Starker Tobak fürwahr, der sich da in den Zeilen des Leserbriefschreibers Michael Bartl findet. Stefan Frank (Kreisgruppe Sulzbach-Rosenberg) und Ruppert Schmid (Amberg) nehmen im Gespräch Stellung zu den Vorwürfen. Sie stellen einiges klar.
"Dass Rehgeissen ihre Kitze im Wald ablegen und nur, wenn der Bestand zu hoch ist, in die Wiesen abgedrängt werden, ist nachweislich falsch: Sie legen ihre Kitze bevorzugt in Wiesen, denn sie passen ihre sogenannten Setzplätze an die jeweiligen Gegebenheiten an. Im Idealfall treffen an ihrem Setzplatz auf möglichst kleiner Fläche ein großes, leichtverdauliches und energiereiches Äsungsangebot, ausreichende Deckung sowie ein trockenes und warmes Mikroklima aufeinander", zitiert Stefan Frank aus Wikipedia. Eine kurze Internet-Recherche hätte ausgereicht.
Nicht nur die Jägerschaft bewerbe Kitzrettungsaktionen, sondern auch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten weite die Forschungen aus und gebe sogar Ratgeber wie den "Mähknigge" heraus die zur Vermeidung von Mähverlusten beitragen sollen", erinnert Ruppert Schmid. "Dieses Ministerium ist faktisch der Arbeitgeber von Herrn Bartl."
Falsche Beratung
Einig sind sich beide, dass die Darstellung, die Jägerschaft sei für die Anzahl der Wildunfälle verantwortlich, nicht grotesker sein könne. Zudem seien diese nicht die häufigste Unfallursache, sondern mit gut 30 Prozent Anteil anzusiedeln und stets abhängig vom Verkehrsaufkommen.
Auch eine falsche forstliche Beratung in den letzten Jahrzehnten habe zu dem aktuellen Problem geführt. "Hier wurden wirtschaftliche Zwecke in den Vordergrund gestellt", sind sich beide Jägervertreter sicher. Ein erstes Umdenken habe zwar bereits in den 80er Jahren begonnen, aber bei einer Nutzungszeit von 80 - 120 Jahren bei Fichten und 120 - 160 Jahren bei der Buche relativiere sich das. Probleme wie Windwurf und Borkenkäferplagen würden so begünstigt. Wurde vor Jahren noch die Buche als klimastabil angesehen, seien auch hier bereits erste Schäden zu beobachten durch Trockenheit und Temperaturanstieg.
Gefahr Botulismus
"Bartl vergiftet bewusst das Verhältnis zwischen Jägern und Grundbesitzern und verunglimpft die Bestrebungen und Bemühungen so junger Kitzrettungs-Gruppen wie der von Frau Kunisch", merkt Stefan Frank an. Mähverluste von annähernd null seien immer noch zu viel: "Bereits ein totes Kitz, das in die Silage kommt, kann eine Vergiftung mit Botulismus-Bakterien im Tierbestand der Landwirte zur Folge haben kann. Diese Toxine in der Nahrung der Rinder können ganze Bestände töten und sind für Menschen lebensgefährlich."
Abschließend könne man nur sagen, dass bereits seit Jahren versucht werde, seitens des Forstes das Rehwild auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. "Der Klimawandel ist hier ein willkommener Vorwand, um diesem Ziel näher zu kommen. Er kommt auch gelegen, um die eigenen Fehler der Vergangenheit zu kaschieren und um jemand anderem, nämlich dem Rehwild, die Schuld zuzuschieben."
Das Ziel der Jägerschaft könne nur sein, weiterhin für artenreiche, gesunde Tierwelt zu sorgen - Wald mit Wild! "In den Alpenregionen wurde übrigens ein anderer Schuldiger gefunden - das Gamswild."
Keim für noch mehr Mäh- und Verkehrsverluste gelegt
Zum Artikel „Rehkitze per Drohne vor dem Tod gerettet“ in der AZ vom 29. Mai ging folgende Zuschrift ein:
Derzeit betreibt die Jägerschaft eine sehr erfolgreiche Charme-Offensive zum Thema Rettung von Rehkitzen vor dem Mähtod. Prinzipiell ist es löblich und richtig, Tiere vor unnötigem Leid zu bewahren. Doch warum kommt es zu Mähverlusten? Eigentlich legen Rehgeißen ihre Kitze an sicheren Orten wie etwa dem Wald ab. Gleichzeitig sind sie aber territorial und recht ekelhaft zu rangniederen anderen Rehgeißen. Sind so viele Geißen da, dass alle „guten“ Plätze besetzt sind, müssen die rangniederen Geißen mit gefährlicheren Plätzen, wie zum Beispiel Wiesen, vorliebnehmen.
