Sulzbach-Rosenberg
30.10.2023 - 08:43 Uhr

Aktionswochen gegen Antisemitismus: Christliche Kirchen mit langer Tradition des Judenhasses

Antisemitismus hat viele christliche Wurzeln. Der Berliner Autor Tilman Tarach rückte in Sulzbach-Rosenberg folgenschwere Anschuldigungen und Verdächtigungen gegenüber Juden in den Fokus.

Mit viel Vorschusslorbeeren startete die Buchvorstellung mit Tilman Tarach, die laut Pressemitteilung der Veranstalter im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus stattfand. „Man kann Tilman Tarach nicht hoch genug anrechnen, dass er die oftmals verdrängten Wurzeln des modernen Antisemitismus innerhalb der christlichen Zivilisation mit seinem kompakten und gut lesbaren Buch wieder in den Blickpunkt rückt – und damit auch das Fortwirken des christlichen Antisemitismus bis heute“, so der Sulzbach-Rosenberger Verdi-Vorsitzende Stefan Dietl, der die Besucher im Namen des Bündnisses gegen Antisemitismus in der Sulzbach-Rosenberger Buchhandlung Volkert begrüßte.

Anlässlich der bundesweiten Aktionswochen sei es gelungen, ein breites Bündnis bestehend aus Gewerkschaften, der Jüdischen Gemeinde Amberg, dem Verein für Politik und Kunst, dem Jugendclub Bureau, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und des Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte zu schmieden, freute sich Dietl.

Gottesmord als Vorwurf

Die Besucher in der voll besetzten Buchhandlung Volkert nahm Tilman Tarach anschließend mit auf einen spannenden Streifzug durch die Geschichte des Christentums und des damit untrennbar verbundenen Antisemitismus von der Entstehung der christlichen Glaubenslehre, mit seinem Vorwurf des Gottesmordes, bis zum heutigen Judenhass in der arabischen Welt. Anhand von antijüdischen Pogromen, den spanischen Reinheitsgesetzen, dem Brauch der „Judasfeuer“ oder der christlichen Tradition des gelben Flecks, beschreibt er die Kontinuitäten des christlichen Antisemitismus über die Jahrhunderte. Wie es in der Mitteilung an die Presse weiter heißt, konnte laut Tarach auch die Propaganda der Nazis vor allem auf Basis dieses christlichen Antisemitismus seine Wirkung entfalten.

Es waren christliche Motive wie die des Gottesmordes oder der Juden als Kinder des Teufels, auf die der „Stürmer“ oder der „Völkische Beobachter” immer wieder zurückgriffen und damit an tief in der Bevölkerung verankerte Bilder anknüpften. Anhand zahlreicher Zitate erläuterte Tarach, dass sich nicht nur fast die gesamte Führungsriege des NS-Staats mit dem Christentum identifizierte, sondern sich auch als Verteidiger des christlichen Glaubens gegen die vermeintliche „Gottlosigkeit“ der Juden sah. „Insbesondere ihre oftmals dem Christentum entlehnte antijüdische Gesetzgebung begriffen sie als Fortsetzung einer langen christlichen Traditionslinie“, berichtet der Autor.

Hitler als frommer Mensch

Wie das Bündnis gegen Antisemitismus weiter schreibt, legte Hitler laut Tarach selbst Wert darauf festzustellen, sein Leben lang ein „frommer Mensch” zu sein. In seinen Reden und Veröffentlichungen, aber auch in internen Dokumenten und Briefen nahm er immer wieder Bezug auf „unseren ewigen Herrgott”, den „Allmächtigen”, „den Schöpfer” und „ewigen Richter” und sah sich als Vollstrecker von „Gottes Werk” und des „Willen Gottes”. Der berüchtigte „Frankenführer“ und Stürmer-Herausgeber Julius Streicher erklärte auf dem Weg zu seiner Hinrichtung: „Jetzt geht es zu Gott!” und sah in den Kriegsverbrecherprozessen ein zweites Golgotha. „Jetzt kreuzigen sie mich”, schreibt Streicher in sein Tagebuch.

Nicht nur der Nationalsozialismus bediente sich laut dem Autor bei der Lesung in der Buchhandlung Volkert aus der Vorratskammer des christlichen Antisemitismus, sondern auch die palästinensische „Befreiungsbewegung” greife immer wieder auf die christlichen Erzählungen vom Kindermord, der Kreuzigung Jesu oder auf Motive wie das der Brunnenvergiftung zurück. In der palästinensischen Propaganda werde Israel zum „endlosen Golgotha” für Palästina und Jesus Christus zum ersten palästinensischen Märtyrer, zum Opfer im Kampf für die palästinensische Sache und zum Vorbild für Selbstmordattentäter.

Kein Ende in Sicht

„Die Vorstellung, der Staat Israel oder seine Armee würden die Kreuzigung Jesu heute an den Palästinensern wiederholen, gehört vor allem im arabischen Raum zum Standardrepertoire der antizionistischen Hetze”, beschreibt Tarach die unheilvolle Allianz als „Bündnis zwischen Kreuz und Halbmond“.

Wie die Presseinformation weiter ausführt, konnte der Berliner Gast zum Abschluss bei allen Kontinuitäten auch auf Veränderungen verweisen „Es ist wohl unbestritten das Deutschland heute weniger antisemitisch ist als vor acht Jahrzehnten“ stellt der Autor fest und auch in den christlichen Kirchen werde sich mit der eigenen Tradition des Judenhasses teils kritischer auseinandergesetzt. Ein Ende der christlichen Wurzeln des Antisemitismus sieht er darin jedoch noch lange nicht.

„Selbst in einer scheinbar säkularisierten Gesellschaft wirken jahrhundertelange Stereotype fort. Auch unabhängig vom eigenen Glauben prägen die in der europäischen Zivilisation tief verankerten christlichen Glaubengrundsätze und -regeln unmerklich unser Denken und unsere Vorstellungen – im Positiven, wie auch im Negativen“, konstatiert Tilman Tarach.

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Sulzbach-Rosenberg18.10.2023
 
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