Engpässe bei der Grippe-Impfung? "Ja, die gibt es offenbar", sagt Hans Prechtl, Pressesprecher am Schwandorfer Landratsamt. Er muss dazu gar nicht erst beim Gesundheitsamt nachfragen, sondern weiß es aus erster Hand aus seinem Familienkreis. In einer Schwarzenfelder Praxis hieß es bei der Nachfrage: Im Moment ist kein Impfstoff verfügbar. "Wegen Corona nehmen viel mehr Leute das Angebot in Anspruch, sich zumindest gegen Grippe impfen zu lassen", so die einfache Schlussfolgerung, die auch Ärzte und Apotheker im Landkreis bestätigen.
Schutz auch fürs Gesundheitssystem
Dass die Grippe-Impfung in Corona-Zeiten besonders wichtig ist, hatte unlängst Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betont: "Sie schützt vor schwer verlaufenden Influenza-Infektionen und sie stärkt zugleich unser Gesundheitssystem vor einer möglichen Überlastung angesichts der Herausforderungen durch die Corona-Pandemie." Bayern habe sich darauf vorbereitet, hieß es in einer Pressemitteilung vom 7. Oktober. "Mein Ministerium hat für diese Saison 550.000 zusätzliche Impfdosen gekauft. Damit können wir rund ein Drittel mehr Impfungen garantieren, als in den vergangenen Jahren durchschnittlich nachgefragt worden sind." In den vergangenen Jahren hatten die Vertragsärzte laut Ministerium im Freistaat rund 1,5 Millionen Impfdosen abgerechnet. Ministerpräsident Markus Söder ließ sich prompt vor der Sitzung des Kabinetts in der Staatskanzlei impfen – von der Ministerin persönlich, schließlich ist sie ausgebildete Ärztin.
"Wir haben keine Versorgungsengpässe", hatte sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch am Mittwoch der vergangenen Woche geäußert und sich auch selbst gleich impfen lassen. Da kam bereits Kritik von Ärztevertretern, und inzwischen ist es kein Geheimnis, dass es nicht nur in Großenstädten und auf dem Land in Bayern, sondern bundesweit am Nachschub bei den Grippe-Impfstoffen mangelt. "Wir haben schon mehrere Apotheken durchtelefoniert, die haben auch nichts", berichtet eine Arzthelferin aus Oberviechtach, die in der Gemeinschaftspraxis Dres. Ried arbeitet. Auch beim Großhandel könne man derzeit nichts ordern. Das Ergebnis: viele Anfragen und eine lange Warteliste.
"Eine Katastrophe"
Eine Nabburger Praxis hat zwar noch etwas Impfstoff, doch der ist längst reserviert für Patienten, die schon lange vorbestellt haben. "Eine Katastrophe" sei das, kommentiert Dr. Franz Putz aus Wernberg-Köblitz den Engpass, der schon seit 14 Tagen zu spüren sei. Und nicht nur bei Grippe. Auch zur Vorbeugung gegen Lungenentzündung und Gürtelrose fehle es momentan an Impfstoffen. "Inzwischen werden schon die Patienten selber aktiv, versuchen es Internet oder klappern Apotheken ab", berichtet der Allgemeinarzt und ist besonders sauer auf den Bundesgesundheitsminister, der sich werbewirksam dem kleinen Pieks unterzieht. "Den könnte ich momentan in der Luft zerreißen", empört sich Putz, "der hat uns den ganzen Ärger eingebrockt". Schließlich sei es vorherzusehen gewesen, dass heuer mehr geimpft werde als im Vorjahr, deutlich mehr.
