Während das Ceauşescu-Regime in den letzten Zügen liegt, steht Anna an der Gabelung ihres Lebensweges: Die Familie zurücklassen oder ausharren, beim Geliebten Hans bleiben oder doch mit dem gemeinsamen Freund Misch gehen? Am Donnerstag, 8. Oktober, um 19.30 Uhr stellt Nadine Schneider die Geschichte „Drei Kilometer“ im Capitol vor und spricht mit Schriftsteller-Kollegin Katerina Poladjan und Moderatorin Christine Hamel über „Herkunft“. Wie viel Rumänien sie selbst in sich trägt, was sie über den Begriff „Heimat“ denkt und was ihr die zahlreichen Auszeichnungen bedeuten, erzählt sie schon jetzt im Interview:
ONETZ: Frau Schneider, Sie sind in Nürnberg geboren und leben in Berlin. Wie viel und was für ein Rumänien tragen Sie noch im Herzen?
Nadine Schneider: Mein Bild von Rumänien setzt sich zusammen aus Erzählungen meiner aus dem Banat stammenden Familie, aus Reiseerlebnissen und aus der Recherche zu „Drei Kilometer“. Rumänien war und ist für mich vor allem ein Teil meiner Familienbiografie und die wiederum ist mir mal näher, mal weniger nah, oder kommt mir manchmal sogar relativ fremd vor – je nachdem, wie ausführlich ich mich gerade damit befasse.
ONETZ: Wie stehen Sie dem aktuell ja wieder erstarkenden Begriff „Heimat“ gegenüber?
Nadine Schneider: Ich konnte mit dem Begriff noch nie besonders viel anfangen, spätestens dann, wenn in seiner Verwendung irgendwelche territorialen oder gesellschaftlichen Grenzen und damit Ausgrenzungen mitgedacht werden. Heimat sollte doch bedeuten, dass jede*r ein Leben in Sicherheit führen kann und dabei die Möglichkeit hat, über die eigene Lebensgestaltung zu bestimmen. Einen Heimatbegriff, der solche Grundbedürfnisse nicht umfassend anerkennt, braucht kein Mensch.
ONETZ: Sie haben Germanistik, aber auch Musikwissenschaften studiert. Was hat den Ausschlag gegeben, dass Sie Ihre Ausdrucksmöglichkeiten jetzt in Sprache und Literatur suchen und nicht in der Musik?
Nadine Schneider: Germanistik war nur mein Nebenfach, ich bin in erster Linie Musikwissenschaftlerin. Und komponieren würde ich schon mal gerne – ich kann es bloß nicht. Allerdings hat literarisches Schreiben für mich auch eine musikalische Seite, denn natürlich hat auch ein Text einen Rhythmus und unverwechselbaren Ton, arbeitet mit wiederkehrenden Motiven usw.
ONETZ: Sind die zahlreichen Preise, die Ihr Debütroman eingestrichen hat, Bestätigung und Ansporn zugleich?
Nadine Schneider: Preise sind vieles: Wichtig für die Wahrnehmung, gut für den Geldbeutel und – bei der Masse an preiswürdigen Büchern, die jedes Jahr veröffentlicht wird – ein absoluter Glücksfall, wenn man sie bekommt. Also bin ich vor allem glücklich über die Preise.
ONETZ: Sie waren mehrfach Stipendiatin der Bayerischen Akademie des Schreibens, die ja auch immer wieder im Literaturhaus Oberpfalz zu Gast ist. Haben also Teile des Romans bereits Sulzbach-Rosenberger Luft geschnuppert?
Nadine Schneider: Ja! Vor drei Jahren war ich mit der Akademie in Sulzbach-Rosenberg zu Gast und habe sehr schöne Erinnerungen an diese Seminarwoche im Literaturhaus: Ich hatte ca. ein Drittel des Romans im Gepäck, meine Seminarkolleg*innen waren toll, es gab jeden Abend gutes Bier und am letzten Tag hat es sogar ein bisschen geschneit. Perfekt.
Lesung und Buch
Die Gesprächslesung mit Nadine Schneider und Schriftsteller-Kollegin Katerina Poladjan findet am Donnerstag, 8. Oktober um 19.30 Uhr im Capitol statt. Der vom Literaturhaus Oberpfalz veranstaltete Abend steht unter dem Titel "Weggehen und Ankommen", es moderiert Christine Hamel (Bayerischer Rundfunk). Eintritt 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. Eine Anmeldung mit Angabe von Kontaktdaten unter Tel. 09661/8159590 oder per E-Mail unter info@literaturarchiv ist zwingend erforderlich. Es gelten die üblichen Corona-Regelungen.
Der Roman "Drei Kilometer", 160 Seiten, gebunden, ist im Verlag Jung und Jung erschienen und kostet 20 Euro.
Zur Person
Nadine Schneider wurde in Nürnberg geboren und hat Musikwissenschaft und Germanistik in Regensburg, Cremona und Berlin studiert. Sie veröffentlichte Kurzgeschichten, war mehrfach Stipendiatin der Bayerischen Akademie des Schreibens, Finalistin beim 22. Irseer Pegasus und erhielt den Literaturpreis Prenzlauer Berg. Ihr 2019 erschienener Debütroman "Drei Kilometer" wurde mit dem Literaturpreis der Stadt Fulda 2020, dem Förderpreis des Vera-Doppelfeld-Preises 2020 und dem Hermann-Hesse-Förderpreis 2020 ausgezeichnet. Nadine Schneider lebt in Berlin.
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