Speichersdorf
28.03.2019 - 12:26 Uhr

Als Interimsseelorger versucht, Übergänge zu gestalten

„Die evangelische Kirchengemeinde war eine Herausforderung“, sagt Micha Boerschmann. Der 47-jährige evangelische Seelsorger verlässt am Sonntag, 31. März, Speichersdorf.

Nach Speichersdorf kommt für Pfarrer Micha Boerschmann die evangelische Kirchengemeinde in Landau. Bild: hai
Nach Speichersdorf kommt für Pfarrer Micha Boerschmann die evangelische Kirchengemeinde in Landau.

18 Monate war Pfarrer Micha Boerschmann gleichsam eine Pfarrer-Übergangslösung, nachdem sein Vorgänger Hans-Joachim Gonser einen anderen Dienstauftrag bekommen hatte. Inzwischen ist Pfarrer Gonser ins Dekanat Augsburg versetzt worden. Mit Schulbeginn 2017 hatte der Geistliche Micha Boerschmann die Pfarramtsführung in Speichersdorf übernommen.

Seit einem halben Jahr hat Boerschmann, der in Regensburg lebt, zusätzlich die Vertretung in Landau an der Isar, vor einigen Tagen bekam er auch vorübergehend die Pfarramtsführung in Ergolding übertragen. Beide Gemeinden liegen in Niederbayern. Am heutigen Freitag wird sich Boerschmann bei einem Dämmerschoppen von den Gläubigen verabschieden. Oberpfalz-Medien-Mitarbeiter Wolfgang Hübner sprach ihm über die Doppelbelastung im seelsorgerlichen Dienst und seine Erfahrungen in Speichersdorf.

ONETZ: Sie gehören zu einem Personalpool des Pilotprojekts der evangelischen Kirche „Theologischer Interimsdienst“. Was muss man sich darunter vorstellen?

Micha Boerschmann: Im Moment sind wir drei Pfarrer in Bayern, die das ausprobieren und vorantreiben. Auf der einen Seite ist es eine Art „mobile Reserve“, mit der die Pfarrer, aber auch die Gemeinden unterstützt werden. So können die Lasten bei Vakanzen und in schwierigen Zeiten abgefedert werden. Ich wurde also nicht der neue Pfarrer der Christusgemeinde, sondern gleichsam ein Übergangspfarrer. Und das ist der andere, und meiner Meinung nach wichtigere Aspekt: Übergänge gestalten! Es geht nicht nur darum, Zwischenzeiten „auszuhalten“. Vakanzen von sechs bis zwölf Monaten sind normal bei einem Stellenwechsel. Die Vertretung wird in diesen Fällen von den Nachbarpfarrern übernommen. Das ist in der Dienstordnung so festgelegt. Wenn ich eingesetzt werde, sind das Situationen, die eine besondere Schwierigkeit mitbringen. Es gibt in der Regel eine Krise.

ONETZ: Wie gelang der berufliche Spagat zwischen Regensburg, Landau und Speichersdorf?

Micha Boerschmann: Die Entfernung Regensburg–Speichersdorf ist ungewöhnlich hoch für eine Springer-Stelle. Mit dem Büro des Regionalbischofs haben wir entschieden, dass der Aufwand in diesem besonderen Fall aber gerechtfertigt ist. Mein erster Plan war, zwei Tage während der Woche, und wenn möglich Samstag und Sonntag vor Ort zu sein. Zu meinem großen Glück ist mir bald ökumenische Gastfreundschaft angeboten worden und ich bekam ein festes Quartier beim katholischen Mesnerpaar. Nun konnte ich spontaner planen und auch zu anderen Zeiten in Speichersdorf sein. Und ich hatte meinen eigenen Rückzugsort. Das kann man gar nicht hoch genug ansetzen.

ONETZ: Was erwartete Sie in Speichersdorf?

Micha Boerschmann: Durch den vorangegangenen Konflikt zwischen Pfarrer und Kirchenvorstand war Vieles an ganz normaler Gemeindearbeit schwierig geworden. Darum hat der Landeskirchenrat meinen Vorgänger zunächst mit Aufgaben außerhalb der Kirchengemeinde betraut. Meine Aufgabe war als Unbeteiligter, diese Gemeindearbeit wieder aufzunehmen: Gottesdienste, Taufen, Verwaltung, Sitzungen und Kontakte. Weil Trauerfälle und Beerdigungen nicht planbar sind, blieben diese in der Verantwortung der Nachbargemeinden.