"Wir hatten vor zwei Jahren schon einmal einen Riesenmangel", berichtet der Wernberger Arzt. Rund 400 Personen hat er heuer schon geimpft, weitere 150 bis 200 Impfwillige gebe es derzeit in seiner Praxis. "Es ist kein Nachschub in Sicht, und was ich von Kollegen so höre, ist bei denen auch nichts da." Mancher habe vielleicht noch ein paar Reserven, das reiche aber nicht. "Die Nachfrage ist wirklich enorm", bestätigt auch Christian Bauer, Sprecher des Apothekerverbandes im Landkreis Schwandorf und verweist auf den langen Vorlauf bei der Bestellung. Als man im März geordert habe, sei die Situation so noch nicht absehbar gewesen. Für November rechne man noch mit einer Lieferung aus Frankreich, mehr gebe es dann wohl erst im März. "Der Gesundheitsminister hat groß getönt, dass er noch sechs Millionen Dosen in der Rückhand hat, vielleicht gibt er die ja bald frei", spekuliert Bauer. Dafür dass nun von politischer Seite eher etwas zurückgerudert wird, spricht eine Impf-Empfehlung, die den ebenfalls knappen Impfstoff gegen Lungenentzündung betrifft. "Da hat man vor ein paar Wochen das Alter Menschen, die sich impfen lassen sollen, von 60 auf 70 hochgesetzt", sagt Bauer
Eigentlich gehen die Impfstoffe jedes Jahr aus, heuer ist es durch Corona eben noch extremer.
"Eigentlich gehen die Impfstoffe jedes Jahr aus", meint der Apotheker aus Burglengenfeld, "heuer ist es durch Corona eben noch extremer". "Die sollen doch zugeben, dass sie sich verkalkuliert haben, statt die Schuld auf uns zu schieben ", wettert Putz gegen die Verantwortlichen der Gesundheitspolitik. Vielleicht kommen ja doch noch ein paar Impf-Dosen bei ihm an. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", seufzt der Mediziner. Immerhin soll die Mund-Nasen-Bedeckung dazu beitragen, dass sich auch ohne Impfung heuer weniger Menschen mit Influenza-Viren infizieren.
Impfung ab 60 oder mit Risiko
- Impfdosen: Über 26 Millionen Dosen Influenza-Impfstoffe sind für die Saison 2020/21 laut Ministerium in Deutschland verfügbar, "fast doppelt so viel wie in der vergangenen Saison mit 14 Millionen Dosen verimpft wurde".
- Impf-Empfehlung: Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfiehlt die Grippeschutzimpfung besonders für Personen, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Dazu zählen: ältere Menschen ab 60 Jahre, Personen mit Grundkrankheiten wie Herz-Kreislauferkrankungen, chronischen Krankheiten der Atmungsorgane oder Diabetes, aber auch medizinisches Personal und Menschen, die in Einrichtungen mit viel Publikumsverkehr arbeiten.
- Schutzwirkung: Erst einige Tage nach einer Grippeimpfung kann von einem Impfschutz ausgegangen werden. Die Impfung muss jährlich wiederholt werden, weil sich die Eigenschaften der Grippeviren jedes Jahr verändern können.
- Kosten: laut Bayerischem Gesundheitsministerium werden die Kosten für die Impfung von den gesetzlichen Krankenkassen und in der Regel auch von den Privatkassen übernommen.
Impfung gleich in der Apotheke
In der Oberpfalz wird heuer ein Modellprojekt für eine Grippeimpfung in der Apotheke erprobt. Teilnehmen können AOK-Versicherte. Das Projekt läuft über drei Jahre. Rund 30 der 250 Oberpfälzer Apotheken haben sich dazu angemeldet, informiert der Bezirksvorsitzende des Bayerischen Apothekerverbandes, Martin Wolf. Er geht davon aus, dass in Kürze rund 120 Apotheker in der Oberpfalz entsprechend geschult sind und dazu in begrenztem Umfang auch noch Impfstoff bekommen. Ohnehin befinde sich ein Teil der Ware noch in der Auslieferung, für eine Impfung sei es auch Ende November noch nicht zu spät. Das "niedrigschwellige Angebot" scheint auch schon vor Corona in den Nachbarländern gut angekommen zu sein. "In Frankreich wurde ein Modellversuch abgebrochen, gerade weil er so erfolgreich war", berichtet der Schwandorfer Apothekensprecher Christian Bauer.
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