Mit ihm können Tumore, Krankheiten und Entzündungen sichtbar gemacht und das Körperinnere in dreidimensionalen Bildern dargestellt werden: Magnetresonanztomographen (MRT) sind enorm wertvolle Diagnose-Instrumente in der Medizin. Für Kassenpatienten in Sulzbach-Rosenberg und dem Einzugsgebiet im Landkreis ist es deshalb umso ärgerlicher, dass der 600.000 Euro teure und nagelneue Tomograph im Krankenhaus St. Anna nur dann für sie angeworfen wird, wenn sie einen Arbeitsunfall hatten – dann bezahlt nämlich die berufsgenossenschaftliche Versicherung.
Doch für „normale“ ambulante Kassenpatienten, die von ihrem Hausarzt zur MRT-Untersuchung geschickt werden, heißt es: Ins Auto steigen und weite Strecken mindestens bis nach Amberg, wenn nicht bis nach Nürnberg, Fürth, Erlangen oder Bayreuth fahren – und dort Wartezeiten von bis zu zwei Monaten in Kauf nehmen zu müssen. Denn in diesen Städten gibt es, im Gegensatz zu Sulzbach-Rosenberg, einen oder mehrere von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) genehmigte Kassensitze für Radiologen. Das heißt, dort dürfen Fachärzte auch ambulante Kassenpatienten abrechnen.
Was die KVB auf Anfrage dazu sagt und ob in der Stadt doch bald ein eigener Kassensitz geschaffen wird, lesen Sie hier im Überblick.
Warum gibt es in Sulzbach-Rosenberg keinen Radiologen-Kassensitz (mehr)?
Solche Kassensitze sind an die Person gebunden. Bis Oktober 2021 gab es einen Kassensitz am Krankenhaus St. Anna. Inhaber war Radiologe Dr. Dieter Herrneder. Mit seinem Wechsel ans Amberger Klinikum ging der Sitz in Sulzbach-Rosenberg verloren. Die Anzahl der Sitze ist bayernweit limitiert, sie kann nicht einfach erhöht werden. Ist das doch beabsichtigt, muss die KVB eine Ermächtigung erteilen. Zuvor fragt die KVB alle in der Umgebung niedergelassenen Ärzte, ob sie den Bedarf für einen weiteren Kassensitz sehen. Zwei Ärzte haben diesen Bedarf nicht gesehen – die Ermächtigung wurde deshalb nicht erteilt, und St. Anna kann seitdem eine MRT-Untersuchung für ambulante Kassenpatienten nicht mehr abrechnen.
Welche Amberg-Sulzbacher Ärzte haben sich gegen einen weiteren Kassensitz ausgesprochen?
Hierzu erteilt die KVB keine Auskunft. Pressesprecher Michael Stahn gibt die Antwort der Fachabteilung der KVB weiter: „Aus Gründen des Datenschutzes können wir keine konkreten Auskünfte zu einem Einzelfall erteilen.“
Ist durch die Entscheidung, keine Ermächtigung zu erteilen, eine Verknappung der medizinischen Versorgung eingetreten?
Wenn innerhalb „zumutbarer Entfernungen ein ausreichendes Versorgungsangebot zur Verfügung“ steht, gebe es laut Michael Stahn keinen Bedarf. Die KVB dazu: „Was zumutbar ist, hängt von der Art der Versorgung ab: Hausärztliche Versorgung ist möglichst wohnortnah zu erbringen, für speziellere Leistungen – wie hier für MRT-Untersuchungen – wird den Versicherten vom Gesetzgeber hingegen zugemutet, auch längere Wege zurückzulegen.“ Stahn zufolge sei dies auch durch entsprechende Gerichtsurteile, zuletzt vom Bundessozialgericht im März 2021, bestätigt worden.
Warum erteilt die KVB überhaupt Ermächtigungen?
Dies ist laut KVB im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung notwendig, weil der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gilt. Ambulante Behandlungen sollten vorrangig Vertragsärzte und Medizinische Versorgungszentren erbringen. Krankenhäuser wiederum könnten das nur, wenn es ausdrücklich zugelassen wird. Einzelne Krankenhaus-Ärzte oder gar ganze Krankenhaus-Abteilungen dürften zum Erbringen solcher Leistungen zwar ermächtigt werden – jedoch nur, wenn das Angebot niedergelassener Ärzte nicht ausreicht. „Ob ein solcher Bedarf besteht oder nicht, ist vom Zulassungsausschuss zu beurteilen.“
Was überhaupt ist der Zulassungsausschuss?
Kassensitz-Ermächtigungen, erklärt Stahn, erteile nicht die KVB selbst, sondern der Zulassungsausschuss. Dieser setze sich paritätisch aus Ärztevertretern und Krankenkassenvertretern zusammen. Der Ausschuss sei demnach selbstständig und unabhängig. Im Falle von Sulzbach-Rosenberg ist der Ausschuss offenbar zu der Einschätzung gekommen, dass kein Bedarf für einen neuen Kassensitz besteht – wohl auch, weil die beiden erwähnten Ärzte auf Nachfrage der KVB diesen Bedarf verneint haben.
In Sulzbach-Rosenberg sehen das nicht nur Patienten, die für eine MRT-Untersuchung weiter fahren und länger warten müssen, anders, sondern auch neun niedergelassene Ärzte. Der Sulzbach-Rosenberger Allgemeinmediziner Dr. Karl Schellenberger ist einer von ihnen. Gemeinsam mit acht Kollegen hat er sich im November 2021 in einem Brief an Krankenhaus-Vorstand Roland Ganzmann nachdrücklich für einen neuen MRT-Kassensitz in St. Anna und die ambulante radiologische Versorgung von circa 60 000 Einwohnern (Sulzbach-Rosenberg plus komplettes Einzugsgebiet) stark gemacht. Bei Ganzmann rannten die Ärzte offene Türen ein – siehe nachfolgende Frage.
Besteht die Chance, dass das Krankenhaus St. Anna doch noch eine Ermächtigung erteilt bekommt?
Damit schaut es, zumindest laut Michael Stahn von der KVB, schlecht aus. Dass sich viele Ärzte in der Stadt und auch das Krankenhaus selbst dafür aussprechen, sei nicht entscheidend. Er weist darauf hin, dass das Verfahren im Zulassungsausschuss ein Sozialverwaltungsverfahren ist. Der Antragsteller, in diesem Fall das Krankenhaus St. Anna, könne Widerspruch erheben und vor dem Sozialgericht klagen. Genau das hat Krankenhaus-Vorstand Roland Ganzmann, auch mit Rückendeckung des Verwaltungsratsvorsitzenden Richard Reisinger, getan – doch selbst in zweiter Instanz ist das Kommunalunternehmen Krankenhäuser im Landkreis Amberg-Sulzbach gescheitert. Das getroffene Gerichtsurteil wurde damit rechtskräftig und somit inhaltlich bindend.
Stahn dazu: „Diese Bindewirkung gilt nicht nur für den Antragsteller, sondern auch für die Behörde, mit der Folge, dass eine abweichende Neuentscheidung nur dann noch zulässig wäre, wenn sich ein neuer, bisher nicht vorgetragener Sachverhalt ergäbe.“ Um es kurz zu sagen: Wenn die Sulzbach-Rosenberger Befürworter eines weiteren Kassensitzes nicht völlig neue Argumente auf den Tisch legen, schaut es – für das MRT und die Kassenpatienten – schlecht aus.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.