Über 100 Jahre ist es her, dass ein Mann aus Schwarzenfeld mit seinem Kriegs-Tagebuch den Schrecken und die Banalität der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ festgehalten hat, so wie er sie erlebte. Sein Enkel macht den Text nun zugänglich. Dieser Enkel heißt Eckhard Bauer, ist 67 Jahre alt und wohnt in Ortenburg unweit von Passau. Die Hälfte seines Lebens hat Bauer in Schwarzenfeld gelebt und gearbeitet, ist als Sohn vom „Kohlenbauer“ heute noch dort bekannt. Auch sein Großvater Georg Kiener war ein Schwarzenfelder. Verwandtschaftliche Beziehungen gibt es zum früheren Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber.
Georg Kiener, der Tagebuch-Schreiber, geboren in Schwarzenfeld, war Kaufmann Am Hammer. Als man ihn an die Ostfront geschickt hat, war er schon fast 40 Jahre alt. Sein Feldtagebuch hat er 1916 schon in heute üblicher Schrift geschrieben, obwohl zu der Zeit die Sütterlin-Schrift normal war. Das Tagebuch ist rötlich eingebunden und hat Georg Kiener an die Ostfront in Galizien begleitet. Galizien ist eine Landschaft in der Westukraine und in Südpolen und gehörte damals zu Österreich-Ungarn. Das Kaiserreich war im Esten Weltkrieg mit Deutschland verbündet. Hauptgegner an dieser Front, der sogenannten Ostfront, war Russland.
Nachfolgend ein typischer Eintrag Georg Kieners: "Am 2. August 1917 kam, was man zuvor vermutete, aber doch nicht für möglich gehalten hatte. Wir erhielten den Auftrag, den Ort Rudyncze (Anm.: heute in der West-Ukraine) zu stürmen. Die Tornister wurden abgelegt und nun marschierten wir bis zur Höhe 310, von da schwärmten wir aus und gingen in Getreidefeldern vor, wo wir bereits Infanterie-Feuer erhielten. Wir gingen deshalb nur sprungweise vor. Auf einmal legten die Russen ihr Sperrfeuer weiter nach hinten und wir waren dem schweren Artillerie-Feuer ausgesetzt. Dass ich durch das Sperrfeuer heil durchkam, wagte ich kaum zu glauben. Ich bat unseren lieben Herrgott und unsere liebe Gottesmutter um ihren Schutz und nun ging es los durchs Granatenfeuer. Es wurde gelaufen, was heraus ging, nur wenn der Einschlag der Granaten zu befürchten war, warf ich mich zu Boden. Dieselben schlugen rechts und links, hinter und vor mir ein, es flogen mir Stücke auf meinen Stahlhelm und auf den Rücken, aber verwundet wurde ich nicht. Es war grauenhaft, wie die Leute umherlagen, teils tot teils verwundet. Als ich in die Nähe des Dorfes kam, konnte ich nicht mehr laufen und bekam kaum mehr Atem genug, auch die Füße wollten mir den Dienst versagen. Ich ging deshalb nur langsam weiter, auf das Feuer kaum mehr achtend. Als uns die Russen in vielen Wellen anstürmen sahen, zogen sie sich wieder in das Dorf zurück und wir konnten den Dorfrand besetzen. Ich erreichte denselben todmüde und fiel wie tot hin um etwas zu verschnaufen."
Der Offizier und Zugführer Georg Kiener wurde in Weiden rekrutiert und war bei Kriegsbeginn 37 Jahre alt. Er überlebte den Ersten Weltkrieg - und den Zweiten - und starb mit 76 Jahren.
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