Knapp 40 Prozent aller Unfälle im Dienstbereich der Polizeiinspektion Sulzbach-Rosenberg sind Wildunfälle. Anlass genug für den Inspektionsleiter, Ersten Hauptkommissar Michael Kernebeck, und seinen Mitarbeiter für Verkehrsaufgaben, Polizeiobermeister Philipp Böhme, gemeinsam mit dem Kreisvorsitzenden des Landesjagdverbandes, Stefan Frank, die Problematik für Oberpfalz-Medien zu erläutern. Der Jäger-Chef betonte, dass bei einem Unfall mit Wildtieren in aller Regel die Polizei den zuständigen Jagdpächter unmittelbar informiere, damit dieser Ausrücken und sich um das tote oder auch noch lebende Wild kümmern könne. Wichtig sei vor allem, den Unfallort genau zu markieren, damit er auch gefunden werde, gibt Frank den ersten Tipp für betroffene Autofahrer.
Philipp Böhme informierte dazu, dass im vergangenen Jahr 400 Wildunfälle (davon zwei mit Personenschaden) passiert seien. Mehrheitlich handelte es sich um Reh- oder Rotwild, aber auch 20 Füchse, 7 Wildschweine, 12 Dachse, 17 Hasen und 3 Greifvögel mussten daran glauben. „Bis Juli 2022 sind schon 215 Wildunfälle passiert. Wir erwarten, dass die Gesamtzahl von Jahr zu Jahr weiter ansteigt. Das viele Tierleid und die materiellen Schäden von mehreren tausend Euro an den Fahrzeugen sind keine Kleinigkeit.“
Besondere Risiko-Gebiete
Besonders im Herbst, der dunklen Jahreszeit, sorgen Nebel, Regen, Dämmerung und generell schlechte Sicht für Gefahr, die Unfallzahlen steigen dann insbesondere auf ländlichen Strecken fast zwangsweise an: Es gebe mehr Wildwechsel, und das nicht nur in Waldgebieten. Da die Felder abgeerntet sind, müssen die Tiere weitere Strecken zur Nahrungssuche zurücklegen. Der polizeiliche Rat von Michael Kernebeck: „Fahren Sie, insbesondere bei schlechten Sichtverhältnissen, im ländlichen Bereich durch Waldstücke, entlang von Hecken und Maisfeldern besonders vorsichtig. Es kann unvermittelt Wild auf der Straße auftauchen.“
Auf die Schilder allein, die mit dem markanten roten Dreieck-Rand vor Wildwechsel warnen, könne man sich nicht verlassen. Die Warnhinweise würden nämlich nur an echten Brennpunkten aufgestellt. Auch sollte der Autofahrer daran denken, dass Wild selten alleine unterwegs ist, sondern oftmals mehrere Tiere wie etwa eine ganze Schwarzwildrotte die Fahrbahn querten. „Behalten Sie immer den Fahrbahnrand im Auge und seien Sie stets bremsbereit“, rät der Inspektionschef.
Lenkrad gerade halten
Tauche auf der Fahrbahn ein Stück Wild auf, sollte sofort abgeblendet und kontrolliert gebremst werden. Sei ein Zusammenstoß nicht mehr zu verhindern, solle man das Lenkrad unbedingt gerade halten und keinesfalls unkontrollierte Ausweichmanöver versuchen. Die Kollision mit dem Tier sei dann das kleinere Übel im Vergleich zu einem Überschlag im Graben oder einem Frontalzusammenstoß mit Bäumen am Straßenrand.
