"Ich kann eine Bestandsgarantie für dieses Amtsgericht abgeben. Überlegungen zu einer Auflösung gibt es überhaupt nicht", erklärt Dickert schon zu Beginn des Pressegesprächs ungefragt. Ein weiteres Stichwort, das immer wieder bei solchen Terminen fällt, ist die Droge Crystal Meth. Bis zu ein Drittel der jährlich rund 300 Strafsachen sind beim Amtsgericht Tirschenreuth Delikte im Bereich Betäubungsmittel.
"Das ist auf konstant hohem Niveau", weiß Amtsgerichtsdirektor Thomas Weiß. Momentan steige die Fallzahl sogar. Der Jurist führt dies auf verstärkte Kontrollen durch die Polizei zurück. "Hier sind wir gefordert, hart durchzugreifen. Es geht um den Schutz der Jugend", macht der OLG-Präsident deutlich. Dabei hat er vor allem die Dealer im Visier.
Immer öfter muss sich das Amtsgericht auch mit Schadensersatzklagen nach Verkehrsunfällen in Tschechien, bei denen deutsche Autofahrer beteiligt waren, auseinandersetzen. Die Zahl beziffert Weiß auf bis zu zehn Fälle im Jahr. In diesem Zusammenhang lobt er die Zusammenarbeit mit dem Partnerschaftsgericht in Tachov. Wobei Richter Peter Neuner von solchen Klagen eher abrät. "Das ist ein sehr kompliziertes Verfahren."
Alles hänge von den Gutachten ab, die aus dem Nachbarland eingeholt werden müssen. Schließlich wird tschechisches Recht angewendet. "Das kostet sehr viel Geld. Ich würde das keinem empfehlen", so Neuner. Er rät, eher in Tschechien zu klagen. Als weiteres Thema spricht der Gast die Digitalisierung in der Justiz an: "Das müssen wir vorantreiben." Dabei verweist er auf die Umstellung auf elektronische Akten. Zudem gibt es mittlerweile in Weiden eine Videokonferenz-Anlage, die beispielsweise bei Zeugenbefragungen benutzt werden kann. In den nächsten Jahren werden alle Gerichte im Freistaat damit ausgerüstet.
Neuer Aufzug
Außerdem spricht Reinhard Dotzauer, Geschäftsleiter des Amtsgerichts, noch die Nachwuchsgewinnung in der Justiz an: "Die liegt uns am Herzen." Daher sind die Tirschenreuther auch auf vielen Ausbildungsmessen vertreten. Laut Dickert ist es im Nürnberger Raum wegen der Bezahlung - Richter ausgeschlossen - schon schwieriger, Nachwuchs zu finden. Den Wunsch von Dotzauer nach einen eigenen Messestand notiert sich der OLG-Präsident. Nicht fehlen darf bei einem Besuch im Stiftland der Blick auf das im Jahr 1219 errichtete Gebäude im Fischhofpark. Es ist laut Dickert wahrscheinlich das älteste, welches die Justiz in Bayern nutzt. Seit 1804 ist es mit nur einer kurzen Unterbrechung nach dem Zweiten Weltkrieg Gerichtssitz.
Bezogen auf das Einzugsgebiet hat Tirschenreuth das kleinste Amtsgericht in Bayern. Der Freistaat hat in den vergangenen zehn Jahren rund zwei Millionen Euro in den Standort investiert. Die größte Summe waren 800 000 Euro für die Fischhofbrücke. Für die nächsten Jahre kündigt der Präsident zusätzlich 200 000 Euro für die Barrierefreiheit (Aufzug und Toiletten) an. "Das sollte in überschaubarer Zeit gemacht werden." Zudem stehen Brandschutzmaßnahmen an.
Insgesamt stellt Dickert dem Standort ein sehr gutes Zeugnis aus. Für Zivilsachen brauchen die Tirschenreuther wie im Landesschnitt 4,1 Monate. Bei Familiensachen (4,3 Monate, Landesschnitt: 4,9) und Strafverfahren (2,2 statt 2,9) sind sie sogar schneller. "Wir haben ein sehr engagiertes Team und es geht familiär bei uns zu", sagt Weiß dazu. Er verweist darauf, dass es auch nach der Auflösung der Zweigstelle Kemnath im Jahr 2015 weiterhin dort zwei Sprechzeiten in der Woche gibt.
596 Strafbefehle
Zum Amtsgericht Tirschenreuth legt Dickert noch weitere Zahlen vor. Dort sind 42 Personen beschäftigt, darunter 5 Richter, 9 Rechtspfleger, 12 Justizfachwirte, 6 Angestellte, 3 Gerichtsvollzieher und 3 Justizwachmeister. In Ausbildung befinden sich 4 Justizsekretäre. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter ist in Teilzeit tätig. "Die Besonderheit bei uns ist, dass die Mitarbeiter an einem so kleinen Gericht sehr flexibel sein müssen", streicht Verwaltungsmitarbeiterin Gudrun Stelzl heraus.
2017 gingen 446 Zivilverfahren neu ein, beim Familiengericht wurden 464 Neueingänge anhängig. Im Strafsektor gab es 209 neue Strafverfahren beim Strafrichter beziehungsweise Schöffengericht sowie 79 Strafverfahren beim Jugendrichter und Jugendschöffengericht. Hinzu kamen 596 Strafbefehle und 152 Ordnungswidrigkeitenverfahren.
Im Betreuungsgericht wurden in 217 Fällen neue Betreuungen angeordnet. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 945 Betreuungsverfahren und 1178 Nachlassverfahren anhängig. Und im Grundbuchamt wurden 1926 Eigentumswechsel, 24 Wohnungseigentumsbegründungen und 3480 Belastungen, wie etwa Grundschulden oder Hypotheken, eingetragen.
"Ich bin stark in der Oberpfalz verwurzelt", stellt sich Oberlandesgerichtspräsident Dr. Thomas Dickert in der Kreisstadt vor. Er ist gebürtiger Regensburger und wuchs in Deggendorf auf. Zum Studium kehrte Dickert in die Domstadt zurück. Zuletzt war er Abteilungsleiter im Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Seit April ist der Jurist Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg. Es ist das zweitgrößte Oberlandesgericht in Bayern. Der 60-Jährige ist für 5 Landgerichte und 17 Amtsgerichte zuständig. Seine räumliche Zuständigkeit umfasst die Regierungsbezirke Mittelfranken und Oberpfalz sowie zwei Amtsgerichtsbezirke aus Niederbayern (Kelheim und Straubing) mit insgesamt 497 Gemeinden, 16 Landkreisen und 9 kreisfreien Städten.
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