Mit einem äußerst selten zu hörenden Klavierstück begann in diesem Jahr das Schwandorfer Neujahrskonzert in der vollbesetzten Spitalkirche. Die "Prairie-Rose" ist die Nummer eins aus den "Prairieblumen" op 53 von Xaver Scharwenka (1850-1924). Christian Seibert, der seit mehreren Jahren die Neujahrskonzerte gestaltet, interpretierte einfühlsam die ruhige Melodie. Es folgte das "Scherzo Nr.1 h-moll" op 20 von Frédéric Chopin (1810 bis 1849). Kontrast dazu bildet der Mittelteil mit seinen weichen Klängen. Und wieder das Hauptthema, sehr heftig gesteigert zum dröhnenden Schluss.
Dass ein Pianist das Werk in dieser Geschwindigkeit spielt, reißt einfach mit. Anschließend erklangen die neun Variationen über das französische Lied "Ah, vous dirai-je, Maman" KV 265 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 bis 1791). Seibert spielte das Lied und die folgenden Abwandlungen mit berückender Leichtigkeit der Tonfolgen und spielerischer Eleganz der heiteren wie elegischen Umwandlungen des Themas. Mit einem kolossalen Finale beendete er die Folge der Veränderungen. Völlig andere Klangvorstellungen - gerade nach Mozart auffällig - setzten in "Alborada del grazioso" aus den "Miroirs" von Maurice Ravel (1875 bis 1937) das Programm fort.
Seibert gelang es tadellos, das vielfältige Gepräge dieser impressionistischen Tonsprache an die Zuhörer zu vermitteln. Es folgte das "Scherzo Nr.2 b-moll" op 31 von Frédéric Chopin, das zwar tänzerisch wie ein Walzer geprägt ist, besonders in seinem träumerischen Mittelteil, aber in seinen Rhythmen vor allem zum Schluss zu stürmisch rasch im Charakter wird. Nach der Pause setzte Christian Seibert sein Spiel wieder mit einem Werk von Xaver Scharwenka fort, nämlich der "Wild Primrose", der Nummer drei aus den "Prairieblumen" op 53. Lebhafte Klänge erfüllten das musikalische Geschehen, wie im Titel vorhergesagt.
Dann erklang das "Scherzo Nr.3 cis-moll" op 39 von Frédéric Chopin in seiner stürmischen Abfolge eines großangelegten Themas, das geprägt ist von gehaltenen punktierten Halben und rasenden Achteln und ebenfalls in eine kraftvolle Schluss-Steigerung mündet. Diesem äußerst wilden Stück folgte ein großer Gegensatz: Aus dem "Wohltemperierten Klavier, Teil 2" von Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750) ertönte "Präludium und Fuge Nr. 14 fis-moll" BWV 883 mit einem meditativen Vorspiel und einer strengen aber verhalten klingenden Fuge. Seibert interpretierte zunächst leise fließend, dann streng im Tempo und doch melodiös die ineinander ragenden und folgenden Tonsequenzen. Von Frédéric Chopin folgte das "Scherzo Nr.4 E-Dur" op 54 mit seinen kunstvollen melodischen Gedanken. Alle vier Scherzi von Chopin tragen zwar den gleichen Titel und sind sich im Aufbau wie in der Geschwindigkeit ähnlich, haben jedoch einen unterschiedlich individuellen Charakter.
Als letztes Stück folgte "Réminiscences de Don Juan" von Franz Liszt (1811 bis 1886), eine Erinnerung an die Oper "Don Giovanni" von Mozart, in der Liszt sein Verständnis der Musik seines früheren Kollegen zum Ausdruck bringt, indem er verschiedene Motive aus Mozarts Oper auf seine eigene Art deutet. Dass es dabei zu extrem virtuosen Tongestaltungen kommt, ist bei Liszt klar und bei Seibert das Gelingen ebenso klar. Nach einer Zugabe - der "Paraphrase über Operetten" von Alfred Grünfeld (1852-1924) - endete eine musikalisch grandiose Einstimmung auf das neue Jahr.
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