Die Ziffern "88" im Titel des neuen, ausverkauften Ovigo-Theaterstücks "SAD-88" verweisen nicht nur auf das Jahr der Tragödie mit den vier Toten mitten in der Schwandorfer Altstadt vor 36 Jahren. Für Neonazis ist "88" auch eine Chiffre für "Heil Hitler", den heute verbotenen Gruß aus dem Dritten Reich.
Das Ovigo-Theater in Schwandorf hat mit "SAD-88" eine beeindruckende und zugleich aufrüttelnde multimediale Szenen-Collage geschaffen, die den rechtsterroristischen Brandanschlag auf das Schwandorfer Habermeier-Haus vom 17. Dezember 1988 thematisiert.
Der Brandanschlag, der vom 19-jährigen Schwandorfer Neonazi Josef S. verübt wurde, forderte damals das Leben von vier Menschen: Osman Can (50), Fatma Can (43), Mehmet Can (12) sowie Jürgen Hübener (47). Der Täter gab vor Gericht an, Ausländer gehasst zu haben - eine Erklärung, die die rassistische Motivation seiner Tat unterstreicht.
Das Stück "SAD-88" geht über das klassische Bühnentheater hinaus und verbindet verschiedene Erzählstränge miteinander. Vier Darsteller schlüpfen in die Rolle von Archivaren, die sich Stück für Stück der Geschichte nähern und dabei nicht nur die Tathandlung selbst, sondern auch den Gerichtsprozess sowie den Umgang der Stadt Schwandorf mit dem Ereignis thematisieren.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Rolle der Kommunalpolitik. Immer wieder wird im Stück das zögerliche und oft auch herunterspielende Verhalten von Politikern angesprochen, die den rassistischen Charakter des Verbrechens lange Zeit bagatellisierten oder nicht in angemessenem Maße dazu Stellung nahmen.
Die multimediale Gestaltung des Stücks sorgt für zusätzliche Tiefe: Audioaufnahmen von Hinterbliebenen, Polizisten, dem Berufsschullehrer des Täters und anderen Zeitzeugen werden integriert. Auch Ausschnitte aus Fernsehberichten und privaten Videoaufnahmen von Überlebenden und Familienangehörigen der Opfer fließen in die Inszenierung ein. Diese Einblicke ermöglichen es dem Publikum, sich nicht nur intellektuell, sondern auch emotional mit der Tragödie auseinanderzusetzen.
Ein zentrales Element der Produktion ist die Einbeziehung der Hinterbliebenen der Opfer. So sind Leyla Kellecioglu, die beim Brandanschlag ihre Eltern und ihren Bruder verlor, sowie Markus Hübener, dessen Vater ums Leben kam, in die Entstehung des Stücks eingebunden. Ihre Erlebnisse und ihre Perspektiven fließen direkt in die Szenen ein und verleihen der Auseinandersetzung mit der Geschichte eine tiefere menschliche Dimension.
Florian Wein, Intendant des Ovigo-Theaters und Regisseur von "SAD-88", sowie einer der vier Schauspieler bei der Premierenaufführung, freuten sich, dass die bekannte Schauspielerin Anna Maria Sturm gewonnen werden konnte. Sie ist die Tochter von Irene Maria Sturm, einer engagierten Politikerin, die sich jahrzehntelang für ein angemessenes Gedenken an die Opfer des Anschlags einsetzte. Als weitere Schauspieler ergänzen Lisamarie Berger und Daniel Adler das Ensemble.
Am Ende gab es verdienten, langen Applaus für Stück, Darsteller und das Team im Hintergrund. Von der Bühne herab äußerte Regisseur Wein den Dank für Oberbürgermeister Andreas Feller, der das "SAD-88" als Zuschauer verfolgt hatte, dass er sich für Gedenken und Aufarbeitung einsetze. Feller winkte bescheiden ab: "Das gehört sich doch."
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