Der Lockdown im März schob allen Reisen einen Riegel vor. Als Folge waren Unterkünfte und Hotels, aber auch Campingplätze, Freizeitanlagen, Restaurants und viele weitere Gastronomiebetriebe für Monate geschlossen. Züge blieben in den Bahnhöfen, Kreuzfahrtschiffe in den Häfen und Flugzeuge am Boden. Bürger legten Reisepläne ad acta oder stornierten bereits gebuchte Unternehmungen.
Mit den Lockerungen wehte nun ein laues Lüftchen der Erholung in der Branche, aber neue Fallzahlen geben der hoffnungsvollen Entwicklung nun erneut Dämpfer. Fachkreise der Tourismuswirtschaft gehen davon aus, dass es wenigstens eineinhalb Jahre dauern wird, bis die einschlägigen Betriebe wieder den Jahresumsatz von 2019 erzielen. Für viele Reisebüros ist aber der Zug buchstäblich schon jetzt abgefahren, sie müssen schließen, da sie sich auch nicht mit der staatlichen Soforthilfe über Wasser halten konnten.
Unterschiedlich stellt sich die Situation für die örtlichen Reiseunternehmer dar. Wenngleich sie zwar alle unter der Krise leiden, gibt es für die einzelnen Betriebe gesonderte Rahmenbedingungen. Im Gespräch mit unserer Zeitung schilderten die Inhaber ihre jeweilige Situation und wagten einen Ausblick:
Reisebüro Ottmann
Ein mehr oder weniger "klassisches Reisebüro" nennt Christof Ottmann sein eigen. Wie er sagt, sei mit Beginn des Lockdowns auch in seinem Haus alles auf "Null" storniert worden. "Von Mitte März bis Mitte Juni hatten wir 99,9 Prozent Ausfall. Alle Buchungen in Deutschland und im europäischen Ausland oder nach Ägypten, in die Türkei oder für Fernreisen wurden storniert. Darunter waren auch zahlreiche Buchungen von Familien, die schon vor längerer Zeit getätigt wurden. Das ist alles weggefallen."
Einen kleinen Silberstreif am Horizont sieht der junge Unternehmer in den etwa 20 Buchungen im August, wo es nach den Lockerungen unter anderem nach Griechenland geht. Destinationen in Spanien seien nach den Rückschlägen auch schon wieder umgebucht worden. "Es gibt halt noch immer viele Unwägbarkeiten, was die Leute zur Zurückhaltung - etwa auch bei Last-Minute-Angeboten - anhält", so Ottmann. Seine Filiale im Kaufland sei derzeit noch geschlossen, auch habe seine Firma die Soforthilfe in Anspruch genommen und beim neunköpfigen Team auch Kurzarbeit gefahren.
Trotz der steigenden Fallzahlen in Europa, nennt Christoph Ottmann mit Griechenland seinen persönlichen Reise-Favoriten. "Die haben ein sehr gutes Gesamt-Konzept und mit den vielen Inseln auch gute Voraussetzungen der räumlichen und regionalen Trennung." Bedauerlich findet er, dass eine Kollegin in Sulzbach-Rosenberg ihre Büro schließen musste. Hier habe die Krise höchstwahrscheinlich keinen tragfähigen Betrieb mehr zugelassen.
Kästl Ost-Touristik
Von einem verlorenen Jahr spricht Inhaber Hans-Jürgen Kästl für sein Haus, wobei er angibt, in einem anderen Segment tätig zu sein, als die klassischen Reisebüros. Er arbeitet ausschließlich mit Reiseveranstaltern zusammen und hat sich seit vielen Jahren auf Gruppenreisen mit Schwerpunkt Ost- und Nordeuropa spezialisiert. "Mit Beschluss der Reisebeschränkungen kam auf uns mit Stornierungen und weiteren Formalitäten irrsinnig viel Arbeit zu. Wir waren auch die Betreuer der Kunden, bei denen es welche mit und ohne Verständnis für die ganzen Unannehmlichkeiten gab. Letztlich belastet das bei uns sowohl die psychische als auch die finanzielle Situation enorm", berichtet der Fachmann. Seit Mitte Juni verzeichnet sein Betrieb wieder etwas Bewegung bei den Buchungen, wenngleich bei Gruppenreisen vor allem die Abstands- und Hygienevorschriften einen besondere Herausforderung bedeuteten. Ziele an Nord- und Ostsee, aber auch die oberbayerischen Seen seien stark nachgefragt gewesen. In Mittel- und Osteuropa sei die Nachfrage noch eher verhalten. "Es gibt eben auch ganz Ängstliche und andere, denen die Decke zu Hause auf den Kopf fällt", sagt Hans-Jürgen Kästl. Er vermerkt als positives Feedback, dass endlich wieder Gruppen unterwegs seien. Andererseits komme durch Reisewarnungen und Risikogebiete erneut Verunsicherung auf, was wieder zu Stornierungen führen könne.
