Urteil in Schwandorf wegen falschen Attesten: Arztehepaar zu Haftstrafen verurteilt

Schwandorf
21.07.2023 - 15:18 Uhr
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Nach 19 Verhandlungstagen endete der Prozess gegen ein Arztehepaar aus dem Landkreis Schwandorf mit Verurteilungen zu Haftstrafen. Angeklagt waren massenhafte Impf- und Maskenbefreiungen. "Das waren schriftliche Lügen," so die Richter.

Mit Haftstrafen ahndete das Erweiterte Schöffengericht in Schwandorf das massenhafte Ausstellen falscher Impf- und Maskenbefreiungsatteste durch ein angeklagtes Arztehepaar.

Die Mediziner mit einer Privatpraxis im südlichen Landkreis Schwandorf mussten sich am Amtsgericht Schwandorf verantworten, weil sie in großem Stil Atteste ausgestellt haben, die von dem Tragen der Corona-Schutzmasken und von Masernimpfungen befreiten. Teilweise lebenslang.

Das Ärzteehepaar soll zwischen Oktober 2019 und Herbst 2020 insgesamt 60 falsche Atteste ausgestellt haben. Die Atteste seien ohne weiterführende Untersuchungen floskelhaft begründet worden, hieß es in der Anklage von Oberstaatsanwalt Carsten Reichel. Für ihn sei eine dauerhafte medizinische Ablehnung gegen jeden Impfstoff ausgeschlossen, die Maskenbefreiungen nicht angemessen gewesen. Dem 50-Jährigen wurden 40 Fälle, seiner 46-jährigen Frau 20 vorgeworfen.

Am Freitag kam es zum letzten von 19 Verhandlungstagen. Bis dahin waren zahlreiche Zeugen, zumeist Attest-Empfänger, aber auch Gutachter vom Gericht befragt worden.

Nur „Spitze des Eisbergs“

Am Ende fasste der Oberstaatsanwalt seine Vorwürfe in einem 25-minütigen Plädoyer zusammen, in dem er zwei Jahre und acht Monate Haft für den Arzt sowie zwei Jahre und zwei Monate für die Ärztin forderte. „Für mich,“ so Reichel, „sind die Angeklagten Überzeugungstäter aus politischen Gründen“. Es sei klar, dass zwar viele Fälle zur Rede gestanden sind, „aber das war doch nur die Spitze des Eisbergs“. Denn das Geschäft mit Attesten zur Impfbefreiung muss geboomt haben. Von bis zu 140 Patienten am Tag berichtete ein Kriminalbeamter, der im Prozess ausgesagt hat.

Die Verteidigung hatten die Rechtsanwälte Christoph Schima (Passau) und Prof. Dr. Jan Bockemühl (Regensburg) übernommen. In ihren jeweils 40-minütigen Schlussplädoyers betonten sie, dass die Angeklagten den ärztlichen Beurteilungsspielraum in keinem Fall überschritten oder gar Gefälligkeitsgutachten ausgestellt hätten. „Alle Zeugen haben bestätigt, dass die nötigen Untersuchungen vorgenommen wurden,“ betonte Schima. Die Mediziner seien freizusprechen.

Um das Thema „Untersuchungen“ rankten sich bei den Plädoyers mehrere Argumentationsstränge. Sie hätten gar nicht stattgefunden, meinte die Anklage. Laut Verteidiger reiche es hingegen für einen Arzt aus, „wenn ich den Patienten im Sprechzimmer sehe und beobachte und mit ihm rede - da brauchts kein Stethoskop“.

„Schriftliche Lügen“

Im Urteil fielen dann klare Worte. „Solche Atteste darf es nicht geben,“ befand Silvia Schatz, die das Erweiterte Schöffengericht leitete, das sich seit Mitte Mai dieses Jahres mit den Vorwürfen zu beschäftigen hatte. Schatz sprach von „schriftlichen Lügen“ und befand: „Wenn man so etwas nicht unter Strafe stellt wäre das System schlecht, das man so einfach aushebeln kann.“ Von den angeklagten 60 Fällen fielen am Ende manche unter den Tisch. Übrig blieben 41 Fälle, meist wegen des Ausstellens von unangebrachten Impfbefreiungen. Viele der Maskenbefreiungen sah das Erweiterte Schöffengericht als nicht so schlimm an, weil diese Atteste nur fürs Einkaufen oder für Freizeitaktivitäten gedacht waren - und nicht zur Vorlage bei Behörden oder Versicherungen.

Berufung angekündigt

Der Arzt wurde zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt, seine Frau zu einem Jahr und zwei Monaten. „Bewährung kommt hier nicht infrage,“ versicherte die Richterin. Sie sprach auch ein eingeschränktes Berufsverbot für drei Jahre aus. In dieser Zeit dürfen die beiden Ärzte keine Atteste mehr ausstellen.

Noch im Hinausgehen aus dem Gerichtssaal kündigten die Verteidiger der Ärzte an, Rechtsmittel einzulegen, so dass der Fall vor das Landgericht Amberg kommen könnte. „Das wird noch eine lange Geschichte,“ kommentierte Oberstaatsanwalt Carsten Reichel.

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Schwandorf09.07.2023
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