Schwandorf
04.02.2019 - 14:42 Uhr

Traum lebt in Deutschland weiter

Rawia Khwis (33) hat einen großen Traum. Sie möchte promovieren und ihren Doktor-Titel erlangen. Nach ihrer Flucht aus Syrien nun eben nicht in ihrem Heimatland, sondern in Deutschland.

Rawia Khwis flüchtete Ende 2015 von Syrien nach Deutschland. Bild: Christopher Dotzler
Rawia Khwis flüchtete Ende 2015 von Syrien nach Deutschland.

Manche Menschen leisten einfach Unfassbares. So wie die 33-jährige Rawia Khwis. Ende 2015 flüchtet die Syrerin aus ihrer Heimat vor Krieg und Terror. An der Volkshochschule Schwandorf lernt sie Deutsch. Heute arbeitet sie dort selbst. "Einführung in die arabische Schrift" nennt sich der Kurs, der ab Mitte März läuft. Außerdem betreut sie in einer Gemeinschaftsunterkunft Kinder, während die Mütter Deutsch lernen. Den Mamas gibt sie selbst auch noch Nachhilfe-Unterricht. Barbara Genzken-Schindler, die stellvertretende Geschäftsführerin der VSH Schwandorf, bezeichnet die 33-Jährige als Tausendsassa und sagt: "Ich schaue und staune über Frau Khwis."

Rawia braucht den Nebenjob, um ihr Studium zu finanzieren - sie strebt den Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Uni Regensburg an. Die 33-Jährige ist im zweiten Semester. "Im ersten Semester musste ich sehr viel lernen - acht Stunden am Tag", sagt die Syrerin. Vor allem mit den wirtschaftlichen Fachbegriffen hatte sie zu kämpfen. Später will sie ihren großen Traum verwirklichen und promovieren. In der syrischen Hauptstadt Damaskus erlangte sie mit 24 Jahren bereits einen Master in Banking und Versicherung. Anschließend arbeitete sie an einem Zentrum für Lehrplanentwicklung und hatte ein großes Ziel in ihrem Leben: "Ich wollte promovieren - aber dann gab es Krieg."

Rawias acht Jahre jüngerer Bruder und ihre fünf Jahre jüngere Schwester flüchteten aus Syrien. Er nach Holland, sie nach Berlin. Rawias Mutter sagt zu der 33-Jährigen: "Nein, du bleibst nicht hier. Das ist nicht unser Krieg. Wir wissen nicht, warum wir sterben." In dem arabischen Land ist es zu gefährlich geworden. Zumal die Familie zu einer religiösen Minderheit im Land zählt - sie sind Drusen. Nicht-Muslime haben es schwer in Syrien und leben gefährlich. In as-Suwaida, wo Rawia aufgewachsen ist und ihre Eltern und eine ihrer Schwestern heute noch Leben, treibt der Islamische Staat sein Unwesen.

Flucht "braucht etwas Mut"

Hinzu kommt ein Schlüsselmoment, von dem Rawia erzählt. Als sie und ihre drei Geschwister vor ein paar Jahren mit einem Taxi in Damaskus unterwegs sind, hält ein Soldat das Auto an. Er will von Rawias Bruder den Pass sehen. Doch der hat ihn aus Protest gegen die Regierung zerstört. Wenn in Syrien eine Familie nur einen Sohn hat, muss der nicht zum Militär. Dafür gibt es eine Bestätigung. Auch sie hat Rawias Bruder nicht dabei. Der Soldat fordert den Bruder auf, aus dem Auto zu steigen. "Das hätte geheißen, dass wir ihn nie wieder sehen", erklärt Rawia. Man hätte ihn ins Militär gesteckt oder ins Gefängnis gebracht, ist sich die 33-Jährige sicher. Beide Optionen haben keine guten Überlebenschancen. Rawia kämpft um ihren Bruder. Nach einer halben Stunde erlaubt der Soldat, dass eine der Schwestern die fehlenden Dokumente von zu Hause holen darf.

Schließlich begibt sich Rawia auf die Flucht, über die sie sagt: "Es war nicht so dramatisch." Damals seien die Grenzen noch offen gewesen. In die Türkei ist sie ohne Visum gekommen. Einzig die Einreise in den Libanon gestaltete sich schwierig. Als Beamtin darf sie ohne eine Genehmigung nicht in das Land ausreisen. Anfangs scheitern ihre Anfragen. In ihrer Not wendet sie sich an ihren ehemaligen Professor. Der versteht Rawias Situation und hilft ihr den nötigen Stempel in den Pass zu bekommen.

Auf dem Weg nach Europa ist sie ganz alleine. Nach Griechenland setzt Rawia mit einem Schlauchboot über. Auf der Flucht lernt sie einige mit einem ähnlichen Schicksal kennen, mit denen sie Strecken zu Fuß, mit dem Taxi oder dem Bus zurücklegt. Heute sagt Rawia: "Alleine zu gehen, das braucht etwas Mut. Man stirbt sowieso. Aber man muss versuchen, nicht hier (in Syrien, d. Red.) zu sterben."

"Keine Zukunft in Syrien"

Am zweiten Weihnachtsfeiertag 2015 komm Rawia in Regensburg an. Zwei Tage später ist sie bereits in Schwandorf. Eineinhalb Monate verbringt sie in einem Asylbewerberheim, viele Umzüge folgen. Heute wohnt die Studentin in Burglengenfeld und sagt: "Natürlich vermisse ich meine Heimat. Vor allem meine Eltern." Gerade wenn sie an die Zeit vor dem Krieg denkt. Die Wirtschaft habe sich gut entwickelt. "Wenn es so weitergegangen wäre, dann hätten wir ein gutes Leben in unserem Land gehabt." Es kam anders. Der Krieg ließ Millionen Syrer aus dem eigenen Land fliehen.

Ihre Zukunft sieht Rawia in Deutschland. Ihr sind viele Menschen in positiver Erinnerung geblieben, die ihr bei ihrer Ankunft in Europa geholfen haben. "Und ich muss offen sagen: Es gibt nicht so viel Rassismus." Die 33-Jährige will in ihr Heimatland auch nicht zurückkehren, weil es ihrer Aussage nach zu korrupt ist. Auch das Bildungssystem sei schlecht. Kurzum: "Ich sehe keine Zukunft in Syrien."

Die 33-jährige Rawia Khwis hat an der Volkshochschule Schwandorf sichtlich Spaß. Bild: exb
Die 33-jährige Rawia Khwis hat an der Volkshochschule Schwandorf sichtlich Spaß.
 
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