Sulzbach-Rosenberg
25.10.2024 - 16:15 Uhr

Aktionswochen gegen Antisemitismus: Wo die Wurzeln des Hasses liegen

Um den Konflikt zwischen Arabern und Juden und die komplexe Situation in Nahost genau zu beleuchten, stand bei den Aktionswochen gegen Antisemitismus Experte Stephan Grigat Rede und Antwort.

Weil das Thema „Antisemitismus“ aktuell ist und die Menschen bewegt, kam das Publikum mit einer großen Erwartungshaltung zum Vortrag von Stephan Grigat in die Synagoge. Dort sprach der an der Katholischen Hochschule NRW lehrende Professor und Leiter des Centrums für Antisemitismus- und Rassismusstudien in Aachen über „Arabisch-israelische Beziehungen seit 1948“. Laut einer Pressemitteilung der Veranstalter hofften die zahlreichen Gäste von einem der renommiertesten Antisemitismusexperten mehr Hintergründe über diesen leidvollen und seit Jahrzehnten andauernden Konflikt zu erfahren, der letztlich auch den Zündfunken zu dem Massaker der Hamas an den Israelis im Oktober 2023 bot.

„Der große Zuspruch zeigt wie sehr das Thema die Menschen bewegt. Will man die aktuelle Situation in der Region verstehen kommt man nicht umhin, sich mit der Geschichte des Konflikts und mit der langen Historie des Antisemitismus in der arabischen Welt zu beschäftigen“, so Mitorganisator Stefan Dietl als Vorsitzender des Verdi-Ortsvereins Sulzbach-Rosenberg.

Amin a-Husseini und Hitler

Anlässlich der bundesweiten Aktionswochen sei es erneut gelungen, ein breites Bündnis bestehend aus Gewerkschaften, der Jüdischen Gemeinde Amberg, dem Verein für Politik und Kunst, dem Jugendclub Bureau, der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, dem Konzertkollektiv Flusensieb und dem Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte zu schmieden, freute sich Dietl. Einen Vortrag über die „Geschichte der arabisch-israelischen Beziehungen seit 1948 und die aktuelle Situation im Nahen Osten“ mit Bildern zu untermalen, sei in einer ehemaligen Synagoge unpassend, merkt Stephan Grigat, zu Beginn seiner Ausführungen an.

Denn die Wurzeln des Nahostkonflikts reichen weit vor die Staatsgründung Israels im Jahr 1948 zurück. Schnell lande man dann bei einem Foto von 1941, das den Anführer der palästinensischen Nationalbewegung Mohammed Amin al-Husseini, der sich bereits in den 1920er Jahren als „Mufti von Jerusalem“ einen Namen machte, gemeinsam mit niemand geringerem als Adolf Hitler zeige.

Unheilige Allianz

Wie kam es zu dieser unheiligen Allianz eines islamischen Rechtsgelehrten mit dem nationalsozialistischen Führer? „Der Hass auf Juden führte beide zusammen“, wird Stephan Grigat im Schreiben der Veranstalter an die Presse zitiert. Al-Husseini, von Beginn an ein großer Bewunderer Adolf Hitlers, suchte schon in den 1930er Jahren Kontakt zur NS-Politik und führte von 1936 bis 1939 nicht nur den arabischen Aufstand im britischen Mandatsgebiet Palästina an, sondern sorgte auch dafür, dass dieser Aufstand gegen die jüdische Bevölkerung mit Geldern aus Deutschland unterstützt wurde. Nach dem Scheitern des Aufstandes ließ er sich bis 1945 in Deutschland nieder, um die Nazis bei ihrer Propaganda zu unterstützen. So stellte er muslimische SS-Einheiten und verbreitete in arabischer Sprache antisemitische Propaganda. „Ein Kapitel deutsch-arabischer Beziehungen, das nur selten thematisiert wird“, klärte der Referent in der ehemaligen Synagoge auf.

Wie der Lehrstuhlinhaber für „Theorien und Kritik des Antisemitismus“ beim Vortrag weiter ausführte, dürfte beim Publikum noch weniger bekannt sein, dass unter den Opfern des arabischen Aufstands auch viele Araber waren, die für eine friedliche Koexistenz zwischen Juden und Arabern eintraten. Al-Husseini war hingegen kompromisslos. „Ein jüdischer Staat kam für ihn nicht infrage sondern er verfolgte das Ziel einer vollständigen Vertreibung aller Juden“, erläutert Grigat. Letztlich setzten sich al-Husseini und seine Anhänger gegen die moderaten Kräfte durch und der vom ihm vertretene Antisemitismus bestimmt bis heute das Denken der palästinensischen Nationalbewegung.

Warnung vor Populismus

„Es geht um mehr als einen territorialen Konflikt. Ohne eine Auseinandersetzung mit der Entstehung des modernen Antisemitismus, seiner Funktionsweise und den mit ihm verbundenen Verschwörungsideologien ist die Gemengelage im Nahen Osten nicht zu begreifen“, so Grigat. Dies verdeutlichte er mit einer Reihe an Schlaglichtern auf den arabisch-israelischen Krieg 1948, den Sechstagekrieg 1967, den Jom-Kippur-Krieg 1973, die Intifada der 1980er Jahre und auf die aktuelle Situation nach dem 7. Oktober 2023.

Wie die Presseinformation weiter ausführt, warnte der Autor zahlreicher Publikationen zum Nahostkonflikt in der anschließenden Diskussion vehement vor populistischen Lösungsvorschlägen, die zwar gut klängen, aber an der Realität vorbeigingen. „Einfache Lösungen werden den komplexen Verhältnissen im Nahen Osten nicht gerecht“, warnte Stephan Grigat abschließend und freute sich laut Bündnis, dass er mit seinen Ausführungen zum besseren Verständnis dieser komplexen Realität einen Teil beitragen konnte..

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Sulzbach-Rosenberg10.10.2024
Hintergrund:

Aktionswochen gegen Antisemitismus

  • 27. Oktober: Führung über den jüdischen Friedhof Sulzbach um 15 Uhr
  • 5. November:Vortrag „Antisemitische Morde in der Nachkriegszeit in Regensburg?“ um 19 Uhr, Buchhandlung Volkert
  • 9. November: Gedenkfeier der Stadt zum Jahrestag der Novemberpogrome um 18 Uhr in der Synagoge
 
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