Auch wenn die politischen Meinungen in Deutschland und Tschechien bei einigen Themen sehr weit auseinanderliegen - Betrieb von Kernkraftwerken, Flüchtlings- und Migrationsfragen - sich abzuwenden bringt nichts. Es hilft unter Nachbarn am besten, immer wieder miteinander zu reden, um die andere Positionen zu verstehen.
Mit dieser vom Landtagsabgeordneten Tobias Gotthardt (FW), Vorsitzender des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten im Bayerischen Landtag, formulierten Herangehensweise konnten sich Petra Ernstberger, Geschäftsführerin des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds (DTZF) und Václav Bernard, Bürgermeister des Marktes Vseruby (Neumark), sowie Moderatorin Bára Procházká bei einer Podiumsdiskussion sehr gut anfreunden. Anlass war die Eröffnung der Ausstellung "30 x 10 für Europa" im Centrum Bavaria Bohemia. Einig waren sie sich auch beim Thema tschechische Sprache in Kursen, im Unterricht und bei den vielen Schul- und Gemeindepartnerschaften.
Unvorstellbarer Einschnitt
Die größte Schockwelle in den grenzüberschreitenden Beziehungen seit der Wende löste die coronabedingte Grenzschließung in diesem Frühjahr aus. Was 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, 16 Jahren EU-Mitgliedschaft und 13 Jahren offene Grenzen nach dem Beitritt Tschechiens zum Schengenraum unvorstellbar schien, wurde Realität: Das Virus schob quasi über Nacht dem Austausch im bayerisch-tschechischen Nachbarraum einen Riegel vor. Die tägliche Fahrt zum Arbeitsplatz in die Oberpfalz, nach Oberfranken oder Niederbayern ging von einem Tag zum anderen nicht mehr, lang feststehende Treffen von Partnern, bewilligte Förderprojekte, Rad- und Wandertouren, Individual-, Bus- und Bahnreisen wurden blockiert, abgesagt oder bestenfalls auf unbestimmte Zeit geschoben.
Da war die Grenze auf einmal "nicht mehr die Linie auf dem Papier", wie sie Bürgermeister Václav Bernard und die Bürger der Grenzgemeinden über Jahre wahrgenommen haben. So wie im Frühjahr, als der Lockdown an der Grenze den Austausch abschnürte, darf es nicht mehr kommen, war unisono die Meinung im Saal. Zuversicht in dieser Hinsicht geben in der Ausstellung jedenfalls die Statements von 300 Persönlichkeiten, die sich zu 30 Jahren Beziehungen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auf Paneelen im CeBB und online auf www.bbkult.net äußern.
Kann man Corona vielleicht auch etwas Positives für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit abgewinnen, war eine der Fragen mit durchaus differenzierten Antworten. Waren die Beziehungen und die Projekte zu eingefahren und zu normal? Petra Ernstberger, lange Jahre im Bundestag und zusammen mit Tomas Jelinek Geschäftsführerin des DTZF, lässt sich mit ihrem Team in Prag als Seismograph für die deutsch-tschechischen Beziehungen einordnen. "Corona hat uns ziemlich aufhorchen lassen. Wir vom DTZF und die Akteure suchen nach neuen, auch digitalen Formen, die wir sehr flexibel mit den Projektpartnern umsetzen und finanzieren", war ihre Botschaft.
Corona hat uns ziemlich aufhorchen lassen.
Antworten zum Nachhören
Moderatorin Bara Procházká nahm das Stichwort Digitalisierung mehrmals auf: mit der Übertragung der Podiumsdiskussion im Netz konnten Online-Nutzer live dabei sein und sich mit Beiträgen einbringen. Über das Portal bbkult.net ist die Veranstaltung abrufbar, ebenso die gesamte Ausstellung "30 x 10" mit ihren Statements. Auch die Antworten auf die Schlussfrage "Was kann jeder von uns morgen tun, damit es mit den deutsch-tschechischen Beziehungen besser geht?" gibt es hier zum Nachhören.
















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