Wenn es dann doch zu einem Unfall gekommen ist, gelte es, wichtige Punkte zu beachten, zählte Experte Philipp Böhme auf. Die goldene Regel zum korrekten Verhalten laute: Ruhe bewahren. „Schalten Sie Ihre Warnblinkanlage ein, ziehen Sie die Warnweste an, sichern Sie die Unfallstelle mit einem Warndreieck ab.“ Auch Jäger-Vorsitzender Stefan Frank appelliert: „Verletzte Tiere nicht anfassen!“ Getötetes Wild solle man, sofern gefahrlos möglich, mit Schutzhandschuhen von der Fahrbahn an den Rand ziehen, um Folgeunfälle zu vermeiden. Selbst wenn es bereits tot sei – das Wild dürfe keinesfalls mitgenommen werden, da es sich dabei um den Tatbestand der Wilderei handeln würde, ergänzt Michael Kernebeck.
Wilderei oder Ordnungswidrigkeit
Nicht jeder Wildunfall geht für die Tiere tödlich aus. Aber auch, wenn Wild nach der Kollision weiterlaufe oder kein Schaden am eigenen Fahrzeug entstanden sei – der Vorfall müsse in jedem Fall der Polizei oder dem Jagdpächter unverzüglich gemeldet werden. Die Polizei informiert dann den zuständigen Jäger, der sich auf die Suche nach dem verletzten Wild macht. Nur so erspare man dem Tier die unnötige Qual, so lange herumzulaufen, bis es durch Blutverlust oder sonstige Verletzungen verende, erläutert Philipp Böhme. Die Dienststelle verfüge über eine Karte mit allen Jagdrevieren sowie deren Telefonnummern der Pächter oder „Mitgeher“. Diese Liste müsse aber von den Revierverantwortlichen immer auf dem aktuellsten Stand gehalten werden, mahnte Stefan Frank die Aufgabe der Jäger an.
Der Verkehrssachbearbeiter Böhme wies zudem darauf hin, dass der Autofahrer, der schweigt oder sich verspätet meldet, eine Ordnungswidrigkeit begeht. Die für die Versicherung erforderliche Wildunfallbescheinigung wird ebenfalls von der Polizei ausgestellt. Fazit der drei Unfall-Experten ist ein gemeinschaftlicher Appell: Jeder Einzelne – Jäger, Autofahrer, Grund- oder Waldbesitzer, Straßenbaulastträger und Polizei – sollte seinen Teil dazu beitragen, die hohe Anzahl der Wildunfälle zu reduzieren.
Hetzende Hunde reißen Rehe
Darüber hinaus erging von Polizei und Jagdverband bei dem Gespräch ein Appell an die Hundebesitzer. "Sie tragen Verantwortung für das eigene Tier, nicht nur bei Spaziergängen in der Stadt, sondern auch in der Natur." So schön der gemeinsame Spaziergang mit dem nicht angeleinten Vierbeiner sei: Es gebe deutlich mehr Hundebesitzer seit der Coronapandemie und auch immer mehr Mitteilungen und tatsächlich Fälle, bei denen insbesondere unangeleinte Hunde Wild hetzten oder wilderten.
Auch in Sulzbach-Rosenberg und Umgebung komme es vor, dass bei solchen Vorfällen Wildtiere verletzt oder gerissen würden. Dieses Tierleid sei genauso vermeidbar wie viele Fälle von Qualen, die infolge unsachgemäßen Handelns nach Kollisionen mit Autos entstünden. Der Hund müsse abrufbar sein oder an der Leine geführt werden. Sofern doch etwas passiere, müsse der Jagdpächter oder die Polizei verständigt werden, die dann das Tier erlösen könnten.
Wildunfall – Das ist zu tun
- Vor dem Unfall: Ist ein Zusammenstoß unausweichlich, nicht hektisch ausweichen, sondern Lenkrad gerade halten und auf das Tier zufahren
- Nach dem Unfall: Ruhe bewahren
- Warnblinker einschalten, Warnweste anziehen, Unfallstelle mit Warndreieck absichern
- Polizei oder Jagdpächter informieren
- Tote Tiere nicht oder nur mit Handschuhen anfassen, bei Bedarf von der Straße ziehen, um Folgeunfälle zu vermeiden
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