Sulzbach-Rosenberg
08.05.2023 - 12:41 Uhr

SURO 2030 veranstaltet ein Forum zum Thema "Armut in Sulzbach-Rosenberg"

Armut im reichen Land: Wie sieht die aus? Was sind ihre häufigsten Ursachen? Und was kann man lokal und regional dagegen machen? Darüber diskutierte SURO 2030 mit Interessierten in einem Offenen Forum.

Ein bunt gemischtes Häufchen hatte sich da im Capitol in Sulzbach-Rosenberg versammelt: Mitglieder der Liste SURO 2030, Stadträte aus anderen Fraktionen, Gewerkschafter, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter verschiedener sozial engagierter Vereine und Institutionen. Auf dem Podium saßen mit Tim Saborowski (Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit, KASA), Bernhard Saurenbach (Tafel Amberg) und Stefan Dietl (Gewerkschaft Verdi) Experten, die das Thema Armut aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten konnten. Die Moderation übernahm Katrin Birner (SURO 2030). "Armut spielt in der öffentlichen Debatte selten eine Rolle - das Thema ist schambesetzt", stellte Dietl zu Beginn fest. Dabei sei die Armutsquote (die Zahl der Menschen, die weniger als 60 Prozent des statistischen Durchschnittseinkommens haben) im Jahre 2022 in Deutschland auf einen historischen Höchststand von 16,9 Prozent gestiegen. Gleichzeitig hätten die großen Unternehmen Rekordgewinne eingefahren. Bei Frauen sei die Armutsquote zwei Prozentpunkte höher als bei Männern, bei Rentnerinnen liege sie bei über 20 Prozent.

"Das Gesicht der Armut ist weiblich", bestätigte auch Saborowski. Er schilderte erschütternde Einzelschicksale, die ihm in seiner Tätigkeit bei der KASA begegnet sind. Die KASA ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Sie ist häufig der letzte Anlaufpunkt für Menschen, die buchstäblich hungern und frieren. Das sind beispielsweise alleinerziehende Mütter, die keine Kinderbetreuung finden und deshalb nicht regelmäßig arbeiten können. Selbst nach Eröffnung der neuen Tagesstätte am Sportpark wird es in Sulzbach-Rosenberg noch 90 Kita-Plätze zu wenig geben. Das Hauptproblem ist aus Saborowskis Sicht aber der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Arbeitsagentur finanziert Mieten nur bis zu einer Höhe von etwa sieben Euro pro Quadratmeter - der übliche Mietzins in Sulzbach-Rosenberg liege aber inzwischen bei zehn Euro. Da sei es verheerend, dass von den 688 Wohnungen mit Sozialbindung, die in der Stadt vorhanden oder im Bau seien, nicht weniger als 158 innerhalb der nächsten fünf Jahre aus der Sozialbindung herausfallen, wie aus der Antwort einer Anfrage von SURO 2030 im Stadtrat vom 25. April hervorgeht.

Bernhard Saurenbach (Tafel Amberg) erläuterte, dass sich die Zahl der Haushalte, die die Tafel mit Lebensmitteln versorgt, in den vergangenen drei Jahren von 600 auf 1250 Haushalte mit etwa 3000 Personen erhöht habe. Gleichzeitig sei die Beschaffung von Lebensmitteln immer schwieriger geworden. Dass nur 30 Prozent der Berechtigen weitergehende Leistungen beantragen, führte Saurenbach nicht nur auf Scham zurück: "Die Beantragung von Leistungen ist inzwischen so kompliziert geworden, dass die Betroffenen einfach aufgeben."