ONETZ: Was waren die größten Herausforderungen und was konnten Sie umsetzen?

Micha Boerschmann: Im Interimsdienst geht es nicht um Gestaltung von Gemeinde und nicht darum, neue Ideen anzuregen oder umzusetzen. Natürlich gibt es dennoch sichtbare Ergebnisse meiner Tätigkeit: Die Kirchenvorstandswahl wurde durchgeführt. Das Pfarrhaus ist fertig hergerichtet. Die Kirchenrenovierung beginnt. Ein neuer Pfarrer für die Christusgemeinde ist bestimmt. Das Wichtigste an meinem Dienst aber ist unsichtbar: Zeit haben, Gespräche führen und zuhören. Der Redebedarf auf allen Seiten war und ist riesengroß. Es gibt viel zu besprechen und viel von der Seele zu reden. All das fällt mir leicht und ist keine Herausforderung für mich.
Herausfordernd war für mich, Stück für Stück zu erleben, was derzeit in den Strukturen und Rollen in der Kirchengemeinde unsicher und ungeklärt ist. Ich bin mir sicher, dass es hier noch einige Arbeit gibt, um ein unbelastetes Gemeindeleben zu ermöglichen.

ONETZ: Was würden Sie der evangelischen Kirchengemeinde auf ihrem Weg in die Zukunft mit auf den Weg geben?

Micha Boerschmann: Ich wünsche der Kirchengemeinde Speichersdorf das Neue. Sie bekommt im Herbst einen neuen Pfarrer, der mit neuen Ideen und neuen Erfahrungen kommt. Um das Alte hinter sich zu lassen, muss man dieses würdigen und gut zu Ende bringen. Ich wünsche der Gemeinde, dass alle in einer konstruktiven und unbeschwerten Atmosphäre gemeinsam ihre Aufgaben wahrnehmen können.

ONETZ: Wie geht es bei Ihnen weiter?

Micha Boerschmann: Für die nächsten sechs bis zwölf Monate bin ich im Dekanat Landshut und vertrete Landau. Dort sind gerade 1,5 Pfarrstellen vakant. Die Kirchengemeinde hat einen großen Kindergarten, der einen ausgezeichneten Ruf hat. Da braucht es verlässliche Verwaltung, auch in der Vakanz. Außerdem steht eine umfangreiche Pfarrhaussanierung an, die wir bereits auf den Weg gebracht haben. Seit Ende März habe ich auch noch die Vertretung der Pfarrstelle Ergolding. Beide Gemeinden liegen im selben Dekanat. Das macht die Arbeit nicht nur wegen der Entfernungen viel leichter, sondern vor allem, weil es dieselben Strukturen sind. Wie es danach mit mir weiter geht und wann ich vom Interimsdienst auf eine ganz „normale“ Pfarrstelle wechseln werde, das steht noch in den Sternen.

Hintergrund:

Zur Person

"Schon als Kind wollte ich Pfarrer werden", erzählt der 47-jährige Micha Boerschmann, der in Regensburg wohnt. Er ist verheiratet und hat drei eigene Kinder und drei Stiefkinder. Er stammt aus einer Pfarrersfamilie und lernte so den Dienst am Menschen von der Pike auf. "Ich habe an meinem Vater erlebt, dass man als Pfarrer viele Berufe hat und sich entwickeln kann." Als Kind habe ihn fasziniert, dass dieser jede Woche eine halbe Stunde reden durfte, ohne unterbrochen zu werden. Inzwischen habe er gelernt, mit der gleichen Begeisterung zuzuhören und zu verstehen. Sein Blick auf und in die Welt sei immer weiter geworden: Bisherige Stationen als Pfarrer waren Pegnitz in Oberfranken, auf dem Dorf Steinheim bei Memmingen im Allgäu und acht Jahre im Schuldienst in Regensburg. Die vergangenen vier Jahre war er als Springer im Bayerischen Wald, in Bad Kötzting, Viechtach und Roding, Ergolding und zuletzt in Speichersdorf sowie Landau an der Isar eingesetzt.

 
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