Speinshart
08.07.2018 - 10:51 Uhr

Das Salz im Sauerteig Europas

Aussöhnung ist sein Credo. Der Wortführer der Sudetendeutschen ordnet sein Leben einem politischen Ideal unter: der Versöhnung von Völkern. Am Speinsharttag warnt Bernd Posselt dennoch vor einem neuen Nationalismus.

Speinshart soll bei den Ehrengästen in guter Erinnerung bleiben. Georg Girisch übereicht deshalb Bildbände des Klosters an Festredner Bernd Posselt und Regierungspräsident Axel Bartelt. Unser Bild zeigt von links: MdL Tobias Reiß, Georg Girisch, Bernd Posselt, Prior Pater Benedikt Schuster, Bürgermeister Albert Nickl und Regierungspräsident Axel Bartelt. do
Speinshart soll bei den Ehrengästen in guter Erinnerung bleiben. Georg Girisch übereicht deshalb Bildbände des Klosters an Festredner Bernd Posselt und Regierungspräsident Axel Bartelt. Unser Bild zeigt von links: MdL Tobias Reiß, Georg Girisch, Bernd Posselt, Prior Pater Benedikt Schuster, Bürgermeister Albert Nickl und Regierungspräsident Axel Bartelt.

Ja zur Heimat, ja zum Glauben, ja zu Europa, hieß es am Freitag in Speinshart. Böhmische und bayerische Luft vermischten sich beim Speinsharttag zu einem anregenden Sauerstoffgemenge. Das Thema „Ferne-Heimat-Glaube“ richtete den Blick auf Verständigung über Grenzen hinweg und beleuchtete in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Glaube und Identität. Mit dem Sprecher der sudetendeutschen Volksgruppe fand der Förderverein als Veranstalter des 39. Speinsharttages einen begeisterten Europäer, der in freier Rede leidenschaftlich für ein handlungsfähiges, aber nicht zentralistisches Europa eintrat.

Wer am Freitagnachmittag in der Klosterkirche durch Bernd Posselts Augen blickte, kam zur Erkenntnis: Dieses Europa lebt. Von der vermeintlichen Machtlosigkeit der Europäer war keine Rede. Im Gegenteil. In Posselt brennt das unsichtbare Feuer eines Europäers. Es ist die magnetische Kraft einer Idee. Und doch treibt dem Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft die sorgenvolle Frage um: Wie können wir den Nationalismus auf Distanz halten? Diese Frage stand beim Festvortrag in der Klosterkirche Speinshart ebenso im Mittelpunkt wie seine Schlussfolgerung, mit einer Wiedergeburt des oft missbrauchten oder verpönten Begriffs der Heimat im Gleichklang mit einem lebendigen Glauben in christlicher Tradition der Aussöhnung Raum zu geben. „Die Menschen in Europa begegnen sich in dieser Gemengelage von Glaube, Heimat und Identität“, sagte Posselt. Gleichzeitig warnte der langjährige Europaabgeordnete vor einer „Entchristlichungs-Maschinerie“ mit vielen Gruppen und Strömungen. „Dieses Europa könne nur so christlich sein, wie seine Menschen es sind“, bemerkte Posselt.

In einem Spannungsfeld von Zeitgeschichte, Politik, Glaube und Identität formulierte der Handlungsreisende in Sachen Völkerverständigung gemeinsame Wertefundamente mit weit ausgreifenden Grundeinsichten in das Zusammenspiel von Glaube und Heimat. Bernd Posselt legte dabei der Hörerschaft die zentrale Bedeutung des Glaubens im Zusammenhang mit der Wiedergeburt des Heimatgedankens nahe. In der Nachkriegszeit habe der Glaube geholfen, Leid zu ertragen, während er heute den Weg zur Aussöhnung öffne. Eine Requisite der Identität sei Glaube dennoch nicht, weil er nicht in Traditionspflege aufgehe, sondern das Salz im Sauertag Europas sei. So könne etwa das Wort „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“, als nachhaltige Begründung für den Minderheitenschutz gelesen werden.

Einig war sich der Festredner mit dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn, dem Träger des Europäischen Karlspreises: „Glaube schenkt Heimat.“ Dieser Gleichklang sei eine Ermutigung auf dem Weg zu einem föderalen Europa ohne zentralistische Tendenzen. Posselt übersetzte „Heimat“ als familiäre Geborgenheit und lenkte dabei den Blick auf die habsburgische Geschichte des Mehr-Völker-Staates. Im Kaisertum Österreich habe der Begriff „Heimatschein“ oder das eher patriotisch aufgeladene „Vaterland“ familiäre Geborgenheit verbunden mit sozialem Denken ausgestrahlt. Deshalb brauche man erst recht nicht vor einem modernen Europa erschrecken. „Kleinräumigkeit ist im Kommen, weil Großräumigkeit unverzichtbar und unvermeidbar ist“. Weltoffenheit und lokale Verankerung seien im 21. Jahrhundert keine Gegensätze mehr, ganz im Gegenteil, urteilte Posselt.

Optimistisch zeigte sich der Festredner mit Blick auf das Gedeihen der europäischen Einigung im Allgemeinen und auf die Aussöhnung zwischen Völkern im Besonderen. Die Aussöhnungsprozesse seien zwar mühsam. In der zunehmend säkularen Welt spielen dennoch der Glaube und der Schlüsselbegriff der Heimat eine bedeutende Rolle. Diesen Dreiklang von Glaube, Heimat und Identität zu erhalten oder gar in vorher nicht gekannter Harmonie zum Klingen zu bringen, sei eine dankbare Aufgabe und eine gute Grundlage für ein friedliches europäisches Zusammenleben, das Identität bewahre aber den Anderen mit Solidarität helfe.

Zur Eröffnung des Speinsharttages hatte Fördervereins-Vorsitzender Georg Girisch in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste den besonderen Glanz Speinsharts unterstrichen und auf das Thema des Festvortrages hingeführt. „Viele Menschen suchen in dieser Kirche Heimat und Gebete, Stille und Glauben.“ Mit Blick auf den Abschluss der Generalsanierung des Klosters und der Klosterkirche und der Gründung einer Internationalen Begegnungsstätte dankte der langjährige Vorsitzende zahlreichen privaten Unterstützern und den staatlichen und kommunalen Zuschussgebern.

„Ein Herz geht auf, wer Speinshart sieht“, schwärmte Regierungspräsident Axel Bartelt. Der „Regierungschef“ ließ sich von der besonderen Klosteratmosphäre begeistern und sprach von einem Juwel der Oberpfalz im „Dreierpack“ mit den Klöstern in Waldsassen und Plankstetten. Mit der Institution einer Internationalen Begegnungsstätte habe sich Speinshart zu einem anerkannten Ort des Dialogs entwickelt, betonte Bartelt. Sein besonderer Dank galt dem Fördervereinsvorsitzenden Georg Girisch. „Die Strahlkraft der Anlage ist ein Lebenswerk von Georg Girisch.“

Bernd Posselt, Handlungsreisender in Sachen Völkerverständigung: „Der Glaube muss das Salz im Sauerteig Europas bleiben.“ do
Bernd Posselt, Handlungsreisender in Sachen Völkerverständigung: „Der Glaube muss das Salz im Sauerteig Europas bleiben.“
 
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