Als Mo Asumang die Morddrohung der Nazi-Band „White Aryan Rebels“ vor über eineinhalb Jahrzehnten hört, hatte der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) schon drei Menschen per Kopfschuss getötet, erinnert sie sich. Kein Wunder, dass die Textzeile „Die Kugel ist für dich, Mo Asumang“ der Schauspielerin Angst macht. „Ich hatte so eine Gänsehaut“, erklärt sie am Rande der Gedenkveranstaltung des Beruflichen Schulzentrums Oskar-von-Miller. Im Interview mit Oberpfalz-Medien spricht sie über ihre Erfahrungen mit Ku-Klux-Klan-Mitgliedern, über mehr Empathie, die es im Umgang mit Nazis brauche und warum sie glaubt, dass die AfD an Wählern verlieren wird.
Mo Asumangs Besuch in der Schwandorfer Berufsschule
ONETZ: Haben Sie den Film „BlacKkKlansman“ schon gesehen?
Mo Asumang: Ja, ich war bei der Premiere in Berlin.
ONETZ: Ein starker Film. Aber vor allem erkennt man Parallelen: Es geht um einen afroamerikanischen Polizisten der beim Ku-Klux-Klan anruft und Kontakt aufnimmt. Das ist ähnlich, wie bei Ihnen. Nur mit dem Unterschied, dass sich der Cop als weißer Rassist ausgegeben hat und jemand anderen zu den Treffen schickt. Sie haben sich mit ihrer dunklen Hautfarbe selbst in tiefer Nacht in einem abgelegenen Feld mit zwei Ku-Klux-Klan-Mitgliedern getroffen. Wie ist es dazu gekommen?
Mo Asumang: Erstmal stellt sie die Frage: Wie findet man überhaupt so eine Kreuzverbrennung? Ich habe im Internet recherchiert und bin nach Mount Airy in Virginia gereist. Ich habe dort ganz viele Leute befragt. Die meisten haben gesagt: Wir wissen nicht wo das ist und den Ku-Klux-Klan gibt‘s ja gar nicht mehr. Eine Frau von der Tankstelle hat mir dann gesagt, dass es (das Treffen des Ku-Klux-Klans; Anm. d. Red.) die Straße runter ist.
ONETZ: Auslöser dafür, dass Sie Nazis und Ku-Klux-Klan-Mitglieder konfrontieren, war die Morddrohung der Band „White Aryan Rebels“ vor über eineinhalb Jahrzehnten. Können Sie uns erklären, wie Ihr Engagement gegen Rassismus anschließend erwachsen ist?
Mo Asumang: Die erste Reaktion war, dass ich mich total versteckt habe. Bestimmt ein Jahr lang. Ich habe meine Wohnung durchsucht und immer wenn ich nach Hause gekommen bin, habe ich hinter der Tür, unterm Bett und im Schrank nachgesehen, ob da irgendwelche Nazis sind. Die erste Reaktion war nicht: Ich spreche ganz offen. Sondern: Wie kann ich mich schützen. Dann habe ich aber gemerkt: Das ist ein ganz furchtbares Gefühl. So kann man nicht leben. Dann hatte ich eine Anfrage von einer Freundin für ein Theaterprojekt im Knast. Ich habe hinter "schwedischen Gardinen" zum ersten Mal in einem geschützten Raum eine Nähe zu jemandem mit rassistischem Gedankengut aufgebaut.
ONETZ: Mittlerweile treten Sie ganz offen an Rassisten heran und entlarven Neonazis durch ihre offenen Fragen …
Mo Asumang: … ich entlarve sie nicht. Sie entlarven sich selbst.
ONETZ: Stimmt. Braucht‘s insgesamt mehr Mut in der Gesellschaft? Müssen mehr Menschen gegen Rassismus aufstehen?
Mo Asumang: Es braucht alles. Es braucht Mut, Gesicht zu zeigen, aufzustehen und auf Anti-Nazi-Demonstrationen ganz klar seine Position als Demokrat zu zeigen. Es braucht aber auch – und das haben wir noch gar kein bisschen entwickelt – die Empathie Menschen gegenüber, selbst zu Neonazis. Und es braucht die Kraft, dass man bei seinen eigenen Werten bleibt, ohne gleich umzufallen, nur weil ein Rassist vor einem steht.
