Als ein in sich geschlossenes System mit eigenen Gesetzmäßigkeiten verfügt der Dialekt über Ausdrücke, die in ihrer Form und dem vermittelten Inhalt in der Standardsprache nicht existieren.
Ein Beispiel ist "ander Gschwister Kinder": Nicht selten sind in den beiden Sprachvarietäten des Deutschen zwar dieselben Wörter vorhanden, doch liegt mitunter ein völlig anderer Sachverhalt vor. "Ander Gschwister Kinder" ist ein markanter Ausdruck hierfür aus dem Bereich der Verwandtschaftsbezeichnungen.
Der reine Wortlaut im Sinne von "die Kinder von anderen Geschwistern" gibt dem Unkundigen keinen Hinweis auf die wahre Bedeutung. Mit "ander Gschwister Kinder" ist nämlich gemeint, dass es sich dabei um Cousins bzw. Cousinen zweiten Grades (Großcousins / Großcousinen) handelt, das heißt um die Kinder von Cousins. Diese "ander Gschwister Kinder" sind demnach dadurch verwandt, dass sie gemeinsame Urgroßeltern besitzen.
Das Wort "ander" in diesem Ausdruck will sagen, dass hier von "Geschwistern" die Rede ist, die sich sozusagen auf der zweiten Ebene befinden. Gebräuchlich war diese Wortwahl früher in den Bezeichnungen "Anderknecht" und "Anderdirn" für den zweiten Knecht und die zweite Magd, die in der Hierarchie nach dem Oberknecht und der Felddirn kamen. Auf einer Internetseite der Gemeinde Strasskirchen findet sich eine Auflistung des vollständigen Gesindestandes auf größeren Höfen: Oberknecht, Anderknecht, Baumann (Bammer), Ochserer, Drittler, Viertler, Fünftler, Hausl, Wasserbub, Felddirn, Anderdirn, Dritteldirn, Kuchldirn, Kinderdirndl.
Auf der Basis des Ausgeführten könnte man logischerweise mutmaßen, dass für Cousins und Cousinen der Ausdruck "ander Gschwister" im Dialekt verwendet wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr wird ein Cousin als "Vedder" und eine Kusine als "Bàsl" tituliert. Für einen Paten bzw. eine Patin wiederum sind "Ded" und "Dod" gebräuchlich, während sich für "Großmutter" die Bezeichnung "Ahnl" findet.
In diesem Zusammenhang ist noch ein weiterer Ausdruck einer Betrachtung wert, nämlich "mei Leid" (= meine Leute). Anders als in der Hochsprache wird er im Dialekt auch für die eigene Familie, insbesondere für die Eltern angewendet. Gleiches gilt für "Freundschaft": Das mundartliche "Freindschofd" kann man nach wie vor als Synonym für "Verwandtschaft" hören.
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