Sie sind so unterschiedlich und dann doch künstlerisch wieder so ähnlich: Der vom Lebensalter her greise, aber aufmerksam und viel jünger wirkende Prager Surrealist Jan Švankmajer und die nicht einmal halb so junge Wahl-Londonerin Maria Thurn und Taxis, die in das neue Ausstellungsprojekt von Jürgen Dehm nicht nur ihre Werke, sondern auch ihren bekannten Namen einbringt. Dem Leiter des Oberpfälzer Künstlerhauses Kebbel-Villa in Schwandorf ist mit der Schau ein Coup gelungen, "Jetzt kann ich loslegen mit meinem eigenen Programm," betont er, der vor einem dreiviertel Jahr noch unter Pandemiebedingungen seine neue Aufgabe übernommen hat und erst die Projekte der Vorgängerin abgewickelt hat.
Bei der Eröffnung der Doppelausstellung mit den Titeln "Unnatürliche Geschichten" (Jan Švankmajer) und "The Rules of the Game" (Maria Thurn und Taxis) kann das Künstlerhaus den Andrang der Vernissagen-Gäste kaum bewältigen. Neben den lokalen Kunstinteressierten sind diesmal auch viele Auswärtige gekommen, nicht wenige aus Regensburg. Auch wenn es der eine oder andere vielleicht gehofft hatte, aber die bekannte Gloria von Thurn und Taxis, also die Mutter der Künstlerin, mischte sich nicht unter die Besucher.
Gleich wieder nach London
Maria Thurn und Taxis, ohne "von", erweist sich als freundliche und zurückhaltende Künstlerin, die den Rummel um sich und ihre Werke manchmal fast schüchtern zu quittieren scheint. Lange bleibt sie nicht in der Oberpfalz, wie sie im Gespräch verrät. "Ich fliege heute wieder zurück zu meiner Familie nach London, aber vorher möchte ich mich noch mit meinen Geschwistern treffen." Die Familie in der englischen Metropole, das ist ihr Mann, der Londoner Künstler Hugo Wilson, und zwei kleine Kinder. Die Geschwister wiederum rauschen als Prinzessin und Prinz durch den deutschen Blätterwald: ihre jüngere Schwester Elisabeth und ihr jüngerer Bruder Albert. Auch Maria Thurn und Taxis selbst wird auf der familiären Homepage als „Prinzessin Maria Theresia“ vorgestellt.
Das alles schwingt mit bei der Ausstellungseröffnung und konkurriert mit der Aufmerksamkeit, die man der 42-Jährigen als Künstlerin widmet. Ganz unschuldig ist die Malerin daran natürlich nicht, denn Thurn und Taxis ist nicht nur ihr Mädchen-, sondern auch ihr Künstlername. Eigentlich heißt sie Maria Theresia Wilson. "Sie hat seit dem Abschluss ihres Kunststudiums 2010 in London schon einen beachtlichen Weg zurückgelegt, ihr steht aber auch noch vieles offen," weist Jürgen Dehm immer wieder auf den kreativen Output der Malerin hin, wie er nun in der Kebbel-Villa die nächsten sieben Wochen zu sehen ist.
Die Bilder von Thurn und Taxis sind teilweise überdimensional groß, rund zwei Meter hoch und von daher schon beeindruckend. Bevölkert sind sie mit magisch anmutenden Mischwesen - zusammengesetzt aus Vorlagen aus archäologischen Sammlungen, aus botanischen Überblickwerken, aus Büchern über Ballett und vielen anderen Quellen. Die Motive hätten viel mit den jeweiligen Lebenssituationen der Künstlerin zu tun, interpretiert Jürgen Dehm und nennt auch hier das Thema "Familie". Sogar eine Prinzessin kommt vor, wenn auch nur in Zeichentrickform. Sie taucht in einem filmischen Experimentalwerk auf, das gleichzeitig über drei Bildschirme flimmert und ebenfalls bei der Schau zu sehen ist.
"Der Mann ist eine Legende"
Bei all der Aufmerksamkeit für die adelige Malerin kommt das Werk des 88-jährigen Jan Švankmajer fast ein bisschen zu kurz. Dabei ist es sowohl vom optischen wie auch vom kreativen Moment her noch weitaus ausufernder als das der jüngeren Kollegin. "Der Mann ist eine Legende," versichert Jürgen Dehm, der es sich zugute hält, den Filmemacher, Poeten, Zeichner und Objektkünstler aus Böhmen erstmals in der Oberpfalz zu präsentieren. „Die beiden Künstler haben eine hohe Schnittstelle, wie sie arbeiten“, betont Dehm. Jan Švankmajer nutzt sehr stark Collage-Techniken und setzt auf surrealistische Motive. Das macht auch Maria Thurn und Taxis. „Und beide habe ein Faible für das Morbide, das Gruselige.“
Die Präsentation von Jan Švankmajers Werken in der Kebbel-Villa wirkt wie eine barocke Wunderkammer, vollgestopft mit wunderlichen Dingen. Auch zwei Filme gehören zur Ausstellung. Da Švankmajer weder Deutsch spricht noch Englisch, übernimmt es der deutsch-tschechische Kunsthistoriker, Autor und Kurator Jiří Fajt, in dessen Werk einzuführen. Švankmajer sei ein Skeptiker, ein Freigeist, ein Surrealist, betont er. Gerade auf Letzteres geht Fajt sehr ausführlich ein und macht seine Zuhörer mit dem Phänomen des tschechischen Surrealismus bekannt, dem er Švankmajer zurechnet. Der nahm just in dem Moment Fahrt auf, als Ende der 1960er Jahre der tonangebende französische Surrealismus von der Bühne abtrat und museal wurde.
Zwei Künstler
- Maria Thurn und Taxis: 42 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, lebt in London. Seit dem Abschluss des Kunststudiums vor 13 Jahren bereits zahlreiche Ausstellungen; jetzt die erste Werkschau in der Oberpfalz.
- Jan Švankmajer:88 Jahre alt, lebt in Prag und in Südwestböhmen (Oberstankau). Zählt zu den einflussreichsten tschechischen Künstlern der Gegenwart. Ebenfalls erste Ausstellung in der Oberpfalz.
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