Stressfreies Fahren durch den Landkreis, völlig entspannt am Arbeitsplatz ankommen oder sorgenfrei beim Zoigl eine Maß Bier trinken: Das klappt im Landkreis Tirschenreuth ganz gut, dank dem "Baxi". Und wenn sich die Akzeptanz positiv weiterentwickelt, entlastet dieses praktische Anrufbussystem eines Tages vielleicht sogar einen Teil des normalen Pkw-Verkehrs. Die Idee ist damit eine Chance für den gesamten "ländlichen Raum" der Oberpfalz. Warum, das erklärt Peter Zimmert.
Der langjährige Mitarbeiter am Tirschenreuther Landratsamt und Leiter der Abteilung ÖPNV hat lange daran gearbeitet, den Weg fürs sogenannte "Baxi" als "Halbbus-Halbtaxi-Mutation" und Alternative zum starren Linienbus zu ebnen. Ab März 2014 machte es ein Fünf-Jahres-Förderprogramm möglich, das Pilotprojekt zu finanzieren. Inzwischen wurde das "Baxi" ein wenig zum geflügelten Wort. Geflügelt deshalb, weil es den Bürgern tatsächlich "Flügel verleiht". Individueller kommt man höchstens mit dem eigenen Pkw von A nach B.
Besonders gerne ‒ aber nicht nur ‒ machen Senioren vom "Baxi" Gebrauch. Sie lassen sich etwa zum Arzt fahren oder zum Supermarkt, ohne wieder einmal den privaten Fahrdienst um Hilfe bitten zu müssen. Das gibt im Alter ein Stück Freiheit zurück. Ernst Stöckl aus Bärnau, 67 Jahre alt, nutzt es gerne. "Es ist billiger", nennt Stöckl nur ein Argument, warum er seit zwei Jahren mit dem "Baxi" regelmäßig nach Tirschenreuth zum Einkaufen, zum Arzt oder aufs Amt fährt. Stöckl hat einen Schwerbehindertenausweis, was ihm eine noch günstigere Beförderung ermöglicht. Dabei ist das "Baxi" eh nicht teuer. Eine "Baxi-Fahrt" kostet so viel wie eine normale Busfahrt, dabei genießt man die Vorzüge eines Taxis.
"Mobilität ist ein wichtiger Standortfaktor", betont Peter Zimmert. Der ÖPNV-Fachmann nennt hier Firmenansiedlungen. Unternehmer würden das für ihre Arbeiter erwarten. Und Zimmert denkt an die Freizeit. "Es gibt bereits ein ,Zoigl-Baxi' für Mitterteich und ein ,Kino-Baxi' nach Tirschenreuth", erzählt er stolz. Angedacht seien ein "Pendler-Baxi" für Firmen sowie weitere "Freizeit-Baxis". Dabei gilt für alle Fahrten: Einstieg ist an einer öffentlichen "Baxi"-Haltestelle, aussteigen kann jeder, wo er möchte. Ich steige also in Tirschenreuth, sagen wir beim Schmeller-Denkmal, ein und steige aus, wo ich will? Toll. Wo gibt's denn sowas! Das ist Luxus pur. Oder doch nicht? Sind wir nur bescheidener als die Großstädter? Zimmert erklärt's. Man wolle wegkommen vom starren Buslinienprinzip, moderner werden. Nun gelte der Slogan "Wir richten uns nach den Wünschen der Bürger". Damit lehne man sich tatsächlich an die Großstädte an, die das längst hätten.
Ein wichtiger Nebeneffekt: Das "Baxi" schafft Arbeitsplätze. Marion Gradl zum Beispiel fährt seit eineinhalb Jahren "Baxi" ‒ im Auftrag eines Taxi-Unternehmens als Partner des ÖPNV. Gradl pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu vielen treuen Fahrgästen. Sie sorgt deswegen auch dafür, dass sich die "Baxi"-Philosophie verbreitet. Diesmal holt sie sich von Peter Zimmert Flyer fürs "E-Baxi". Die umweltfreundliche Elektro-Variante ist seit Oktober in Tirschenreuth und Kemnath unterwegs. Damit haben die beiden Städte im Grunde eine eigene "S-Bahn", nur auf Rädern statt auf Schienen. Zimmert schränkt ein, dass diese "E-Baxis" erst getestet würden. Er verweist auf die Fördermittel, was ihn ein wenig Sorgen macht, weil die Zukunft nicht gesichert sei.
Dabei interessieren sich immer mehr bayerische Landkreise für das "Baxi". Zimmert ist ständig unterwegs, um interessierten Landratsämtern in der Oberpfalz und darüber hinaus Tipps und Ratschläge für ähnliche Projekte zu geben. "Praktisch die ganze Oberpfalz hat sich über das System schon informiert", sagt Zimmert. Sicher einsteigen, sagt er, wollen im kommenden Jahr die Kreis Schwandorf und Neustadt/WN. Wichtig sei, dass der Freistaat das momentan zeitlich begrenzte Förderprogramm auf Dauer fortsetze. "Eine gesetzliche Grundlage würde nicht nur Planungssicherheit für uns, sondern auch für unsere Partner, die Verkehrsunternehmen, mit sich bringen", wünscht sich der ÖPNV-Fachmann, zumal das "Baxi" besser angenommen werde als gedacht. Und was rät Zimmert "Baxi"-Neulingen, die den "Baxi"-Vorzügen bisher nicht trauen? "Unbedingt ausprobieren!" Einzige Voraussetzung: "Melden Sie Ihre Fahrt rechtzeitig an", sagt Zimmert. So einfach ist das.
Hintergrund
Das "Baxi" wurde 2014 als Anrufsystem ins Leben gerufen. Im Landkreis Tirschenreuth wurden dafür 20 Linien eingerichtet, die von lokalen Taxi- und Mietwagenunternehmen bedient werden. Die Fahrzeuge fahren ‒ abhängig von der jeweiligen Linie ‒ zum Teil bereits ab 5 Uhr morgens und bis 22.30 Uhr. Monatlich nutzen inzwischen durchschnittlich 3500 Fahrgäste diese Art des Nahverkehrs. 2017 waren es insgesamt 42000 Fahrgäste. Tipp für alle, die in der Region wohnen: Das "E-Baxi", das seit Oktober in Tirschenreuth und Kemnath eingesetzt wird, fährt innerörtlich in Kemnath 71 und in Tirschenreuth 107 Haltestellen an, Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 18 Uhr im Stundentakt (außer um 13 Uhr). Am Samstag und an Sonn- und Feiertagen gilt ein reduzierter Fahrplan. Buchungen laufen wie beim "Baxi" über die "Fahrtwunschzentrale". Infos zum Thema Mobilität im Landkreis, Fahrpläne und Details zum "E-Baxi" und "Baxi" gibt es per Telefon 09631/ 79 29 899.
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