Sulzbach-Rosenberg
08.01.2023 - 15:30 Uhr

Landesjugendorchester in Sulzbach-Rosenberg: Wenn Musik weinen kann

Beim Neujahrskonzert in der Krötensee-Sporthalle in Sulzbach-Rosenberg begeistert das Landesjugendorchester das Publikum mit Können und Finesse.

Von Marielouise Scharf

Zum wievielten Mal das Bayerische Landesjugendorchester (BLJO) mit seinem Neujahrsprogramm in Sulzbach-Rosenberg Station macht, das wissen die Organisatoren vom Lions-Club Sulzbach-Rosenberg, Jürgen Schleicher und Reinhard Kräuter, gar nicht genau. Auf jeden Fall sei die Zusammenarbeit mit dem Orchester sehr vertrauensvoll und Sulzbach sei ein Ort, „wo man am meisten gespielt habe“, so Andreas Burger, Geschäftsführer des BLJO. Darüber freute sich im gut besuchten Saal der Krötenseeschule auch die örtliche Lions-Präsidentin Katja Rödiger. In ihrer kurzen Begrüßung erläuterte sie noch, dass der Erlös sozialen Projekten zukommen solle, dann überließ sie den Musikern die Bühne.

Orchesterlieder von Richard Strauß mit Sopranistin Lydia Teuscher standen am Beginn des Abends, der zweite Teil gehörte der gewaltigen Sinfonie Nr. 8 c-moll op. 65. von Dmitry Schostakowitsch. Einmal genial leicht, verschmitzt, verspielt und musikalisch-theatralisch, dann kantige, unerbittliche Präzision in grellen Klangfarben – Maestro Joseph Bastian führte sein großes Orchester mit etwa 100 jungen Mitgliedern mit sehr eleganter, aber sicherer Hand durch den schwierigen Tonparcours.

Schon optisch bot sich ein perfektes Bild: dunkle, festliche Kleidung bei den Musikern und Lydia Teuscher im schwarz-grünen Abendkleid davor. Leider war das Licht abgedunkelt, dafür aber überstrahlte die Solistin mit ihrer gehaltvollen und variablen Sopran-Stimme das eher nüchterne Ambiente. Brillant gesungen und mit verhaltener, aber ausdrucksstarker Theatralik feilte sie an jeder Nuance der sechs ausgewählten Orchesterlieder und schuf so ganz besondere Szenen mit Witz und Gefühlstiefe. Fragile Traumgebilde voll kammermusikalischer Duftigkeit zauberte sie in den Raum, dann wieder korrespondierte sie einfühlsam mit den sensibel agierenden Holzbläsern (Freundliche Vision) oder inspirierte das Orchester und besonders die Geigen zu stimmungsvollen Harmonien (Morgen). Zarter Augenkontakt mit dem Dirigenten genügte, um den Gleichklang mit dem Orchester herzustellen, dem fantastische Pianomomente gelangen.

Nach der Pause war es mit Piano vorbei. Kriegsgebrüll und Chaosklang forderte Musiker wie Zuhörer. Schließlich schrieb Schostakowitsch die Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65 im Eindruck des Zweiten Weltkrieges, kurz nach dem Sieg bei Stalingrad. Schwere Kost, die Joseph Bastian, der ab der Saison 2023/24 neuer Chefdirigent und künstlerischer Leiter der Münchner Symphoniker wird, mit den jungen Musikern (im Alter zwischen 13 und Anfang 20) erarbeitet hat. Wie ein Denkmal baut er die Komposition auf, mit wuchtigen Schlägen, aber auch mit fließenden Linien, mit schrillem Geigenkreischen und schmerzverzerrtem Aufschrei der Töne.

Jeder Takt glüht vor Intensität, mit nie nachlassender Spannung bringt Bastian die Musik zum Sieden. Da ist mehr zu hören als nur eine große, fünfsätzige Sinfonie. Er geht bis an die Schmerz- und Hörgrenze. Und die Jugendlichen sind voll dabei, reagieren blitzschnell und geschmeidig und spielen hochkonzentriert und grandios. Faszinierend, wie Bastian und das Orchester der schwierigen Vorlage Kontur und Transparenz geben und den Tonfall zwischen apokalyptischen Ausbrüchen und abgrundtiefer Trauer und Schmerz ausbalancieren. Am Schluss erstarrt die Musik zu einem unendlich lang ausklingenden Akkord – sie weint. Das Publikum jubelt und dankt mit langem Applaus für den gelungenen Konzertabend.

 
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