ONETZ: Wie kann man da hinkommen, dass das funktioniert?
Mo Asumang: Man muss das üben, man braucht das aber auch einfach im Bewusstsein. Denn wenn man es nicht im Bewusstsein hat, dann wird man sich nicht engagieren.
ONETZ: Da dürfte jeder einzelne gefragt sein. Sie haben erzählt, wie Sie in einer Straßenbahn gewürgt worden sind und alle Fahrgäste weggeguckt haben. Da sind wir eigentlich wieder in den 1930er Jahren. Die Menschen haben sich damals auch weggeduckt.
Mo Asumang: Ja, wir befinden uns gerade in diesen „1930er Jahren“. Die Rassisten, die jetzt umtriebig sind, das sind die Menschen, die später vielleicht noch einen Schritt weiter gehen. Wir könnten das jetzt stoppen.
ONETZ: Traurig aber wahr ist, dass mit der AfD, die mittlerweile in alle 16 Landtage eingezogen ist, Rassismus ein Stück weit gesellschaftsfähig wird. Auch die Rhetorik entgleist. Beispielsweise wenn Alexander Gauland die Nazi-Diktatur als einen „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ bezeichnet.
Mo Asumang: Mit diesen Provokationen wollen sie in die Medien kommen. Die Frage ist: Muss man jeden Satz wiederholen? Wenn ich das tue, dann stelle ich wenigstens noch ein anderes positives Beispiel dagegen. Und das muss genau soviel Gewicht haben. Ansonsten mache ich ja Werbung für die. Dann bin ich einfach das verlängerte Sprachrohr für die. Das geht ja nicht.
ONETZ: Glauben Sie, dass die AfD in Zukunft Wähler verliert, weil sie sehen, dass die Partei zu konzeptlos ist? Oder glauben Sie, dass der Bodensatz an Rechtsradikalismus in Deutschland zu groß ist?
Mo Asumang: Ich glaube, dass es schon einen großen Unterschied macht, dass sie nun gewählt und „ganz normale Politiker“ sind. Da gibt es ganz viele Leute, die ganzen Protestwähler, die sagen: „Das ist ja der selbe Scheiß“ – und die dann nicht mehr wählen werden. Jedenfalls dürfen wir nicht tatenlos zuschauen. Aber wir dürfen nicht nur im Abwehr-Modus sein. Dadurch stärken wir sie. „You feed the demon“, sagt man.
ONETZ: Sie wollen also die Kommunikation fördern?
Mo Asumang: Man muss Begegnungsräume in der Gesellschaft schaffen, wo man mit solchen Menschen ins Gespräch kommen kann. Ich rede jetzt vor allem über die Wähler. Sie haben eine Haltung, weil sie irgendwas in ihrem Leben verändern wollen, weil sie denken, sie sind benachteiligt. Aber daran kann man arbeiten. Wir können den Menschen helfen. Da geht es nicht um die Politiker mit ihren krassen Statements. Sondern es geht um Bürger, die in Deutschland leben, und denen es besser gehen soll. Deshalb fokussiere ich mich auf Menschen mit rechtem Gedankengut. Denn wenn ich das Gefühl habe, es geht denen besser, dann geht es auch mir besser. Dahinter steckt ganz klar ein Hintergedanke.
ONETZ: Wie gehen Sie konkret mit Menschen mit rechtem Gedankengut um?
Mo Asumang: Das allerwichtigste ist, dass man Fragen stellt und nicht sagt: Ich gehe jetzt dahin, um den Rassisten schachmatt zu setzen mit meiner Rhetorik. Das habe ich am Anfang gemacht, das funktioniert nicht. Man kann nicht sagen, ich bin besser als der Rassist. Das ist einfach die falsche Haltung. Ich schaue mir den Menschen an und sehe, dass der ein Problem hat, und frage nach. Und dann stelle ich die Fragen, die er oder sie sich selbst nie stellen würde.
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