Schwandorf
05.09.2019 - 17:24 Uhr

Fluchtreise mit Station hinter Gitter

Sein Asylantrag ist abgelehnt. Doch der 50-Jährige wird nicht abgeschoben, weil ihm in seiner nordafrikanischen Heimat die Todesstrafe droht. Seit 25 Jahren ist der Mann quer durch Europa unterwegs - verbunden mit Ärger für die Behörden.

Das Gericht konnte keine Bewährung geben. Bild: Volker Hartmann/dpa
Das Gericht konnte keine Bewährung geben.

Der Mann ist psychisch krank. Er mag Eingriffe in sein Leben ungern dulden und ließ nun auch vor dem Landgericht Amberg anklingen, dass er eigentlich nicht einordnen könne, weshalb man so viel Aufhebens um ein paar Fehltritte mache. Die Zweite Strafkammer unter Vorsitz der Richterin Roswitha Stöber sah sich mit einer bemerkenswerten Lebensgeschichte konfrontiert. Da saß ein Nordafrikaner. Die Richter erfuhren, dass er vor nunmehr 25 Jahren aus der Armee in seinem Geburtsland desertierte und deswegen bis heute auf der Fahndungsliste stehe. Der Mann wurde zum Langzeit-Flüchtling. Erst war er Alkoholdealer in Libyen, danach folgten Aufenthalte in Italien, der Schweiz, in Frankreich, Belgien, Norwegen. In Deutschland war er auch schon mal.

2014 kehrte der Afrikaner zurück. Seither ist ihm eine Unterkunft im südlichen Kreis Schwandorf zugewiesen. Mt Einzelzimmer, weil das ein Arzt so anordnete. Seine psychische Erkrankung hat ihn zu einem schwierigen Zeitgenossen gemacht. Der heute 50-Jährige geht zum Stehlen, wenn ihm der Sinn danach steht. Er tritt auch seine Zimmertür ein, falls er den Schlüssel nicht findet und wechselt Zylinderschlösser aus, weil er nicht will, dass der Unterkunftsverwalter womöglich einmal nachschaut.

Drei Vorstrafen wegen Ladendiebstahls brachte der abgelehnte und jetzt von Deutschland geduldete Asylbewerber mit, als ihn das Schwandorfer Amtsgericht wegen zweier neuerlicher Diebstähle und der eingetretenen Zimmertür für sechs Monate hinter Gitter schickte.

Jetzt wurde in einem Berufungsverfahren erneut dazu verhandelt. Die Strafkammer erfuhr: Mit dem Rucksack in Supermärkte, voll gepackt mit Tabak und Lebensmitteln, am Ausgang gestellt und der Polizei übergeben. Das gab er über seinen Anwalt Peter Grau zu. Doch ins Gefängnis wollte der 50-Jährige nicht. In Belgien hatte man ihn wegen ähnlicher Delikte schon einmal eingesperrt.

Der Prozess zog sich über Stunden hin. Man hörte, dass der Angeklagte mehrfach in einer psychiatrischen Klinik war, und vernahm durch eine medizinische Sachverständige, dass die Steuerungsfähigkeit des Mannes wohl eingeschränkt sei. Dann regte Verteidiger Grau an, noch einmal Bewährung zu geben und ihm die Möglichkeit einer Behandlung beim sozialpsychiatrischen Dienst zu gewähren. Das aber schien ausgeschlossen zu sein. Der 50-Jährige spricht zwar fließend Arabisch und Französisch, kann sich auch in italienischer und englischer Sprache verständlich machen. Doch er beherrscht bis heute kein Wort Deutsch.

Staatsanwältin Franziska Paintner beantragte sechs Monate ohne Bewährung. Die Kammer verhängte vier Monate zum Absitzen. Weitere drei Monate kommen hinzu, wenn demnächst eine noch offene Bewährungsstrafe widerrufen wird. Einsehen mochte das der Mann nicht. Er will Arbeit, ein Auto und so leben, wie er sich das in seinem Gastland vorstellt.

 
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