"Ich bin jeden Tag auf meiner Dreisessel-Wanderung unterwegs", sagt Ludwig Wolfrum. Damit meint er nicht das Gebiet um den Dreisessel-Massiv im Bayerischen Wald. Seine drei Sessel sind in seiner Wohnung in der Mähringer Straße verteilt. In einem liest er akribisch den "Neuen Tag" - von vorne bis hinten, inklusive Anzeigen. Ein weiterer dient zum Fernsehen. Politik und Sport sind es, was den immer noch rüstigen Jubilar dabei interessiert. Beim Fußball bevorzugt er keinen Verein, "der beste soll gewinnen". Elfmeterschießen mag er nicht, da sei zu viel Zufall im Spiel und es zeige nicht die eigentliche Leistung.
Sessel Nummer drei ist der Stuhl am Esstisch, wo er seine selbst zubereiteten Speisen einnimmt. Am liebsten Spargel mit Butterkartoffeln und einem Gläschen Wein. Auch seine Wäsche wäscht Ludwig Wolfrum immer noch selbst.
Parteibuch seit 1956
Vor 30 Jahren, am 30. April 1990, hat der Jubilar seine politische Karriere als Bürgermeister beendet. 1972 kam er für die CSU in den Stadtrat, sein Parteibuch geht zurück auf 1956. Im Jahr 1974 war er bereits zweiter Bürgermeister, von 1978 bis 1990 Bürgermeister der Stadt Tirschenreuth. Mit 65 Jahren konnte er nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren. Auch im hohen Alter verfolgt Wolfrum aufmerksam das politische Geschehen in der Kreisstadt und die Regionalpolitik. Grundsätzlich sei er sehr mit dem zufrieden, was der aktuelle Amtsinhaber Franz Stahl auf die Beine stelle. Nur zwei Sachen gefallen ihm nicht. "Die getäfelte Mauer am historischen Gewölbeteil der Fronfeste in der Regensburger Straße, die sieht mir viel zu wenig alt aus." Die geplanten und teilweise schon im Bau befindlichen begrünten Bachläufe im Rahmen der Stadtgestaltung mag er ebenfalls nicht. "Weil es da riecht, wenn es über längere Strecken heiß ist und das Wasser verdunstet", antwortet er auf das "warum".
Zu seiner aktiven Zeit seien Genehmigungsverfahren und Zuschusszusagen viel schwieriger zu erreichen gewesen, als das heute der Fall sei. "Alles war komplizierter." Wolfrums Karriere begann fast zeitgleich mit der Hamm-Pleite. "Wäre die Firma verloren gegangen, wäre das ein Schock für Tirschenreuth gewesen, hätten wir gar nichts gehabt. Wir reisten viel durch ganz Deutschland, um die Verantwortlichen zu überzeugen, dass Tirschenreuth als Standort funktionieren kann. Wir sollten Recht behalten, schaut man heute auf das Werk." Stolz ist er darauf, dass während seiner Regentschaft in Tirschenreuth, kurz vor Weihnachten 1980, die Kolping Berufshilfe etabliert werden konnte. "Wiesau und Mitterteich buhlten damals ebenfalls um die Gunst der Einrichtung." Was ihm weniger gefällt ist, dass 1978 das Tirschenreuther Finanzamt aufgelöst wurde.
Konventionelle Grundversorgung
Zu alternativen Energien sagt Wolfrum, "schön sind Windräder nicht, aber wir brauchen sie für die Energiewende. Er wünscht sich eine Grundversorgung mit herkömmlichen Energien in stationären Einrichtungen plus Wind- und Sonnenenergie, wenn das Verbrauchsspitzen erforderten. Besonders liegt ihm die Landwirtschaft am Herzen. "Wir müssen unbedingt aufpassen, dass die immer strenger werdenden Anforderungen auf höheren Ebenen nicht ins Uferlose laufen."
Geboren wurde Ludwig Wolfrum am 3. März 1925 in Tirschenreuth. Sein älterer Bruder Karl ist vor drei Jahren verstorben, seine 87-jährige Schwester lebt in einem Seniorenheim. Aus der Ehe mit seiner Frau Christine gingen drei Kinder hervor, Willi der tödlich verunglückt ist, Peter, der heute in Regensburg lebt und Tochter Christina, die in Tirschenreuth zu Hause ist. Vier Enkel, Jürgen, Christian, Kristin und Ann-Sophie sowie die Urenkelinnen Aurora (7 Monate) und Alma (2 Monate), sind heute der ganze Stolz von Ludwig Wolfrum.
Der Jubilar besuchte die Volksschule in Tirschenreuth, "wir waren 55 Kinder in der ersten Klasse", und danach vier Jahre die Realschule in Marktredwitz. Er und sein Bruder fuhren mit dem Zug nach Rawetz. "Für die Monatskarte zahlten wir damals gemeinsam 9,40 Reichsmark", erinnert sich Wolfrum.
Mit 15 Soldat geworden
Als er 15 Jahre alt war, rückte er im Oktober 1940 in der Heeresunteroffiziers-Berufsfachschule in Ettlingen bei Karlsruhe ein. Danach folgte bis 1942 die Infanterieausbildung in Amberg und Bad Bergzabern in Rheinland-Pfalz. Ab 1943 begann für den jungen Unteroffizier der Fronteinsatz im Osten. Dabei ging es nach Russland, Rumänien, Ungarn und in die Slowakei. Anfangs diente er bei der Radfahrschwadron und später bei der Artillerie.
Tägliche Tabakration
Im eisigen Winter 1944/45 ging es für ihn in der Weihnachtszeit über die Slowakei in das heutige Tschechien. Am 8. Mai 1945 geriet er zwischen Prag und Brünn in russische Gefangenschaft, die am 3. Juli 1947 endete. "Wir waren in der Landwirtschaft und in der Industrie in Iwanowo eingesetzt und wurden eigentlich ganz gut behandelt, fast regelmäßig verpflegt und bekamen unsere tägliche Tabakration. Trotzdem waren das zwei harte Jahre mit heißen Sommern und extrem kalten, langen Wintern.
Nach der Rückkehr übernahm Ludwig Wolfrum nach dem Tod seines Onkels den landwirtschaftlichen Betrieb vom Erbteil der Mutter in Hohenwald. Mit seiner Frau Christine, die er 1949 heiratete lebte er vom Kleinvieh, ein paar Schweinen und Rindern und vom Getreideanbau. Fast 70 Jahre waren die beiden verheiratet als im Mai 2019 Christine Wolfrum verstarb. Ein schwerer Schlag für den Altbürgermeister.
Bauer war aber nicht das, was Wolfrum wirklich wollte. "Ich wollte immer Gastwirt werden oder in die Finanzverwaltung." Letzteres klappte mit der Einstellung am 25. Februar 1953 in Tirschenreuth. Auch heute noch ist Ludwig Wolfrum Mitglied in vielen Vereinen, unter anderem seit rund 40 Jahren beim FC und ATSV, bei den Schützen, beim Heimatkreis Plan-Weseritz, bei der KAB und bei der Feuerwehr. Seit etwa 30 Jahren ist er beim Tierschutzverein und im Obst-und Gartenbauverein. Dem MSC gehört er seit 50 Jahren an. Im Männergesangverein und in der Kolpingsfamilie ist er Ehrenmitglied,
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