Die Diskussion konzentrierte sich auf die Frage, was auf kommunaler Ebene gegen die Armut getan werden könne. Dietl stellte dazu konkrete Forderungen auf: 1. Ein jährlicher Sozialbericht, der die Armut sichtbar macht. 2. Ein Sozialbeirat, der die Wohlfahrtsverbände, karitative Einrichtungen und andere Beteiligte zusammenbringt, um die Stadtverwaltung zu beraten. 3. Mehr Öffentlichkeitsarbeit für Maßnahmen wie den Stadtpass. 4. Ausbau der Infrastruktur, insbesondere eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft. 5. Verpflichtende Sozialabschätzung aller Entscheidungen von Stadtrat und Verwaltung.

Bus-Shuttle nach Amberg

Die Ursachen der Armut, da waren sich die meisten Diskussionsteilnehmer einig, liegen überwiegend außerhalb des Einflussbereichs einer Kommune oder eines Landkreises: Nord-Süd-Gegensatz, Migration, nicht ausreichende Grundsicherung, bürokratische Antragsverfahren. Lokale Maßnahmen können aber wenigstens die Folgen lindern. Saurenbach berichtete über einen Vorschlag, einen kostenlosen wöchentlichen Bus-Shuttle von Sulzbach-Rosenberg nach Amberg zur Tafel einzurichten. Dies würde 520 Euro im Monat kosten. Der Vorschlag sei im Stadtrat eingebracht worden, aber danach versandet. Für viele Alleinstehende sei schon die regelmäßige Busfahrt nach Amberg nicht zu finanzieren.

Stadtrat Ralf Volkert versprach, bei der Verwaltung nachzuhaken, was aus dem Bus-Shuttle geworden sei. Er warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen. Die finanziellen Spielräume der Stadt seien derzeit sehr klein und eine drohende Zwangsverwaltung müsse unbedingt vermieden werden, weil dann selbst das, was die Stadt derzeit leisten könne, verloren gehe. Kreisrat Martin Pöllath wies darauf hin, dass der derzeitige Rekord-Kreishaushalt nicht nur mit Rekord-Einnahmen sondern auch mit Rekord-Ausgaben verbunden sei. Elke Wolfsteiner (Diakonie) ergänzte, dass ein großer Teil des Kreishaushalts für Maßnahmen der Jugendhilfe ausgegeben werde, was häufig auch der Armutsbekämpfung diene. Ganz praktisch ging Kurt Falk, 2. Vorsitzender der Initiative "MEINE", an das Thema heran. Er schnappte sich einen Brotkorb und ging von Tisch zu Tisch, um Spenden für die Tafel zu sammeln. Am Ende konnte er Saurenbach mehrere hundert Euro übergeben.

Info:

Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) in Sulzbach-Rosenberg

  • Ziel: Beratung von Menschen aus Sulzbach-Rosenberg und dem Landkreis Amberg-Sulzbach in existenziellen Notlagen, z.B. Familien, die wochenlang ohne Strom leben müssen oder sich und ihre Kinder nicht mehr ernähren können.
  • Kunden: 40 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund, 30 Prozent alleinerziehende Eltern. Rest: Rentner oder Arbeitnehmer, die von ihrem Einkommen nicht leben können und Anspruch auf ergänzende Leistungen haben
  • Träger: Diakonisches Werk im Dekanatsbezirk Sulzbach-Rosenberg
  • Leistungen: Hilfe bei Antragstellungen, Sozialberatung, Soforthilfe (Lebensmittel, kleine Geldbeträge) und weitere
  • Mitarbeiter: 1,5 Vollzeitstellen
  • Zahl der Hilfesuchenden: 605 pro Jahr (2022) mit insgesamt ca. 600 weiteren Angehörigen, Tendenz steigend
  • Finanzierung: Ausschließlich Mittel der Evangelischen Landeskirche Bayern und Spenden
  • Spendenkonto: Sparkasse Amberg-Sulzbach DE44 7525 0000 0380 1038 04
  • Kontakt: Pfarrplatz 5, 92237 Sulzbach-Rosenberg, Tel. 09661/ 87770-200
  • Information im Internet: www.diakonie-suro.de
 
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