Sulzbach-Rosenberg
01.03.2019 - 16:51 Uhr

Die Kunst der Kalligraphie

Es war Papas schöne Schrift, mit der er die Einladungen und Liedblätter des CVJM gestaltete, die Elke Gehr beeindruckte. Daraus entwickelte sich bei der 50-Jährigen die Passion für Kalligraphie: die Kunst des ausdrucksvollen Schreibens.

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich Elke Gehrs Hobby als Wissenschaft für sich, obwohl es für Kalligraphie in Deutschland keinen Lehrstuhl gibt und siehöchstens als Teilbereich im Grafikdesign-Studium unterrichtet wird. Der Vorteil ist, dass jeder sich das Wissen auf Kursen aneignen kann und keine Abschlüsse braucht.

2006 begann die gelernte Hotelfachfrau bei einem Volkshochschul-Kurs von Andrea Paulus. "Wir waren gerade so viele, dass der Kurs zusammenging", erinnert sich Gehr. Anfangs stand die gotische Schrift auf dem Lehrplan. Diese galt es das nächste Dreivierteljahr, täglich mindestens eine Viertelstunde, zu üben. Ausdauer gehöre zu den unerlässlichen Tugenden, die diese Art der Kunst fordert. "Man merkt schon nach einer Woche ohne Übung, dass der Schreibfluss abhandenkommt", erklärt die Sulzbacherin.

Meister kommt von meist

Üben, üben, üben, lautet die Devise. "Ein Meister heißt deshalb Meister, weil er etwas am meisten gemacht hat." Ein wenig Ahnung von Proportionen sollte man noch mitbringen. Dazu ein Quantum Kreativität. Als Lohn für den Fleiß können sich ganz neue Welten auftun. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt, auch wenn man auf den ersten Blick Eintönigkeit vermuten könnte. Allein die Schreibutensilien lassen sich beliebig variieren und bringen immer andere Resultate, selbst bei der gleichen Schriftart.

Als Grundsatz gilt, dass alles taugt, was eine Spur zieht. So hat Gehr, die wegen dem Beruf ihres Mannes auch schon elf Jahre in Darmstadt und Braunschweig lebte, natürlich das Standardequipment an Pinseln, Bandzugfedern, Ziehfedern, Rulingpens, Finelinern und Stiften. Dass man mit einem Strohhalm, wenn man die Spitze auffasert, ganz außergewöhnliche Schriftzüge hinbekommt, sollte man nicht ahnen.

Auch, wie man aus Getränkedosen oder Birkenholz-Zahnhölzern aus dem Drogeriemarkt und Balsaholz-Leisten, sogenannten expressiven Werkzeugen, erstaunliche Variationen derselben Schriftart gestalten kann. Als Schreibflüssigkeit dienen nicht nur Tusche und Tinte. Auch Beize, Wasser- und Acrylfarben, Rotwein und Kreide lassen den Kalligraphen abwechslungsreiche Werkstücke zaubern. "Die Kurse dazu laufen nur in den Herbst- und Wintermonaten wegen der Luftfeuchtigkeit, die dafür benötigt wird", erläutert die künstlerisch mehrfach begabte Hausfrau. Auch als Beschriftungsgrundlage sollte man nicht nur Büttenpapier erwarten. Steine, Blech, Babybodies, T-Shirts, Schiefer, Holz und Keramik - nahezu alles kann beschrieben werden. Nichts ist vor der Schreiblust des Kalligraphen sicher, auch wenn die meist gefragten Kunstgegenstände Papeteriewaren sind, wie Hochzeits-, Geburtstags-, Einladungs- und Weihnachtskarten, Tischdeko, Schilder, Trausprüche oder Sinnsprüche und Hausschilder.

Keine Grenzen

Ein weiteres Betätigungsfeld ergibt sich aus dem Drumherum um die geschriebene Botschaft. Auch hier sind für Hintergrund und Layout gestalterischen Fantasien keine Grenzen gesetzt. Vieles davon kann übrigens selbst ein Computer mit Grafikprogramm nicht leisten. Abgesehen davon, dass digitale Schrift im Vergleich zur Kalligraphie tot wirke, habe Handgeschriebenes einfach Stil, findet Gehr. Darüber hinaus bekomme man auf die "natürliche Art und Weise" Haptik hin, kann Seiden- oder Büttenpapier beschriften, unterschiedlichste Formate veredeln und dank diverser Werkzeuge ein vielfältigeres Erscheinungsbild erschaffen.

"Es ist meine Art der Wertschätzung, die man jemandem damit entgegenbringt", beschreibt Gehr ihre zweite Triebfeder für dieses Hobby. Dies sei auch begründet in ihrer christlichen Überzeugung. Für die Zukunft hat sie große Pläne: "Es werden deutschlandweit, und darüber hinaus, Kurse angeboten, bei denen man sich fortbilden kann, neue Schriftarten lernt, und selbst lernt mit der Schrift zu spielen." Da möchte sie unbedingt noch einige besuchen. Sie selbst gibt demnächst einen Kurs beim Katholischen Erwachsenenbildungswerk, um etwas von ihrer Faszination weiterzugeben.

Hintergrund:

Kalligraphie kam überall dort zum Einsatz, wo sakrale Schriften kopiert werden mussten. Das galt für Mönche, jüdische Soferim, die die Thora abschrieben, und Gelehrte im asiatischen Bereich. Auch im Islam gab es Blütezeiten der Kalligraphie. Das mittelalterliche Nürnberg war wegen der Familie Glockendon ein Zentrum der Buch- und Schriftkunst.

Apple-Gründer Steve Jobs hat während seines Studiums einen Kalligraphiekurs besucht. Deswegen gibt es in seinen Geräten besonders viele Schriftarten. An die Individualität von Handgeschriebenem kommen diese aber nicht ran. (mzi)

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.