Schwandorf
12.04.2022 - 10:37 Uhr

Wollseifer in Schwandorf: Optimismus mitten in der Krise

Corona, Material- und Fachkräftemangel, explodierende Energiepreise: Hans Peter Wollseifer kennt die Probleme seiner Kollegen. Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) verbreitet in Schwandorf trotzdem Optimismus.

"Wir schlittern von einer Krise in die nächste", sagt Hans Peter Wollseifer. Als Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks hat er das Ohr nicht nur bei seinen Kollegen, wie am Montag bei einer Tagung der Kreishandwerkerschaft Schwandorf in Charlottenhof. Sondern er fordert auch die Regierenden in Berlin. Denen macht er klar: "Alles, was ihr euch vorgenommen habt, schafft ihr nur mit Handwerkern."

Ehrenkreishandwerksmeisterin Ria Achhammer hat den Ehrengast nach Schwandorf geholt, auch die ehemalige Ministerin Emilia Müller dazu geladen. Wie Kreishandwerksmeister Ernst Maler und sein Stellvertreter Florian Danzl will Achhammer wissen: Wie ist denn die neue Regierung? Der oberster Vertreter des Handwerks ist Realist. Die Gesprächsatmosphäre mit Wirtschaftsminister Habeck, Finanzminister Lindner und Arbeitsminister Heil? "Man geht ehrlich und offen mit uns um", so Wollseifer. "Die Situation ist aktuell natürlich sehr angespannt," betont er angesichts des Kriegs in der Ukraine. "Die größten Härten werden abgefedert", gibt sich der ZDH-Präsident optimistisch, "aber der Bund hat auch nur endliche Mittel."

"Absurde Situation"

Da geht es der Politik nicht anders als dem Handwerk: Mangel an Material und Fachkräften führe in der Baubranche zu einer "absurden Situation", so der Präsident. Die Auftragsbücher sind voll, die Regierung will 400 000 neue Wohnungen schaffen, die Nachfrage etwa nach Photovoltaik oder Wärmepumpen ist groß. Aber es droht Kurzarbeit. Aufträge werden verschoben, oder sind wegen fehlenden Materials oder Personals nicht zu schaffen. "Wir könnten jeden Tag 2000 Wärmepumpen verbauen, schaffen aber nur 1000, weil uns die Leute fehlen."

Wollseifer macht sich deshalb für in Berlin eine "Fachkräfteinitiative" stark, und fordert auch ein Umdenken in der Bildung. "Ist die Arbeit eines Handwerksmeisters weniger wert als die eines Rechtsanwalts? Für mich nicht", sagt der Präsident, und meint damit vor allem das Ansehen des Handwerks in der Gesellschaft. Es sei doch wenig sinnvoll, Kinder ab der vierten Klasse mit Nachhilfe zu einem mittelmäßigen Abitur zu trimmen, wenn sie vielleicht ein haptisches Talent haben. An den jungen Leuten liege es nicht, "die sind nicht besser oder schlechter, als wir es waren", betont der ZDH-Präsident, der aus Hürth bei Köln stammt und Meister des Maler- und Lackierererhandwerks ist. An die jungen Menschen appelliert er, sich die Handwerksberufe genau anzuschauen: Auch hier habe modernste Technik längst Einzug gehalten. "Nicht nur demonstrieren, sondern installieren", bringt der 66-Jährige auf den Punkt, dass der Kampf gegen den Klimawandel auch auf den Baustellen ausgetragen wird. Dazu kommt für den Präsidenten die soziale Verantwortung, die die Handwerker vor Ort übernehmen. Etwa, wenn es jetzt um die Unterstützung für die Ukraine geht. "Da bin ich richtig stolz", sagt Wollseifer mit Blick auf viele Initiativen, die Handwerker gestartet haben.

Reform des Sozialsystems

Das Handwerk bietet in seinen rund 130 Berufen viele Lehrstellen – aber so mancher Geselle wechselt in die Industrie, der Bezahlung wegen. Der hohe Lohnkostenanteil gerade in den kleinen Dienstleistungsbetrieben macht es aber laut Wollseifer unmöglich, hier zu konkurrieren. Bei BMW liege der Lohnanteil an den Gesamtkosten bei etwa 7 Prozent, bei Handwerkern bei 80. Die Forderung des Präsidenten: Eine Änderung des Sozialsystems, das sich bislang rein durch die Arbeitslöhne finanziert. Das Wort "Roboterabgabe" nimmt Wollseifer zwar nicht in den Mund, aber zwischen den Zeilen ist diese Forderung herauszuhören, auch die Wertschöpfung in der digitalen Welt bringt er ins Spiel.

Wenig virtuell sind dagegen die aktuellen Probleme. Die Visa-Erteilung für Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland müsse besser werden. Vor allem müsse eine Entlastung von den hohen Energiekosten her, die nicht nur die Industrie treffen. "Da gehören auch Friseure dazu, das Lebensmittelhandwerk", nennt er Beispiele für energieintensive Branchen. Dafür trommelt er bei den Regierenden. "Irgendwie kommen wir da durch", ist der Präsident optimistisch. Als Unternehmer, meint Wollseifer, blicken Handwerker positiv in die Zukunft. Er bringt das auf den Punkt, ehe er nach dem Pressegespräch zu seinen Kollegen in die Delegiertenversammlung wechselt: "Wir denken in Generationen, nicht in Quartalsergebnissen".

Info:

Zentralverband des Deutschen Handwerks

  • Mitglieder: Rund 1 Million Handwerksbetriebe in der Bundesrepublik in 53 Handwerkskammern und über 40 Fachverbänden
  • Beschäftigte: Im Deutschen Handwerk rund 5,62 Millionen.
  • Auszubildende: etwa 363 000.
  • Hauptsitz: Berlin, Haus des Deutschen Handwerks.
  • Spitzenämter: Präsident Hans Peter Wollseifer (seit 2014) und Generalsekretär Holger Schwannecke (seit 2010).
 
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