Sulzbach-Rosenberg
28.08.2022 - 16:17 Uhr

Andrea Sawatzki löst im Capitol tiefe emotionale Bewegung aus

War es die Autorin oder die Schauspielerin? Der Name Andrea Sawatzki bescherte jedenfalls dem Capitol ein volles Haus. Und Veranstalter Ralf Volkert ein gutes Geschäft mit der „Brunnenstraße“.

Der Abend begann ein wenig holprig mit dem wetterbedingten Wechsel vom Schlosshof ins Capitol und der Zugverspätung, die den prominenten Gast sichtlich gestresst ankommen ließ. Dann jedoch wurde Andrea Sawatzki mit großem Applaus begrüßt und von Buchhändler Ralf Volkert im lockeren Gespräch vorgestellt. Der Roman „Die Brunnenstraße“ ist nicht Sawatzkis erstes Buch. „Schon durch die Schauspielschule war ich mit Literatur verbunden“, sagt die heute fast 60-Jährige. Auslöser für ihre Bücher um die Familie Bundschuh sei eine „persönliche Kränkung“ gewesen, die sie empfand, als man ihr schon vor zehn Jahren keine neuen Projekte mehr zutraute. „Da habe ich die Gundula Bundschuh erfunden, eine Frau, die auch Probleme in der Mitte des Lebens hat“. Fünf Bundschuh-Bände wurden mit ihr, Axel Milberg und anderen für das ZDF verfilmt.

Und nun also „Brunnenstraße“, ein autobiographischer Roman, in dem Sawatzki die Wechselbäder der Gefühle in einer ungewöhnlichen Vater-Tochter-Beziehung beschreibt. Sie erzählt aus heutiger Sicht der Erwachsenen über ihre eigene Kindheit, die zum Teil sehr hart war. Zwei Gründe nennt sie für die Entstehung dieses Buches: Ihren Entschluss, „mit Mut an die dunklen Flecken des Lebens heranzugehen“, und über die Krankheit Alzheimer mehr und offen zu reden.

Kranker Vater

Es ist ein eindringlicher und sehr persönlicher Roman, aus dem Andrea Sawatzki einige Kapitel vorliest. Sie wird unehelich geboren, erst nach dem Tod seiner Frau nimmt ihr Vater sie und ihre Mutter zu sich. Doch bald stellt sich heraus, dass dieser weltläufige und gebildete Mann schwer krank ist. Das Geld wird knapp, die Mutter muss wieder als Nachtschwester arbeiten, und die zehnjährige Andrea kümmert sich um den dementen Vater, der launisch, ungeduldig und jähzornig ist. Es entspinnt sich ein eigenartiges Leben zwischen den beiden von Nähe und Entfremdung, Liebe und Überforderung.

Doch auch glückliche Zeiten gab es im Leben der Autorin. „Bis zum achten Lebensjahr war ich in Vaihingen frei und glücklich, fühlte mich geborgen und geschützt“, schreibt sie in ihrem Buch. Immer wieder spricht sie von der tiefen Verbundenheit mit ihrer Mutter. Sie freut sich auf ein „normales“ Familienleben“ nach der Hochzeit ihrer Eltern, kann aber für ihren Vater keine Gefühle aufbringen. “Unsicherheit, Widerwillen und schließlich Abneigung“ erzeugt er in ihr, als seine Krankheit schlimmer wird. Geldmangel kommt dazu und der Argwohn des Vaters, der ihr das Leben schwer macht. „Dabei habe ich mir nur gewünscht, dass er mich liebhaben würde“, beschreibt sie diese Zeit, in der sie als 13-Jährige die komplette Betreuung einschließlich der Körperpflege für ihren Vater zu übernehmen hatte. Sie sei dabei an eine Grenze gekommen, „wo man nicht mehr kann“ Der Plan, ihn mit all seinen Tabletten zu vergiften, die Sehnsucht nach seinem Tod und das damit verbundene Schuldgefühl belasteten sie. Andrea Sawatzki pflegt ihren Vater, bis sie 15 Jahre alt ist, dann stirbt er.

Unsentimentale Sprache

Es ist still im Capitol, die Passagen aus Andrea Sawatzkis Buch sind keine einfache Kost. Ihre prägnante, schnörkellose und unsentimentale Sprache verzichtet auf Selbstmitleid, hat eine emotional tief bewegende Wirkung. Die von der Autorin dann wieder gemildert wird. „Vielleicht habe ich zumindest die Schauspielerei meinem Vater zu verdanken“, gibt sie zu bedenken, denn als seine Krankenschwester habe sie bereits ihre erste Rolle gespielt.

Hintergrund:

Andrea Sawatzki

  • Geboren: 1963
  • Beruf: Schauspielerin, Hörbuchsprecherin und Autorin
  • Verheiratet mit Schauspieler Christian Berkel
  • Söhne Moritz und Bruno
 
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