Wenngleich beim Vortragsabend des Katholischen Frauenbundes so mancher im Publikum zunächst die Miene verzog, so hätte man doch eine Nadel im Pfarrsaal fallen hören können. Denn Heike Roth berichtete in einem kurzweiligen Vortrag über die Anwendungsgebiete und Heilungschancen durch die kleinen medizinischen Helfer. Mitunter gaben persönliche Erfahrungen dem Abend eine besondere Note.
"Je mehr ich mich damit befasst habe, um so mehr haben sie mich fasziniert", berichtete die 47-Jährige. Heute könne sie ihre frühere Scheu gar nicht mehr nachvollziehen. Zwei Schlüsselerlebnisse mit einer Freundin und eigenen Familienangehörigen hätten sie zur Blutegeltherapie gebracht: der Behandlungserfolg bei einem an Arthrose erkranktem Pferd und bei zwei Familienmitgliedern mit Tennisarm und Knieverletzungen. Die Ergebnisse hätten sie so überzeugt, dass sie sich entschlossen habe, nach Berlin ins Immanuel Krankenhaus zu gehen, um dort diese Therapie zu erlernen.
Den Einstieg nahm die Referentin mit einem kurzen Blick in die Geschichte der seit 1500 Jahre vor Christus bekannten Blutegeltherapie. In Ägypten und später in Indien und China gebe es Nachweise für Anwendungen dieser Therapieform. Erst 200 vor Christus habe diese auch in Europa Einzug gehalten. Ab dem 17. Jahrhundert sei es zu einem Boom gekommen. Allerdings sei durch die Entdeckung der Bakterien diese Heilmethode aus der wissenschaftlichen Medizin verdrängt worden. Sie kam nur noch in der Volksmedizin und in der Naturheilkunde zum Einsatz.
Laut Roth erlebt die Blutegeltherapie heute eine Renaissance. Die kleinen Helferlein werden unter anderem in der plastischen Chirurgie und bei vielen Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates eingesetzt. Bekannt sind 600 Blutegelarten, von denen drei zur Therapie herangezogen werden. Die heilende Wirkung kommt durch den Blutenzug und durch die Wirkstoffe im Blutegelspeichel. Zu den heute bekannten Inhaltstoffen zählen Histamin, Serotonin, Destabilase, Hyaluronidase und Hirudin. Sie erweitern die Gefäße und wirken gerinnungs- und entzündungshemmend sowie schmerzlindernd. Keime im Speichel der Blutegel seien bis dato nicht nachgewiesen worden, betonte Roth.
Blutegel stehen unter Naturschutz und dürfen nicht aus der Natur entnommen werden. In Deutschland seien die Anforderungen an ihre Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit sehr hoch, ähnlich wie die eines zulassungspflichtigen Arzneimittels, berichtete die Speichersdorferin. Zu Anwendungsgebieten zählen vor allem Rheuma, Arthrosen, Schleimbeutel- und Sehnenscheidenentzündungen, Kalkschulter, Muskelverspannungen sowie Bandscheibenvorfall. Die Behandlung umfasst von der Beratung über Vorbereitung und Therapie auch die komplette Nach- und Wundversorgung. Patienten sollten vor der Behandlung keine parfümierten Seifen oder Cremes verwenden und auch kurz vor der Behandlung nicht rauchen, da die sensiblen Tiere dann nicht beißen. Auch ist bekannt, dass die Blutegel bei Gewitter, schwüler Luft oder grellem Licht keine Beißvitalität entwickeln.
Eine Therapie selbst dauert zwei Stunden. Nach 60 bis 90 Minuten Saugen falle der Blutegel "einfach müde und satt ab", so Roth. Die Tiere dürften kein zweites Mal angesetzt werden. Die Patienten sollten sich nach der Behandlung etwas schonen. Am Tag darauf werde die kleine Wunde nachversorgt. Ausgeschlossen ist die Behandlung bei Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, an einer Gerinnungsstörung leiden oder an einer ausgeprägten Abwehrschwäche erkrankt sind.
Mögliche Nebenwirkungen seien eher harmloser Natur, meinte Roth. Eventuell komme es zu Rötung und Juckreiz, selten zu einer kleinen Narbenbildung oder einer allergischen Reaktion.




















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