Schwarzenfeld
19.04.2020 - 12:50 Uhr

Der Todeszug von Schwarzenfeld

Die Tage vor genau 75 Jahren haben sich auch in Schwarzenfeld ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Es ist eine Zeit voller Schrecken, mit vielen Getöteten und der Angst vor Rache. Ein Mann wird dabei zum Helden der Stunde.

Die Beisetzungsfeierlichkeiten für die 145 Opfer fanden unter Druck der Amerikaner und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Geleitet wurden sie durch den damaligen Pfarrer und Dekan Joseph Spangler. Ganz rechts Pater Viktor Koch, der in seiner in Englisch gehaltenen Ansprache das schuldlose Verhalten der Schwarzenfelder an diesem Massaker hingewiesen hat. Repro: mab
Die Beisetzungsfeierlichkeiten für die 145 Opfer fanden unter Druck der Amerikaner und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Geleitet wurden sie durch den damaligen Pfarrer und Dekan Joseph Spangler. Ganz rechts Pater Viktor Koch, der in seiner in Englisch gehaltenen Ansprache das schuldlose Verhalten der Schwarzenfelder an diesem Massaker hingewiesen hat.
Während Männer und Frauen aus dem Ort gruben, wuschen und 145 Särge zimmerten, hoben andere unweit des Mausoleums im Friedhof ein Massengrab aus und halfen bei der Einsargung. Repro: mab
Während Männer und Frauen aus dem Ort gruben, wuschen und 145 Särge zimmerten, hoben andere unweit des Mausoleums im Friedhof ein Massengrab aus und halfen bei der Einsargung.

Das ersehnte Kriegsende zum Greifen nah, musste die Bevölkerung Schwandorfs am 17. April 1945 durch die Bombardierung der Stadt unsägliches Leid erfahren. Zwei Tage später, am 19. April, es war ein Donnerstag gegen Mittag, waren es zahlreiche amerikanische Jagdbomber, die ihr Ziel im Bahnhof Schwarzenfeld suchten. Genau genommen war es ein dort abgestellter Zug, in dem die Angreifer den Transport deutscher Soldaten vermuteten. Erst später sollte sich dieser Irrtum als verhängnisvoller Fehler herausstellen.

Der Zug war besetzt mit Häftlingen des kurz vorher aufgelösten Konzentrationslagers Flossenbürg, die sich auf dem Weg ins KZ Dachau befanden. Zerstörte Gleisanlagen in Schwandorf und Irrenlohe verhinderten die Weiterfahrt.

Ein unbeschreibliches Blutbad war Folge dieses Angriffs, bei dem etwa 70 geschundene KZ-Häftlinge - die genaue Anzahl ließ sich nicht mehr feststellen - im Todeszug umkamen. Damit nicht genug. Etwa die gleiche Anzahl verwundeter und fliehender Häftlinge wurden durch die begleitenden SS-Wachmannschaften rücksichtslos getötet. Auf Weisung des Nabburger Landrats Richter wurden die etwa 140 Opfer mit einem Kastenwagen zum Areal in der Nähe des heutigen Norma- und Rewemarktes an der Naabstraße gebracht und mit Kalk überstreut, in eilig ausgehobenen Kieslöchern verscharrt.

Die Angst vor Seuche und Krankheit und nicht zuletzt die Furcht vor amerikanischen Truppen, die in Richtung Schwarzenfeld unterwegs waren, führte zu diesem verzweifelten Handeln. Diese Tat sollte zu einer der größten Gefahren werden, denen der Ort jemals ausgesetzt war.

Drei Tage später, am Tag der Erstkommunion am 22. April, die wie üblich in der Miesbergkirche gefeiert wurde, dröhnten amerikanische Panzer durch den Markt. Nahezu alle Häuser waren mit weißen Tüchern beflaggt, die Kriegsgefahr schien gebannt zu sein, wäre da nicht die Information über das Massengrab Nähe der Naab an die Besatzer gelangt. Von den Amerikanern wurde irrtümlich diese Greueltat der Schwarzenfelder Bevölkerung zugeschrieben. Die Zerstörung Schwarzenfelds und Vergeltung an den männlichen Einwohnern war angedroht. Dem damalige Provinzial und späteren Ehrenbürger Pater Viktor Koch vom Miesbergkloster, einem Deutsch-Amerikaner, war es zu verdanken, dass der Irrtum aufgeklärt werden konnte. Der Verhandlungserfolg war jedoch an Forderungen und Bedingungen geknüpft: Die verscharrten Opfer mussten innerhalb 48 Stunden ausgegraben, gewaschen und bei einer würdigen Bestattung in Särgen beigesetzt werden.

Während Männer und Frauen aus dem Ort gruben, wuschen und 145 Särge zimmerten, hoben andere unweit des Mausoleums im Friedhof ein Massengrab aus und halfen bei der Einsargung. Die Beisetzungsfeierlichkeiten fanden am Tag darauf unter großer Anteilnahme der Bevölkerung durch den damaligen Pfarrer und Dekan Joseph Spangler statt. Vor den langen Reihen der Särge betonte Pater Viktor Koch in seiner in Englisch gehaltenen Ansprache das schuldlose Verhalten der Schwarzenfelder an diesem Massaker.

 
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