Keile statt Kirwa: Der laue Sommerabend vor gut einem Jahr wird einem heute 19-Jährigen in Erinnerung bleiben. Drei Bekannte im Alter von 17, 20 und 24 Jahren nehmen ihn in die Mangel, prügeln und treten auf ihn ein. Ein Unschuldslamm freilich ist das Opfer auch nicht.
Die Schlägerei mitten auf der Straße in Nabburg drehte sich um 60 Euro – die sich das Opfer von einem der drei geliehen haben soll. Oder war es doch Geld, um Drogen zu besorgen? Dazu schwieg das Opfer am Mittwoch vor Gericht, wohl um sich nicht selbst zu belasten. Zurückgeben wollte und konnte der 19-Jährige das Geld jedenfalls nicht: "Ich hatte nicht so viel."
Ordnungsgeld fällig
Vorher, das wurde aus den Geständnissen der Angeklagten deutlich, hatte der 19-Jährige in sozialen Netzwerken noch getönt, er habe das Trio "abgezogen", die würden ihr Geld nie wieder sehen. Das könne schon sein, meinte er nun. Für die drei damals Grund genug, ihn auf dem Weg zur Kirchweih abzupassen und gründlich zu vermöbeln. Ohne die Hilfe von Passanten hätte der junge Mann mehr abbekommen als eine "fette Beule", blaue Flecken und einige Schürfwunden. Die Verletzungen nannte er am Mittwoch. Dieser zweite Prozesstermin war nur wegen ihm nötig geworden: Er war zu ersten Verhandlung nicht aufgetaucht. Da befand er sich noch in einer Drogenklinik, log seinen Betreuern vor, die Sitzung falle aus – wofür ihm die Vorsitzende Richterin, Amtsgerichtsdirektorin Petra Froschauer, 300 Euro Ordnungsgeld aufbrummte.
Geld fanden die drei bei dem 17-Jährigen nicht – wollten stattdessen dessen Handy und Uhr. Ein Fehler: Hätten sie es nur auf das "geliehene" Geld abgesehen gehabt, wären sie vielleicht mit Nötigung davongekommen. So plädierte Staatsanwältin Sabrina Fischer auf versuchten Raub und gefährliche Körperverletzung.
Im Drogensumpf
Die beiden älteren Angeklagten wurden von der Polizei vorgeführt: Der 20-Jährige aus der Jugendhaft, der 24-Jährige aus dem geschlossenen Entzug. Der 17-Jährige steht unter laufender Bewährung. Die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sah bei letzterem auch keine Chance mehr für eine weitere Bewährung. Er sei "erzieherisch entglitten". Wie seine Komplizen steckt er auch im Drogensumpf. Marihuana, Crystal, Ecstasy, und das schon seit jungen Jahren, prägen bei allen sowohl den Lebensweg als auch die mehr oder minder prallen Vorstrafenregister. Der 24-Jährige scheint zumindest auf einem guten Weg, macht in der geschlossenen Therapie einen Schulabschluss nach. "Es tut mir leid. Ich bin seit zwölf Jahren dabei, ich hab's nicht anders gelernt", sagte er und gelobte Besserung. Der 20-Jährige hofft darauf, aus dem Jugendknast in eine Therapie wechseln zu können. Der Jüngste lebt wieder bei der Mutter. Erst vor kurzem wurde er in anderer Sache zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Staatsanwältin Sabrina Fischer hielt den versuchten Raub samt Körperverletzung für nachgewiesen. Dem 17-Jährigen wollte sie noch eine Chance gewährt sehen – und forderte für ihn ein Jahr und drei Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Er solle 100 Stunden unentgeltlich arbeiten, sich Drogentests stellen und die Suchtambulanz aufsuchen. Für den 20-Jähigen hielt Fischer ein Jahr und sechs Monate ohne Bewährung für ausreichend. Beide sollten nach Jugendstrafrecht abgeurteilt werden, deshalb werden vorhergehende Strafen einbezogen. Für den 24-Jährigen forderte die Anklägerin 1 Jahr und 9 Monate Haft. Er solle in der geschlossenen Entziehungsanstalt bleiben.
Die Verteidiger des Trios, Selina Riemer, Mike Thümmler und Andreas Lösche, forderten eine mildere Verurteilung wegen Nötigung und schwerer Körperverletzung. Ein versuchter Raub sei nicht bewiesen, schließlich habe man "nur" geliehenes Geld zurück gefordert - was unter Prügeln natürlich auch verboten ist.
Das Jugendschöffengericht folgte den Anträgen der Anklage. Die Tat sei als versuchter Raub und gefährliche Körperverletzung zu werten - weil die drei neben dem Geldes auch das Handy und die Uhr wollten, "wenn man schon nicht ans Geld kommt", wie Froschauer sagte. "Wir waren uns einig, dass die Frau Staatsanwältin zu allen gleichmäßig gnädig war", sagte Froschauer, "es ist kein besonders harter Antrag gewesen."
Das sahen auch die Angeklagten und ihre Verteidiger so. Sie verzichteten wie die Staatsanwältin noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel. Die Urteile sind damit rechtskräftig.
Schwarzfahrt zum Prozess
"Das habe ich auch noch nicht erlebt", sagte Amtsgerichtsdirektorin Petra Froschauer angesichts der Frage eines 19-Jährigen. Der war am Mittwoch als Zeuge zu einem Prozess wegen versuchten Raubes vor das Schwandorfer Amtsgericht geladen und reiste mit dem Zug an – allerdings mit einem Ticket, das erst auf den nächsten Werktag ausgestellt war. "Können Sie mir das auch ersetzen?", fragte der junge Mann unbedarft. "Für eine Schwarzfahrt kann ich Ihnen nichts geben", sagte die Chefin des Schwandorfer Amtsgerichts – während die im Saal Anwesenden in Gelächter ausbrachen, das auch die Mund-Nase-Masken nur bedingt dämpfen konnten. Nach einer fälligen Lüftungspause wurde der Prozess fortgesetzt.
"Wir waren uns einig, dass die Frau Staatsanwältin zu allen gleichmäßig gnädig war."
















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