Überhaupt habe der Eschenbacher Raum vor den in jenem Jahr anstehenden Reichstags- und Landtagswahlen erstmals einen „Wahlkampf“ erlebt, erklärte Johann Ott in seinem Dreikönigsvortrag für die Sektion Speinshart des Heimatvereins Eschenbach und den früheren Katholischen Burschenverein des Klosterdorfes.
1894 hatte die drei Jahre zuvor angebahnte Grenzöffnung für ausländische Kornimporte vollends durchgeschlagen: „Die meisten Oberpfälzer Bauern blieben auf ihrem Getreide sitzen“, schilderte der Heimatforscher die Lage. Die Stimmung sei weiter angeheizt worden, als der Staat im selben Jahr den Kampf der Fuchsmühler Bauern um ihre traditionellen Holzschlagrechte im freiherrlichen Wald blutig niedergeschlug. In dem in Wunsiedel tätigen Wirtschaftswissenschaftler, Lehrer und Journalisten Georg Heim fanden die Fuchsmühler beim anschließenden Verfahren vor dem Weidener Landgericht einen Fürsprecher: „Er sammelte 3000 Mark für einen Rechtshilfefonds.“
Als resoluten Sachwalter der Landwirte habe man den 1865 in Aschaffenburg geborenen Heim damals bereits gekannt, wusste Ott: „Schon zuvor war er als Kritiker der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse aufgefallen.“ Ab 1893 habe er die Errichtung von Raiffeisenvereinen und Verkaufsgenossenschaften im Fichtelgebirgsraum vorangetrieben, die der bäuerlichen „Hilfe zur Selbsthilfe“ dienen sollten. Als Gegengewicht zum liberal-antiklerikalen „Bauernbund“ habe Heim 1895 den „Christlichen Bauernverein“ gegründet.
In den folgenden Jahren habe sich die politische Atmosphäre beruhigt, und Heims sozialpolitisches Engagement habe auch die Position der katholisch-konservativen „Zentrumspartei“ von Neuem gefestigt. Als deren Kandidat für nordoberpfälzische Wahlkreise habe der „Bauerndoktor“ 1897 den Sprung in den Reichstag und den Landtag geschafft und sich auch als Abgeordneter erfolgreich für die Landwirte eingesetzt: „Er setzte höhere Einfuhrzölle für Agrarprodukte durch, so dass sich die Preise erholten. Vor allem aber trug er zur Solidarisierung der Bauern bei und verwurzelte das Raiffeisen-Genossenschaftswesen in der Nordoberpfalz und Oberfranken“, bilanzierte Johann Ott.
Gesundheitlich angeschlagen und zermürbt von innerparteilichen Anfeindungen sei Heim 1911/12 aus den Parlamenten ausgeschieden: „Er hatte sich für eine Verbesserung der sozialen Lage von Knechten und Mägden und für das Frauenwahlrecht stark gemacht, weshalb man ihm ‚sozialistische Ideen‘ vorwarf.“ Nach dem Ersten Weltkrieg habe Heim nochmals von 1919 bis 1924, nun für die vom „Zentrum“ abgespaltene „Bayerische Volkspartei“, der Nationalversammlung und dem Reichstag angehört und auch die Weimarer Reichsverfassung mitgestaltet. 1938 sei er gestorben.
Pressather Politik-Protagonisten
Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Georg Heim der profilierteste Vertreter der Nordoberpfalz in Landtag und Reichstag. Jedoch erinnerte Regionalhistoriker Johann Ott in seinem Vortrag auch an zeitgenössische Parlamentarier, deren Wiege im damaligen Bezirksamt Eschenbach stand. So gehörte Georg Bauer, der von 1891 bis 1905 Bürgermeister von Pressath war, von 1893 bis 1907 für die katholische „Zentrumspartei“ dem Landtag an.
Bis in den Reichstag schaffte es von 1912 bis 1918 und von 1924 bis 1933 der Pressather "Zentrumspolitiker" Franz Joseph Pfleger, der von 1945 bis 1948 Oberbürgermeister von Weiden war. Ein Landtagsmandat hatte von 1910 bis 1918 sein Pressather Parteifreund Georg Götz inne. Als parteiloser Bewerber um ein Reichstagsmandat war schließlich 1893 Glashüttenbesitzer und Ökonom Peter Heindl aus Trabitz im Gespräch. Noch vor der Wahl verzichtete er jedoch aus gesundheitlichen Gründen auf eine Kandidatur. (bjp)
Unternehmer gründen Genossenschaftsbank
In der sehr angeregten Diskussion beim Speinsharter Dreikönigstreffen sprachen Referent Johann Ott und seine Zuhörer unter anderem über den besonderen Weg des Genossenschaftswesens im Eschenbacher Raum. In einigen Landgemeinden, so auch in Tremmersdorf, hätten sich frühzeitig landwirtschaftliche Genossenschaften gegründet, in der Stadt Eschenbach seien allerdings erst 1923 eine Genossenschaftsbank und 1932 eine Baywa-Niederlassung entstanden.
Hermann Ott, früheres Vorstandsmitglied der Raiffeisenbank Weiden, führte dies darauf zurück, dass zuvor ein katholischer landwirtschaftlicher Verein wesentliche Aufgaben der Genossenschaften wahrgenommen habe. Die Gründung der Bank sei auch nicht von den Bauern ausgegangen, sondern von Handwerkern und Gewerbetreibenden unter Federführung des Bauunternehmers Hans Prösl, um Geldmittel für Investitionen aufzutreiben. Johann Ott ergänzte, dass die Eschenbacher Baywa ähnliche Wurzeln gehabt habe und keine primär bäuerliche Gründung gewesen sei.













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