Aus wirtschaftlicher Sicht nennt der Sulzbach-Rosenberger eine Umsatz-Flaute von 14. März bis zum 15. Juni. "Im Juli hatten wir weniger als zehn Prozent des Vorjahresumsatzes, aufs Jahr gesehen werden wir etwa zwischen 15 und 20 Prozent landen, sind also vom 2019er-Ergebnis sehr weit weg", so der Reise-Experte. Sein Haus, das in der Oberpfalz 30 Mitarbeiter beschäftige, habe auch Kurzarbeit und die staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen müssen. Trotz der ausbleibenden Einnahmen sei aber die Arbeit mit Stornierungen und komplizierten Hilfsanträgen fürs Personal nicht weniger geworden. Hans-Jürgen Kästl ist überzeugt, dass man auch in diesen komplizierten Zeiten reisen kann, solange man die gleichen Regeln wie zu Hause beachtet. Er verweist am SRZ-Telefon abschließend auf "dramatische Umsatzverluste" und auch die Aussichten seien seiner Meinung nach alles andere als gut. "Wir kommen sicher nicht in 2021 auf das 19er-Niveau. Und es muss besser werden, sonst stirbt die ganze Branche."
Reisebüro Richthammer
Schwer getroffen hat die Corona-Krise auch das im Bahnhof langjährig beheimatete Reisebüro Richthammer. Inhaberin Nicole Stahl nennt für ihren Betrieb fast eine direkte Abhängigkeit vom Zugverkehr. "Als dieser praktisch von Mitte März bis Ende April nicht mehr lief, haben wir unser Büro vorübergehend schließen müssen. Ab Mai waren wir dann tageweise wieder da, jetzt sind wir fast im Regelbetrieb." Wegen der Einnahmenverluste musste sich der Mann der Betreiberin einen neuen Arbeitsplatz suchen, auch eine Teilzeitkraft konnte nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Seit Juni gebe es wieder einige Buchungen bei Städtereisen, aber insgesamt sei die Nachfrage noch sehr verhalten. "Wir sind etwa bei einem Viertel des Vorjahreswertes", schildert Nicole Stahl ihre Lage.
Reisebüro Kästl
Die drastischste Entscheidung in der örtlichen Reise-Branche musste wohl Alexandra Kästl-Weiß treffen, indem sie ihr Büro zum 30. Juni für immer zusperrte. Für die erfahrene Touristikerin ein schwerer Schritt, zog ihr TUI-Reisecenter doch erst vor drei Jahren vom Stammsitz des Familienunternehmens in der Rosenberger Straße in Räumlichkeiten an der Bayreuther Straße. "Ich bin tatsächlich ein Opfer der Corona-Krise. Als alle gebuchten Reisen für die Pfingstferien abgesagt wurden und viele weitere Buchungen zurückgingen, blieb mir nur noch der Schritt zur Schließung. Eine tragfähige Geschäftsführung war wegen der ausbleibenden Einnahmen nicht mehr möglich", so Kästl-Weiß. Was sie trotz der Misere freut, ist die Tatsache, dass ihr Azubi noch seine Ausbildung unter ihrer Obhut beenden konnte. Weitere Beschäftigte waren nicht betroffen. Bei der staatlichen Unterstützung sieht sie Defizite, da hätte ihrer Ansicht nach einiges besser laufen können. Alexandra Kästl-Weiß hat mittlerweile einen neuen Arbeitgeber gefunden und kann sich nicht vorstellen, noch einmal in die Reisebranche zurückzukehren.
Reisebüro Bruckner
Ein richtiges Auf und Ab erlebt seit Wochen Peter Bruckner, Inhaber des gleichnamigen Busunternehmens, dem auch ein Reisebüro angeschlossen ist. Geht es in die Ferne, sind es bei ihm stets Busreisen - im Programm sind unter anderem Tages- und Mehrtagefahrten, Städte- oder Skireisen. Hier kam es nach Bruckners Angaben ab Mitte März zu den ersten Stornierungen, was bis heute anhält. "Unsere Partner, Vereine und Reiseleiter wollen einfach das Risiko nicht eingehen", so der Busunternehmer. Von einer Fachtagung seiner Branche berichtet er, dass Kollegen, die ihren Fahrten-Betrieb wieder etwas hochgefahren hätten, schon wieder zurückrudern. Probleme bereite neben der Zurückhaltung der Passagiere, vor allem auch das Thema Abstand, das rentable Fahrten schnell unmöglich mache. Erste Versuche wagt Peter Bruckner aktuell mit einem Angebot im Pustertal und einer Fahrt nach Prag.
"Ansonsten konnten wir die Krise abgesehen von einigen Blessuren einigermaßen meistern. Wir haben Überstunden bei den Fahrern abgebaut und lediglich im Büro Kurzarbeit eingesetzt. Unser Gemischt-Verkehr mit Schulbussen und Linie war auch hier unser Hauptstandbein. Dazu kamen auch verschiedene Hilfen und beim Diesel haben wir natürlich so ebenfalls gespart", sagt Bruckner. Er berichtet von Plänen fürs Weihnachtsgeschäft und freut sich auf die Rückkehr der Kunden, die alle ohne Stornokosten von den Buchungen zurücktreten konnten.
Branchenumfrage des Reiseverbandes DRV
- Lage: Weiterhin sehr angespannt, viele sprechen sogar von Existenzbedrohung
- Umsätze: Viele Büros verzeichnen weniger als 25 Prozent des Vorjahresumsatzes
- Staatliche Hilfen: Zum Überleben der Branche für 92 Prozent als Sofort- oder Überbrückungshilfe unverzichtbar
- Kurzarbeit: 80 Prozent der Betriebe haben Kurzarbeit beantragt und müssen das auch 2021 tun.
















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