Speinshart
02.04.2019 - 10:19 Uhr

Eine ungewöhnliche mitteleuropäische Familie

100 Jahre wechselvolle Geschichte Mitteleuropas aufgezeichnet und erzählt als Lebensbild einer deutsch-jüdisch-tschechischen Familie:Eine spannende Familiensaga wird in einer Ausstellung in Speinshart lebendig

Autor Ralf Pasch (rechts) lud die Besucher zur Ausstellungseröffnung zu einer spannenden Reise durch das Leben der Familie Schalek ein. Bild: do
Autor Ralf Pasch (rechts) lud die Besucher zur Ausstellungseröffnung zu einer spannenden Reise durch das Leben der Familie Schalek ein.
Die Ausstellung beleuchtet auch die Rolle der Frauen im Ersten Weltkrieg Bild: do
Die Ausstellung beleuchtet auch die Rolle der Frauen im Ersten Weltkrieg

Wie sich doch Familien-Biografien und Geschichte gegenseitig ergänzen. Alice, Robert, Malva und Fritz Schalek und Lisa Fittko sind Zeugen für rund 100 Jahre mitteleuropäischer Geschichte. Zugleich schrieben sie in bestimmten Lebensabschnitten Geschichte. Einige bewiesen in dunklen Zeiten, dass es möglich ist, trotz aller Risiken Menschlichkeit zu zeigen und Widerstand zu leisten.

März 1938. Es ist kein gewöhnliches Familientreffen, das sich im Haus des Richters Robert Schalek in Litomerice (Leitmeritz) abspielt. Seine Schwester Malva Schalek ist zu Besuch. Sie hat sich als Malerin in Wien einen Namen gemacht. Doch sie ist auch Jüdin. Mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland wird das Leben für sie bedrohlich. Sie findet Zuflucht bei ihrem Bruder. Dessen Haus ist bereits seit fünf Jahren Zufluchtsstätte und Anlaufstelle für die weiteren Familienmitglieder. Doch nach dem Münchner Abkommen war es mit dem Unterschlupf in Litomerice vorbei. Familie Schalek muss nach Prag fliehen. Ein Familienmitglied geht nach Frankreich und wird später für verfolgte Deutsche Fluchthelferin in Richtung Spanien. Fritz Schalek flüchtet nach England wird Angehöriger der britischen Streitkräfte, Robert Schalek kann sich verstecken und Malva Schalek findet im Vernichtungslager Birkenau den Tod. Traurige Berühmtheit wird eine weitere Protagonistin. Alice Schalek berichtet als einzige Kriegsberichterstatterin von den Fronten des Ersten Weltkrieges.

Die Spuren der Schaleks lassen sich in ganz Europa bis nach Übersee verfolgen. Sie sind Zeitzeugen im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie blieben nicht nur Objekte, sondern wurden zu Akteuren der Geschichte. Als freier Mitarbeiter des Collegium Bohemicum in Ústi nad Labern (Tschechien) entdeckte Ralf Pasch in Archiven und Nachlässen das dramatische Geschehen wieder, das den Schaleks zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem Ende des 20. Jahrhunderts widerfuhr. Ralf Pasch forschte sieben Jahre, um das Schicksal jener Familie zu erzählen. Diese Lebenslinien nachzeichnend entstand eine Wander-Ausstellung, die nach ihrer Eröffnung in Ústi (Tschechien) in Dresden zu sehen war und nun in Speinshart Halt machte.

Die Ausstellung hat das Ziel, die deutsch-tschechische-österreichische Geschichte des 20. Jahrhunderts einer breiten Öffentlichkeit grenzübergreifend in den drei Ländern mit Blick auf Einzelschicksale näher zu bringen. Bei der Eröffnung ermuntere Thomas Englberger, Leiter der Internationalen Begegnungsstätte Kloster Speinshart, dazu, über die oftmals komplizierten Verknüpfungen zwischen Geschichte und dramatischer Biografien nachzudenken und auf die eigenen Familienbande zurückzublicken. Als Autor der Ausstellung lud Publizist Ralf Pasch anschließend zu einem ersten Rundgang ein. Die Ausstellung gliedert sich in biografische Banner und Banner mit Überblicksdarstellungen zu den Rahmenbedingungen seiner Zeit. Der Focus richtet sich vor allem auf Beispiele der jüdischen Identität in Prag zur Jahrhundertwende, die Rolle der Frauen im Ersten Weltkrieg, die tschechoslowakische Emigration nach Großbritannien während des Zweiten Weltkrieges und die Situation der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei nach 1945. Ein neunminütiger Dokumentarfilm mit dem Titel „Die Schaleks. Zwischen den Fronten“ ergänzt die Ausstellung.

Öffnungszeiten:

Kooperationspartner der Ausstellung ist das Deutsche Kulturforum östliches Europa, das Collegium Bohemicum in Aussig/Ústi, der Adalbert-Stifter-Verein München und die Euroregion Elbe/Labe. Die Ausstellung kann bei freiem Eintritt an allen Sonn- und Feiertagen zwischen 13.30 und 17 Uhr im Kreuzgang des Klosters Speinshart besichtigt werden. Außerhalb dieser Zeiten ist ein Besuch auf Anfrage (09645/601 93 601) möglich.

 
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