Gut 35 Prozent mehr Übernachtungen seit 2010, neue Highlights vom Geschichtspark Bärnau-Tachov bis zum Essbaren Wildpflanzenpark Waldeck und als Krönung im vergangenen Herbst der Bäderstatus für Neualbenreuth: Der Oberpfälzer Wald und besonders auch der Landkreis Tirschenreuth haben in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Erfolgsbilanz hingelegt. Bis das Coronavirus von einem Moment auf den anderen die ganze Branche in den Stillstand versetzte.
Seit Mitte März mussten Unterkünfte, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen geschlossen bleiben. Ganz aktuell dürfen zumindest wieder Gäste im Außenbereich bewirtet werden. Das Verständnis für die Notwendigkeit der Maßnahmen ist bei den betroffenen Betrieben groß. Die Gesundheit geht einfach vor, so der allgemeine Tenor. Über den enormen wirtschaftlichen Schaden kann das jedoch nicht hinwegtäuschen.
Kein regulärer Betrieb mehr
Seit etwa acht Wochen sind die Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen in Bayern nun für die touristische Nutzung geschlossen und werden das auch noch bis zum 29. Mai bleiben. Dass vereinzelte Geschäftsreisende, Monteure oder Berufspendler hier nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, zeigen die Zahlen für den Monat März, die das Bayerische Landesamt für Statistik bereits veröffentlicht hat, mehr als deutlich. Ab 17. März konnten die Betriebe keine aus privaten oder touristischen Zwecken reisenden Gäste mehr aufnehmen - den halben Monat herrschte also bereits kein regulärer Betrieb mehr.
Verluste bei nahezu 100 Prozent
Die gesamte Tourismusgemeinschaft Oberpfälzer Wald (bestehend aus den Landkreisen Tirschenreuth, Neustadt/WN und Schwandorf sowie der Stadt Weiden) verzeichnet im März 2020 ein Minus von 47,2 Prozent bei den Übernachtungen und sogar ein Defizit von 57 Prozent bei den Ankünften im Vergleich zum Vorjahresmonat, im Landkreis Tirschenreuth schlägt das Virus mit einem Minus von 36 Prozent bei den Übernachtungen und 53 Prozent weniger bei den Ankünften zu Buche. Auf Basis der März-Zahlen kann man also davon ausgehen, dass die Verluste im April und Mai bei nahezu 100 Prozent liegen werden.
Das Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald versucht, die Betriebe in der schwierigen Zeit zumindest etwas zu unterstützen. "Leider können wir gefühlt sehr wenig für unsere Betriebe tun - aber alles, was wir irgendwie beitragen können, dass sie ein kleines bisschen besser durch diese Krise kommen, haben wir getan", berichtet Stephanie Wenisch, Sachgebietsleiterin Tourismus am Landratsamt Tirschenreuth. Von Anfang an hat das Tourismuszentrum Informationsquellen und Hinweise zusammengestellt und verteilt - von rechtlichen Fragen bis zur Soforthilfe-Beantragung reichte das Themenspektrum. Damit die Region in der Zeit des Stillstands nicht aus den Köpfen der potenziellen Gäste verschwindet, wurde mit den "Oberpfälzer Glücksmomenten" eine Onlinekampagne gestartet, die ganz persönliche Einblicke in den Oberpfälzer Wald gibt: Gastgeber, Tourist-Infos und weitere Partner verraten, wie sie die schwierige Zeit verbringen und was sie gerade aufbaut - von der Vorfreude auf Lieblingsplätze bis hin zu Seelentröster-Rezepten.
Jetzt heißt es abwarten
Und seit sich mit den letzten Lockerungen auch eine Perspektive für den Tourismus abzeichnet, werden natürlich mit Hochdruck Marketingmaßnahmen für den Neustart vorbereitet. Ansonsten heißt es gerade wieder einmal: abwarten und Geduld haben. Denn es ist zwar mittlerweile bekannt, dass die Unterkünfte bei weiterhin positiver Entwicklung der Fallzahlen ab 30. Mai pünktlich zu den Pfingstferien wieder öffnen sollen - doch unter welchen Auflagen das passieren darf, ist bisher völlig unklar. Alle Beteiligten hoffen, dass es hier bald Informationen gibt.
Eines ist auf jeden Fall klar, stellt Wenisch fest: "Urlaub 2020 wird anders aussehen als sonst. Aber: Wenn wir uns mit einigen Regeln arrangieren, wird es dennoch vieles geben, was wir genießen können."
Unverschuldet in eine „wirtschaftlich existenzbedrohende Situation“
Die Betriebe in der hiesigen Tourismusbranche versuchen, trotz der aktuellen existenzbedrohenden Situation in die Zukunft zu blicken.
