Sulzbach-Rosenberg
31.08.2018 - 15:42 Uhr

Pflege ist besser als ihr Ruf

Schlechte Bezahlung, mäßiges Ansehen, zu wenig Auszubildende – der Pflegeberuf hat nicht immer die beste Presse. Günter Koller hat da gegensätzliche Ansichten und auch Verbesserungsvorschläge. Und er wird damit wohl durchaus anecken.

Rund um das Thema Pflege äußert sich Experte und Caritas-Geschäftsführer Günter Koller im Interview. Bild: exb
Rund um das Thema Pflege äußert sich Experte und Caritas-Geschäftsführer Günter Koller im Interview.

Er hat wohl am meisten mit dem Thema zu tun im Landkreis: Günter Koller, bei der Caritas Chef von rund 400 Mitarbeitern, ist nun auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Heime und Einrichtungen der Altenpflege in der Diözese Regensburg (DIAG). In der Diözese gibt es alleine 50 Katholische Alten- und Pflegeheime sowie 60 Ambulante Pflegedienste in kirchlicher Trägerschaft. Wir sprachen mit dem Experten über aktuelle Pflegethemen.

ONETZ: Herr Koller, sind die gegenwärtigen „Berliner Planungen“ zielführend?

Günter Koller: Zunächst einmal bin ich schon glücklich darüber, dass die Diskussion um die Pflege in der Politik angekommen ist. Jahrelang wurde geredet, es durfte aber alles nichts kosten. Jetzt machen wir mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Pflege einen Schritt in die richtige Richtung – und dürfen nun auf keinen Fall stehenbleiben! 13 000 neue Stellen in Pflegeheimen über die Krankenkassen zu finanzieren ist absolut okay. Auch muss die Trennung der Leistungen in Kranken- oder Pflegekassen im stationären Bereich intensiviert werden.

ONETZ: Ein Wort zur Ausbildung?

Der jetzige Mangel an Fachkräften ist Folge der jahrelangen mangelnden Wertschätzung dieses Berufes – man denke nur an Schulgeld, das teilweise verlangt wurde. Ich persönlich bin dafür, die Ausbildung als generalistisch neu zu gestalten, also gemeinsam für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger – der einzig gangbare Weg, und es ist an der Zeit, die Level anzugleichen. Europaweit gibt es keinen anerkannten Altenpfleger, einen generalistisch ausgebildeten Krankenpfleger dagegen schon.

ONETZ: Wie sehen Sie das Image des Pflegeberufes?

Es gibt ein Riesengefälle in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen der Region, wo durchaus Anerkennung herrscht, und dem überregionalen Raum, in dem durch Medien viel kaputtgemacht wird. Der kürzlich groß ausgeschlachtete Abrechnungsbetrug etwa war die Tat einiger deutsch-russischer Pflegedienste. Wahrgenommen wurde er aber als Generalverdacht, als wenn alle beteiligt gewesen wären. Dabei wäre der Beruf ein positives Thema, auf Jahrzehnte gesichert und mit riesigen Aufstiegschancen.

ONETZ: Was sagen Sie zur Bezahlung der Pflegekräfte und zum geforderten Flächentarif?

Wissen Sie, die Bezahlung in der Altenpflege ist wesentlich besser als häufig dargestellt, es sind nur zu wenig Vollzeitstellen da. Sicher gibt es für 80 Prozent keinen Tarifvertrag. Aber Caritas und Diakonisches Werk beschäftigen fast eine Million Mitarbeiter flächendeckend in Deutschland, unsere Bedingungen sind de facto so gut, dass ich mir wünsche, sie würden von anderen quasi als Flächentarifvertrag übernommen. Bei uns kann sogar ein Pflegehelfer in Vollzeit ohne Weiteres von seinem Gehalt leben. Das liegt an der paritätischen Besetzung unserer entsprechenden Gremien.

ONETZ: Wie steht es mit der Tages-, Kurzzeit- und Nachtpflege?

Bei uns gibt es noch zu wenig davon. Nach dem Pflegestärkungsgesetz müssten viel mehr Plätze entstehen. Aber es ist eine Initiative in der Pipeline, damit mehr Kurzzeitpflegeplätze finanziert werden können.

ONETZ: Wie beurteilen Sie die Forderung nach Pflegestützpunkten?

Es gibt den Wunsch nach einem unabhängigen Pflegestützpunkt zur Beratung im Landkreis, der getragen werden soll von Krankenkassen, Pflegekassen und dem Landkreis.Ich sehe keine Notwendigkeit, denn eine flächendeckende Versorgung mit Fachstellen, die neutral beraten, ist ja gegeben. Wäre es nicht besser, diese besser zu fördern, statt noch ein Konstrukt aufzubauen? Das käme auch wesentlich kostengünstiger.

ONETZ: Stichwort „Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge“?

Rein demografisch gesehen führt da kein Weg vorbei. Es werden wohl eher 0,5 statt 0,3 Prozent werden. Aber so eine Aktion wird noch am ehesten mitgetragen von der Bevölkerung.

ONETZ: Gibt es einen Investitionsstau in der stationären Pflege?

Bayern hat 2006 die Investitionskostenförderung für Neubau und Sanierung von Altenheimen ersatzlos gestrichen. Das war ein sehr großer Fehler. Ministerpräsident Söder will das jetzt wieder einführen mit zunächst 60 Millionen Euro pro Jahr. Damit kann man aber keine neuen Projekte bauen, sondern bestenfalls vorhandene etwas sanieren. Zudem hat der Gesetzgeber extrem hohe Hürden für Neubauten aufgestellt. Diese Initiative kann nur ein Startschuss für viel mehr sein.

ONETZ: Letzte Frage: Wie sollen sich die Kommunen künftig stärker beteiligen?

Im Pflegestärkungsgesetz 3 ist das schon vorgesehen, dass Kommunen hier mehr Verantwortung übernehmen. Was spricht dagegen, dass sich ein Altenheim auch um die Pflegefälle im Umkreis des Quartiers kümmert? Voraussetzung aber wäre, dass die Kommunen, wie bei den Kindertagesstätten, zuerst einmal den Pflegebedarf ermitteln und ein Quartiersmanagement aufbauen. Altersgerechtes Wohnen wäre eine weitere Aufgabe der Kommunen.

 
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