Mit Pipette und Reagenzglas zum Girls' Day im Chemie-Labor der Mülldeponie Steinmühle

Steinmühle bei Mitterteich
02.05.2023 - 09:12 Uhr
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Im Landkreis Tirschenreuth gab es zum Girls' und Boys' Day wieder einige Angebote. Dass naturwissenschaftliche Berufe keine reine Männersache sind, zeigte Martina Lindner zwei Schülerinnen im Labor der Mülldeponie Steinmühle.

Tessa Koch (12) und Veronika Konz (14) tragen weiße Kittel und Labor-Brille. Sie üben den Umgang mit einer Pipette. Konzentriert tunken sie die Plastikspitze in einen Behälter, nehmen die Flüssigkeit auf und tropfen sie in einen Reagenzgefäß. Die beiden Schülerinnen sind nicht im Chemie-Unterricht, sondern dürfen am Girls' Day Laborantin Martina Kunz an der Mülldeponie in Steinmühle über die Schulter schauen.

Der Girls' Day wurde 2001 ins Leben gerufen. Mädchen konnten am Donnerstag auch im Landkreis Tirschenreuth wieder gezielt Berufe kennenlernen, wo der Männeranteil dominiert. Dazu gehören Bereiche wie Naturwissenschaften, IT, Handwerk oder Technik. Im Landkreis gab es laut Zahlen der Agentur für Arbeit 22 Angebote von 13 Unternehmen und Behörden, die 107 Plätze zur Verfügung stellten, davon wurden 77 Plätze besetzt.

Einblicke in Abfallwirtschaft

Umgekehrt hatten Jungen an diesem Tag die Chance, Einblick in Berufe zu erhalten, in denen Männer unterrepräsentiert sind etwa in Bereichen wie Gesundheit, Pflege, Erziehung oder Bildung. Den Aktionstag gibt es seit 2011 und findet gleichzeitig mit dem Girls' Day statt. Im Landkreis Tirschenreuth gab es für Jungen 11 Angebote von 9 Einrichtungen. Von 33 Plätzen wurden 20 besetzt.

Auch das Landratsamt hatte 14 Plätze angeboten, wovon alle belegt waren. Dabei schnupperten 10 Mädchen in männlich dominierte Berufe und vier Jungs in eher weibliche Aufgabenfelder. Beteiligt waren das Hochbau- und Tiefbauamt, die IT-Abteilung der Bereich Naturschutz und Wasserrecht sowie die Tourismus-Abteilung. Schülerinnen und Schüler aus dem Stiftland-Gymnasium, den Realschulen in Waldsassen sowie Neustadt/WN und der Wirtschaftsschule Wunsiedel beteiligten sich am Girls' und Boys' Day.

Tessa Koch aus Waldsassen und Veronika Kunz aus Fuchsmühl nutzen die Gelegenheit, um Einblicke in der Mülldeponie zu bekommen. Für die Schülerinnen der Mädchenrealschule Waldsassen beginnt der Tag morgens um 8 Uhr. Statt in den Unterricht geht es für Tessa und Veronika zu einem Rundgang auf der Deponie. Dort nehmen sie Wasserproben, die dann später im Labor untersucht werden. "Ich finde es spannend, weil man sieht, was hinter der Arbeit steckt", sagt Veronika.

Die Schülerinnen erkennen, dass hier nicht nur Müll abgeladen wird, sondern ein Labor Wasser oder Abfall untersucht, damit keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen. "Ich finde das interessant, weil man hier ohne den Girls' Day sonst gar nicht herkommt", sagt Tessa. Die Mädchen erzählen, dass viele ihrer Mitschülerinnen am Girls' Day teilnehmen, einige aber trotzdem in die Schule gehen. Veronika meint dazu: "Der Tag heute ist eigentlich geschenkt. Ich will keine Däumchen drehen, sondern was tun."

Wenig Ausbildungsplätze

Die beiden Schülerinnen hatten mit Chemie noch keine Berührungspunkte. Im Labor hilft ihnen Martina Lindner. Die Chemie-Laborantin arbeitet seit fünf Jahren in der Deponie. "Im Landkreis gibt es nicht viele Ausbildungsplätze in diesem Bereich", sagt Lindner. Sie ist der Meinung, dass mehr Mädchen den Beruf ausüben würden, wenn es mehr Plätze gäbe. Ein Problem sei auch, dass die nächsten Berufsschulen in Selb oder Regensburg sind. "Das schreckt viele ab, weil ohne die öffentlichen Verkehrsmittel kommt man am Dorf nicht weit", so Lindner.

