeugendsten Beispiele in Deutschland für den goldenen Mittelweg zwischen Aufbruch und Respekt für das Vorhandene."
Zur Ausstellung
- ArchitekturA-Architektur in der Oberpfalz & Loos und Pilsen, bis einschließlich Sonntag, 8. Januar 2023 im Centrum Bavaria Bohemia, Freyung 1, Schönsee
- Öffnungszeiten jeweils Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr, Samstag von 10 bis 11.30 Uhr und Sonntag von 14 bis 16 Uhr, an Feiertagen geschlossen
- Petr Domanický, geboren 1973 in Pilsen, absolvierte die Fakultät für Architektur der Tschechischen Technischen Universität in Prag, 1997 bis 2009 arbeitete er im Pilsener Büro des Staatlichen Instituts für Denkmalpflege, seit 2009 ist er Kurator der Untersammlung des Archivs der Westböhmischen Galerie in Pilsen
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