Mit der "Schwandorfer Erklärung" - Vorbild ist unter anderem die "Schweinfurter Erklärung" - will das Schwandorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus eine Gegenöffentlichkeit herstellen. Die Deutungshoheit der Pandemie mit all ihren Folgen soll nicht Impfgegnern, der AfD und rechten Gruppen überlassen werden. Nach den Worten von Bündnissprecher Frank Möller verfolgen Bündnismitglieder mit Sorge wie Dienstag für Dienstag viele hundert Menschen unter der Schirmherrschaft der AfD auf dem Marktplatz stehen. "Von mir aus können Menschen alles glauben, was sie wollen und für ihre Überzeugung auf die Straße gehen, aber sich kritiklos und gleichgültig hinter der AD zu versammeln", dafür hat Frank Möller kein Verständnis.
Der letzte Tropfen zur Erklärung für Demokratie und Zusammenhalt sei gefallen, als sich kurz vor Weihnachten, organisiert von Leuten, die der Neonazi-Szene nahe stehen, ein Demonstrationszug durch die Stadt bewegte. Das jetzt veröffentlichte Statement ziele darauf ab, der "schweigenden Mehrheit, die sich an die Regeln hält und hofft, dass Corona eingedämmt wird, eine Stimme zu geben". Die Schwandorfer Erklärung kann online (https://schwandorfer-erklaerung.de/ oder www.change.org/p/bürgerinnen-und-bürger-in-der-stadt-und-im-landkreis-schwandorf-schwandorfer-erklärung) unterschrieben werden und ist seit Freitagnachmittag frei geschaltet.
Schnell Fahrt aufgenommen
Waren es am Samstagmittag beim Pressegespräch etwas über 1800 Unterschriften, sind es am Sonntag um 14 Uhr 2827. Erstunterzeichner sind unter anderen Landrat Thomas Ebeling und seine Vorgänger Hans Schuierer und Volker Liedtke, die Bundestagsabgeordneten Martina Englhardt-Kopf, Marianne Schieder und Tina Winklmann, Schwandorfs OB Andreas Feller und viele Stadträte aber auch der Geschäftsführer des Krankenhauses St. Barbara, Dr. Martin Baumann ,sowie die Geschäftsinhaber Alexander Heinz und Andreas Betzlbacher.
In der Erklärung, die sich explizit an alle Landkreisbürger wendet, heißt es unter anderem wörtlich: "Wir sind froh, dass es gelungen ist, wirkungsvolle Impfstoffe herzustellen und betrachten es als Ausdruck des Verantwortungsbewusstseins, sich impfen zu lassen und damit sich selbst und andere zu schützen. Wir haben Verständnis dafür, dass viele um ihre Freiheitsrechte und um ihre wirtschaftliche Existenz besorgt sind und deshalb auf die Straße gehen."
Weiter: "Das Recht auf individuelle Freiheit findet aber auch unter der Geltung des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung seine Grenze an der Notwendigkeit des Schutzes der Mitbürgerinnen und Mitbürger, besonders der verwundbaren alten, kranken und pflegebedürftigen. Was Ausdruck von Gemeinsinn, Vernunft und Verantwortungsbewusstsein ist, darf nicht als Diktatur verunglimpft werden.
Auch wir sind besorgt, und zwar um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und um die Solidarität zwischen Jungen und Alten, zwischen Gesunden und Kranken, wenn bei Kundgebungen und Demonstrationen auch in unserer Stadt von Verschwörungserzählern und Demokratiefeinden Tatsachen und Fakten verdreht und bewusst missachtet werden und wenn alte und neue Nazis versuchen, den Protest für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Wir rufen deshalb alle, die aus Sorge um ihre Freiheitsrechte und Angst um ihre wirtschaftliche Existenz auf die Straße gehen, auf, sich nicht von Gegnern und Feinden unserer freiheitlichen Demokratie missbrauchen zu lassen."
Blick nach Kasachstan
Es sei ein Kampf um die Köpfe der Bevölkerung, sagt Bündnissprecher Franz Schindler, ein Kampf, der von der anderen Seite sehr geschickt betrieben werde. Ziel sei es, in die Köpfe der Menschen reinzubringen, dass es um Grundwerte gehe in einer freiheitlichen Demokratie. Einer dieser Grundwerte heiße Solidarität, im konkreten Fall mit den Schwachen, mit Alten, Schülern oder Kindergartenkindern beispielsweise. All jenen, die das Wort Diktatur in den Mund nähmen, könne er nur dringend raten, aktuell nach Kasachstan zu schauen, wo es einen Schießbefehl auf Bürger gäbe. Die Bundesrepublik habe als Staat die Pflicht die Bevölkerung zu schützen.
Franz Schindler geht es auch um den Ruf der Stadt, denn, so Dritte Bürgermeisterin Marion Juniec- Möller, ein Teil dieser Demonstranten möchte eine andere Gesellschaft. Der Stadtrat unterstütze bis auf eine Partei diese Aktion. Das betonte auch CSU-Stadträtin Sonja Dietl. Genau das, mache das Bündnis aus. "Dieses Schwandorfer Bündnis war immer gut, wenn es sich in seiner Breite präsentiert hat," sagt Franz Schindler.
Dazu gehören selbstverständlich die Kirchen. Dekan Hans Amann, Pfarrer von St. Jakob, sieht in der Unterstützung der Erklärung "eine konsequente Weiterführung meiner Positionierung in der Weihnachtspredigt". Dort hatte er gegen die Mahnwachen Stellung bezogen und zum Impfen ermutigt. Ihm komme der Zorn bei dem, was an Sprüchen und Parolen dienstagabends los gelassen werde. "Was mich persönlich zornig macht sind die Anführer, denen es eben nicht um die Gesundheit der Menschen geht." Den unreflektierten Massenauflauf nutzten sie für ihre Zwecke.
"Ich finde keine Substanz." Mit diesen Satz erklärt der evangelische Pfarrer Arne Langbein, warum ihm zu den Beiträgen auf dem Marktplatz die Worte fehlen. Er werbe um die Stillen. Die erste Resonanz auf die "Schwandorfer Erklärung" zeige, sie seien da. "Das tut einfach mal gut." Dem Ausschalten von Weihnachts- und Kirchenbeleuchtung und der Erklärung werden weitere Aktionen folgen, ließen die Bündnisvertreter durchblicken.
Die Schwandorfer Erklärung im Wortlaut
Schwandorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus
- Das Bündnis gegen Rechtsextremismus ist ein überparteiliches und interreligiöses Netzwerk.
- Vertreten aus Kirchen, Parteien, Vereinen, Organisationen sind oder können ebenso beitreten wie Einzelpersonen, die den Rechtsextremismus entschieden ablehnen und für eine offene Gesellschaft eintreten.
- Sprecher des Bündnisses sind derzeit Frank Möller, Franz Schindler und Günter Kohl.
- Mehr zum Bündnis auf https://www.facebook.com/Schwandorfer-Bündnis-gegen-Rechtsextremismus
"Die schweigende Mehrheit, die sich an die Regeln hält und hofft, dass Corona eingedämmt wird, erhält eine Stimme."
"Was mich persönlich zornig macht, sind die Anführer, denen es eben nicht um die Gesundheit der Menschen geht."
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