Sie hat eher selten Besuch von Praktikanten oder Schülern. "Ich finde es gut, junge Leute für diesen Beruf zu begeistern." Auch an der Deponie werden keine Chemie-Laboranten ausgebildet, da die Arbeit hier auf die Analyse von Wasserproben oder Feststoffen ausgelegt ist, was für einen Ausbildungsberuf zu wenig sei. Die Expertin erklärt, was im Labor gemacht wird: "Wir prüfen bei den Wasserproben den Sauerstoffbedarf, den PH-Wert, die Leitfähigkeit und testen auf Ammonium, Nitrat, Nitrit und Phosphat."

Rosa oder gelbe Färbung

Martina Lindner erklärt die Geräte, zeigt, wie die Tests durchgeführt werden. Wasserproben werden zwei- bis dreimal in der Woche an der Deponie genommen. Gemeinsam wird im Labor geprüft, ob Grenzwerte überschritten werden. Die Mädchen tropfen nach Vorgabe Test-Flüssigkeit in die Proben, was das Wasser rosa oder gelb verfärbt. Die Schülerinnen beobachten Temperaturveränderungen. Die Röhrchen in ihren Händen werden kalt oder heiß.

Akribisch achten Veronika und Tessa auf die Anweisungen. Sie dokumentieren die Werte, die alle im grünen Bereich liegen. Lindner erklärt, dass seit sie in der Deponie arbeitet, noch keine Grenzwerte überschritten wurden. Den Schülerinnen macht die Arbeit Spaß. Können sie sich vorstellen, den Beruf mal zu erlernen? Tessa meint: "Ja, schon." Veronika sagt: "Ich finde es spannend, aber ich glaube, dass ich eher in die sprachliche Richtung gehen möchte."

Auch andere Unternehmen im Landkreis öffneten am Girls' Day/Boys' Day ihre Türen. Wie die Agentur für Arbeit berichtet, durften zwei Schüler im Kinderhaus "Unsere Liebe Frau" in Tirschenreuth in den Beruf des Kinderpflegers und Erziehers schnuppern. Bei der IGZ in Falkenberg und Erbendorf waren 14 Mädchen zu Gast, darunter die 13-jährige Luisa Wurm. Sie lernte die Berufe Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung und Elektroniker für Automatisierungstechnik kennen. "Cool fand ich vor allem das Bauen des elektronischen Würfels, weil ich dort basteln und löten konnte", wird die Siebtklässlerin in einer Mitteilung zitiert.

Beim Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz in Tirschenreuth waren 11 Schülerinnen der Mittelschule, Realschule und Gymnasium zwischen 13 und 16 Jahren und konnten die Berufe Technikerin für Ländliche Entwicklung und Vermessungsingenieurin kennenlernen. Auch bei der Firma Hamm in Tirschenreuth waren 11 Teilnehmerinnen aus der Mittelschule, dem Stiftland-Gymnasium, der MRS Waldsassen, der Realschule Neustadt/WN und dem Elly-Heuss-Gymnasium Weiden. In kleinen Gruppen aufgeteilt konnten die Mädchen Erfahrungen zu den Ausbildungsberufen Industriemechaniker, technischer Produktdesigner, Mechatroniker und Fachlagerist sammeln.

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Weiden in der Oberpfalz26.04.2023
Hintergrund:

Top-Ten der unbesetzten Ausbildungsberufe im Landkreis Tirschenreuth

Laut Statistik der Agentur für Arbeit waren Ende April 367 Ausbildungsstellen im Landkreis Tirschenreuth noch unbesetzt. Hier ist die Top-Ten der Berufe nach Branchen:

  • Kaufmann/-frau im Einzelhandel: 22
  • Metzgerei-Fachverkäufer/in: 19
  • Verkäufer/in: 18
  • Bäckerei-Fachverkäuferin: 18
  • Metallbauer/in: 15
  • Zerspannungstechniker/in: 11
  • Fachkraft - Lagerlogistik: 11
  • Werkzeugmechaniker/in: 10
  • Industriemechaniker/in: 10
  • Kfz-Mechatroniker/in: 10
 
 

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