Sulzbach-Rosenberg
15.04.2020 - 13:48 Uhr

Lebensbedrohliche Attacke: Messerstich in die Lunge

Der junge Mann wird daheim immer seltsamer. Er schreit, stößt Drohungen aus. Als der Freund seiner Schwester mit dem 21-Jährigen reden will, wird er mit einem Klappmesser in den Rücken gestochen. Die Verletzungen sind lebensbedrohlich.

Ein 21-Jähriger muss sich wegen einer Messerattacke vor Gericht verantworten. Bild: Volker Hartmann/dpa
Ein 21-Jähriger muss sich wegen einer Messerattacke vor Gericht verantworten.

Vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts hat ein Mann Platz genommen, der zum Verhandlungsauftakt relativ präzise schilderte, was sich am Abend des 19. September letzten Jahres in und vor einem Haus in Sulzbach-Rosenberg zutrug. Er sprach von Verwirrungen, die bei ihm plötzlich auftraten. Ferner auch von Aggressivität und innerer Unruhe, die seinen Alltag bestimmten.

Die Veränderungen im Wesen des 21-Jährigen, der im Haus seiner Mutter wohnte, waren der Familie aufgefallen. Seine Schwester und deren Lebensgefährte wollten mit ihm darüber reden. Dieses gut gemeinte Gespräch endete mit einer Bluttat. Die junge Frau hatte sich vom Zimmer ihres Bruders bereits wieder ins Erdgeschoss begeben, nur die beiden fast gleichaltrigen Männer standen einander gegenüber.

"Ich bin ausgerastet", sagte der 21-Jährige jetzt vor den Richtern. Das Geschehen verlagerte sich in diesen Minuten ebenfalls hinunter ins Parterre und dann vor die Haustür. Es gab Wortwechsel und eine Rempelei.

Eineinhalb Liter Blut verloren

Auf der ersten Treppenstufe stach der junge Mann dem Freund seiner Schwester ein Klappmesser in den Rücken. Die Klinge drang zwischen Schulter und Wirbelsäule neun Zentimeter tief in den Oberkörper ein, sie perforierte die Lunge. Das Opfer flüchtete hinaus auf die Straße, der Täter setzte zur Verfolgung an. Über 100 Meter weit lief er dem Verletzten nach.

Dann kehrte der 21-Jährige um und setzte sich vor die Haustür. Als Polizisten eintrafen, leistete er Widerstand, mochte sich nicht ergeben und fügte einem der Beamten Blessuren zu. Auch das ist Teil der durch Staatsanwältin Julia Weigl erhobenen Vorwürfe.

Der Messerstich hatte lebensbedrohliche Folgen. Der 22-Jährige verlor eineinhalb Liter Blut, er musste unverzüglich im Amberger Klinikum operiert werden. Vor der Strafkammer unterstrich der Mann jetzt: "Ich bin ihm nicht böse." Die Wunde sei verheilt, nur eine Narbe blieb zurück. Fraglich ist: War es versuchter Totschlag oder gefährliche Körperverletzung?

Der Urheber des spektakulären Zwischenfalls war zunächst in U-Haft gekommen. Dort blieb er nur wenige Tage. Dann brachte man den 21-Jährigen in die Psychiatrie des Regensburger Bezirkskrankenhauses. Bei ihm ergaben sich Anzeichen einer Schizophrenie. Deswegen ist nun auch ein psychiatrischer Gutachter im Sitzungssaal anwesend. Denn die Richter müssen über eine mögliche Einweisung in die Forensik befinden.

Wo stammte das Messer her? "Ich hatte es zur Behandlung von Pflanzen bestellt", erklärte der Beschuldigte und fügte hinzu, es sei ihm nicht plausibel gewesen, als man ihm sagte, er solle sich wegen seines Benehmens Hilfe suchen. "Da war ich auf 180", hörten die Richter. Und später, als die Polizei kam? Auch da hatte sich die Aggressivität nicht gelegt, musste Widerstand gewaltsam gebrochen werden. Noch immer in einem Zustand der Unberechenbarkeit.

Gericht achtet auf Sitzordnung:

Corona hat auch für Sicherheitsmaßnahmen im Gerichtssaal gesorgt. Als der Prozess gegen einen 21-Jährigen vor dem Landgericht begann, achteten Justizbeamte darauf, dass Zuhörer weit voneinander entfernt saßen. Die gleichen Regelungen galten auch für alle Prozessbeteiligten. So kam es zu einer Sitzordnung, die es so zuvor nie gegeben hatte. An der Frontseite nahmen nur die drei Berufsrichter unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsidentin Roswitha Stöber Platz. Die beiden Schöffen mussten das Verfahren von Sitzen aus verfolgen, die im Regelfall Staatsanwälten und Verteidigern vorbehalten sind. Sie wiederum saßen mehrere Meter weit entfernt davon im Saal. Wer die Verhandlung verfolgen wollte, hatte am Einlass eine schriftliche Erklärung zu unterschreiben. Dabei mussten die Fragen beantwortet werden, ob es in letzter Zeit Kontakt zu Corona-Infizierten gab und ob gegenwärtig ein fiebriger Zustand vorliegt.

Mutter verweigert Aussage

Wesentlich in diesem Verfahren wird die Frage sein, was mit einem Menschen geschieht, der gerade erst 21 Jahre alt ist. Seine Mutter machte von ihren Aussageverweigerungrecht Gebrauch. Doch die Schwester deutete an, dass man ihn wegen seiner an den Tag gelegten Aggressivität eher ungern weiter im Haus haben möchte. Deutlich war zu diesem Zeitpunkt geworden: Der 21-Jährige hatte eine Lehre beendet und saß ab dann daheim in seinem Zimmer vor dem Computer. Vornehmlich Rollenspiele, so ließ Verteidiger Jürgen Mühl anklingen, hätten ihn dabei interessiert. Der Prozess wird fortgesetzt.

 
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