Zu hohe Wilddichten verursachen also nicht nur Mähverluste, sondern übrigens auch Wildverkehrsunfälle – die mit Abstand häufigsten Unfälle nicht nur im Landkreis Amberg- Sulzbach.
Wir alle zahlen diese mit unseren Kaskobeiträgen, und manche bezahlen es auch mit Gesundheit oder Leben. Und das nur, weil manche Jäger so unvernünftig sind und Rehwilddichten anstreben, die weit über dem liegen, was die Landschaft sinnvollerweise tragen kann.
Das schlägt sich auch in den dramatischen Schädigungen unserer Wälder durch Wildverbiss nieder. Es findet ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkter, gnadenloser Genozid an selteneren Baumarten durch selektive Beäsung der Rehe statt. Genau diese Baumarten wären es aber, die den Klimawandel verkraften würden. Übrig bleiben die dürreempfindlichen Fichten. Dies ist keine Theorie, sondern die praktische Erfahrung aus Jagdrevieren, wo scharf gejagt wird:
• Mähverluste annähernd null
• kaum Verkehrsunfälle mit Wildbeteiligung
• vielfältige und artenreiche Waldverjüngung
• bei weniger, aber dafür kräftigen und gut entwickelten Rehen.
Doch weniger Rehe bedeutet schwierigere und anspruchsvollere Jagdausübung. Ich habe absolut nichts dagegen, dass Jäger Freude an der Jagd haben, aber ich habe sehr wohl etwas dagegen, wenn sie letztendlich vielleicht nicht direkt gewollt, aber so doch billigend in Kauf nehmend zur Mehrung ihres Jagdpläsiers Unfalltote und einen klimalabilen Wald als Kollateralschaden verursachen. Aber anstatt dieses Fiasko zu beenden, landen sie einen genialen PR-Coup, indem sie sich durch Symptombekämpfung bei gleichzeitiger Zementierung der Zustände in bestes öffentliches Licht setzen. Süßen Kitzknopfaugen kann doch niemand widerstehen!
Und keinem fällt auf, dass sie damit bereits wieder den Keim für noch mehr Mäh- und Verkehrsverluste legen. Chapeau! Das muss ihnen erst einmal einer nachmachen. Ihre Propaganda ist so gut, dass sie sie sogar selber glauben.
Wie also kann man jemanden zu einer Änderung seines Verhaltens bewegen, wenn er selber glaubt, sein bisheriges Verhalten sei ganz und gar edel und uneigennützig? Noch dazu, wenn es ihm viel Lob aus Öffentlichkeit und Politik einbringt, denen vorher kräftig „süßer“ Sand in die Augen gestreut wurde? Ein Teufelskreis!
Michael Bartl, Kastl
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Zu einfach gemacht
Manchmal kann die Welt so einfach sein: Rehe sind schuld, dass bei uns kein Klimawald wächst, sie sind böse und gehören abgeschossen, weil sie zudem auch noch jede Menge Autofahrer umbringen und riesige Schäden verursachen. Aber die ebenfalls bösen Jäger wollen ja nur ihr „Jagdpläsier“ und missbrauchen deshalb die Rehkitze als Werbung. Soweit Leserbriefschreiber Michael Bartl.
Ich bin als Jäger einiges gewöhnt – nicht von der Bevölkerung, die ist fast immer vernünftig und der Jagd gegenüber positiv eingestellt. Aber was der bekanntermaßen vom Ökologischen Jagdverband ideologisch geprägte Förster da für Absurditäten zusammenrührt, das geht dann schon ans Eingemachte. Falsche Behauptungen zur Rehwild-Biologie, zu Wildunfällen und Wildverbiss, garniert mit Empfehlungen für eine „scharfe Bejagung“, ergeben eine extrem unverdauliche Suppe.
Kein Wort über stark zunehmenden Verkehr, keine Erwähnung von Wäldern, in denen Buche, Ahorn oder Eiche trotz eines normalen Rehbestandes prächtig wachsen, keinerlei Empathie für Menschen, die sich für die Kitzrettung einsetzen. Stattdessen Sarkasmus und die wohl noch höheren Orts zu prüfende Bemerkung, Jäger nähmen billigend Unfalltote in Kauf „zur Mehrung ihres Jagdpläsiers.“ Wer so etwas allen Ernstes behauptet, der muss sich Fragen über seine Qualifikation gefallen lassen. Als Mensch, als Förster und – leider – auch als Jäger.
Joachim Gebhardt