Gowerlhof: „Wir haben einiges in den Ferienhäusern erneuert“, berichtet Inhaberin Franziska Schedl. „Über den Winter ist es bei uns ruhiger, da machen wir das eigentlich immer, also zunächst war das schon noch zu verschmerzen. Aber dass wir über die Osterferien keine Gäste aufnehmen konnten, hat uns schon wehgetan!“ Für den Sommer ist Franziska Schedl vorsichtig optimistisch
für die Auslastung der „Urlaub auf dem Bauernhof“-Betriebe: „Unsere Hauptgäste sind Familien, die ja wohl ab 30. Mai wieder zusammen reisen können. Die Urlauber in den Ferienwohnungen versorgen sich im Regelfall sowieso selbst, und auch der Abstand ist auf den Bauernhöfen recht gut einzuhalten. Wir werden natürlich alles tun, um Auflagen und Hygienestandards einzuhalten.“
Kesselsimerhof: Deutlich zurückhaltender ist da Helga Köstler vom Kesslsimerhof in Bad Neualbenreuth mit ihren Erwartungen. Sie hat viele ältere Gäste – und die werden sicherlich nur sehr vorsichtig Urlaub planen. „Einige haben mich auch schon darauf angesprochen, was bei uns im Landkreis Tirschenreuth los ist, weil es ja so viele negative Berichterstattung über unsere Region gab. Das verunsichert die Leute. Ich sag ihnen dann immer, dass die Situation sich mittlerweile beruhigt hat.“ Außerdem hat in Bad Neualbenreuth das Sibyllenbad als Hauptanziehungspunkt noch geschlossen, was die örtlichen Betriebe natürlich spüren werden, meint Köstler.
Aribo-Hotel: Auch Harald Bruischütz, Direktor des Aribo-Hotels in Erbendorf, sieht sein Haus in extrem schweren Zeiten. Das Hotel hat neben dem Restaurant „Pier 28“ auch einen Wellnessbereich und großzügige Tagungsmöglichkeiten – also die ganze Bandbreite genau der Serviceleistungen, die aktuell nicht gestattet sind und zum Teil auch nach der voraussichtlichen Lockerung ab 30. Mai noch geschlossen bleiben werden. „Damit können wir unsere Kernzielgruppe weiterhin nicht bedienen“, erklärt Bruischütz.
Wirtschaftlich hat es den Betrieb dadurch besonders hart getroffen – die 30 Mitarbeiter sind bis auf weiteres in Kurzarbeit, da mit einer hohen Auslastung nicht so bald zu rechnen ist. Natürlich hat Bruischütz alle Möglichkeiten wie Soforthilfen und Steuerstundungen ausgeschöpft, um sein Hotel und sein Team durch die Krise zu bringen. Ab 30. Mai plant Bruischütz, Hotel und Restaurant wieder zu öffnen. Ganz besonders auch, um der Mitarbeiter willen – als Inklusionsbetrieb sieht man sich hier ganz besonders in der Verantwortung.
„Unser Betrieb ist unverschuldet in eine wirtschaftlich existenzbedrohende Situation gekommen“, betont Bruischütz. „Wir hoffen sehr auf weitere Unterstützung, denn die inklusiven Arbeitsplätze, die bei uns verloren gehen würden, sind nicht im Betrieb um die Ecke dann gleich wieder da.“
Schaden nicht nur durch Verluste der Unterkünfte
„Tourismus ist ein Wirtschaftsfaktor für unsere ganze Region“, erklärt Stephanie Wenisch, die auch das Tourismuszentrum Oberpfälzer Wald des Landkreises Tirschenreuth leitet. „Denn die Gäste schlafen ja nicht nur hier, sie gehen Essen, nutzen Freizeitangebote vom Museum über die Stadtführung bis zum Freibad, kaufen regionale Produkte als Souvenirs oder auch einfach mal beim Bäcker oder Metzger ein.“ Der wirtschaftliche Schaden durch die Betriebsschließungen im Tourismus geht also deutlich über die Verluste der Unterkünfte hinaus. So ganz genau beziffern lässt sich das freilich nicht – aber eine Hochrechnung ist durchaus möglich. 2015 hat die „dwif e.V. & dwif“-Consulting GmbH im Auftrag von IHK, Tourismusverband Ostbayern und Tourismusgemeinschaft für den Oberpfälzer Wald eine Studie zur touristischen Wertschöpfung in der Region erstellt. Dabei kam heraus, dass ein Übernachtungsgast im Schnitt 104,70 Euro pro Tag ausgibt – wohl gemerkt 2015, aktuell dürfte der Wert wohl schon höher liegen.
Auf dieser Basis sowie anhand der Übernachtungszahlen des Vorjahreszeitraums lassen sich einige Zahlen errechnen. Durch die Schließung der Unterkünfte von Mitte März bis Ende Mai fehlen im Oberpfälzer Wald inklusive der Stadt Weiden mindestens 247 000 Übernachtungen, den Betrieben im Landkreis Tirschenreuth entgehen knapp 83 000 Übernachtungen. Damit verliert die Gesamtregion 23,9 Millionen Euro, der Landkreis 8,1 Millionen Euro an Umsatz aus dem Tourismus. Hier fehlen jedoch noch die Übernachtungen der sogenannten Privatvermieter (Betriebe mit weniger als zehn Betten), die statistisch nicht erfasst werden – und die Umsätze, die die Tagesausflügler in der Region lassen. Rund 6 Millionen Tagesausflüge gibt es jedes Jahr im Oberpfälzer Wald (hier sind die Daten der Stadt Weiden nicht enthalten); jeder von ihnen gibt laut der 2015er-Studie etwa 20,90 Euro aus, so dass sich daraus nochmals ein Millionenbetrag ergibt.
Und genau wie in allen anderen Branchen, die das Coronavirus zum Pausieren zwingt, stecken hinter diesen nackten Zahlen Existenzen und Lebenswerke: Mitarbeiter, die in Kurzarbeit geschickt werden müssen, Investitionskredite, die nicht zurückgezahlt werden können und Betriebsinhaber, die kaum noch wissen, wie sie ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten sollen.
















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