Tirschenreuth
19.12.2019 - 18:31 Uhr

Junger Mann posiert mit Hakenkreuz-Fahne und SS-Rune

Im Hintergrund eine Hakenkreuz-Flagge und auf dem T-Shirt die SS-Rune: So posierte ein junger Mann aus dem westlichen Landkreis Tirschenreuth auf seinem Facebook-Profilbild. Daher musste er sich vor dem Jugendgericht verantworten.

Symbolbild Bild: dpa
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Der Zuschauerraum im Gerichtssaal war am Dienstagvormittag besser besetzt als sonst. Rund zehn Leute verfolgten den Prozess. Schließlich verurteilte Jugendrichter Wolfgang Höreth nach rund 90-minütiger Verhandlung den nicht vorbestraften 21-Jährigen zu einer 800-Euro-Geldstrafe. Zudem muss der gelernte Mauerer die Verfahrenskosten tragen.

Laut Anklageschrift verwendete der junge Mann das besagte Foto im Frühjahr 2018 als Titelbild bei Facebook. Es zeigte ihn vor dem Hintergrund einer großen Hakenkreuz-Flagge. Vor sich hielt er eine weitere Flagge, "die die auf seiner Brust deutlich erkennbare Doppelsigrune nur von unten zur Hälfte verdeckte". Er hatte das Bild im Wege einer Fotomontage erstellt.

Polizei durchsucht Haus

Bei einer Hausdurchsuchung im Oktober hatte die Polizei die Fahne sichergestellt. Zudem war der Angeklagte ohne waffenrechtliche Erlaubnis im Besitz einer Gewehrpatrone des Kalibers .50 BMG mit Vollmantelgeschoss. Ein Gutachten des bayerischen Landeskriminalamts brachte die Erkenntnis, "die Patrone funktionierte störungsfrei".

Die Anklage lautete auf Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie den unerlaubten Besitz von Munition. Anwalt Andreas Wölfel, der auch schon den Oberpfälzer Neonazi Patrick Schröder vertreten hat, räumte die Vorwürfe ein. Sein Mandant habe die Patrone vor Jahren schon von einem nahen Angehörigen erhalten. "Ihm war aber nicht bewusst, dass sie schussfähig ist." Es sei auch richtig, dass der Angeklagte ein solches Foto erstellt habe. Er habe das Bild auf Facebook gestellt und habe sich mit den Privatsphäre-Einstellungen noch nicht so gut ausgekannt. "Dadurch hat das Foto breitere Kreise gezogen." Der 21-Jährige "betrachtet das Verhalten als große Dummheit und wird so etwas nicht mehr machen", schloss Wölfel.

Als Zeuge trat ein 24-Jähriger auf. Er hatte die Polizeiinspektion Kemnath auf das Bild aufmerksam gemacht und Strafanzeige erstattet. "Die Fotos wurden mir gezeigt. Daraufhin bin ich zur Polizei gegangen", sagte der junge Mann aus dem westlichen Landkreis aus. Er hatte einen Screenshot von dem Bild den Beamten vorgelegt. Den Ausdruck habe ihm eine andere Person gegeben (Hintergrund).

Im Vorfeld der Verhandlung hatte der Angeklagte ein persönliches Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe führen müssen. Der Bericht zeichnete eine normal verlaufende Kinder- und Jugendzeit auf. Das Verhältnis zu seinen Familienangehörigen bezeichnete der 21-Jährige als "sehr gut". Die Jugendgerichtshilfe bilanzierte: "Er dürfte in der Lage sein, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden." Die Straftaten würden einen jugendtypischen Charakter erkennen lassen. Daher sollte das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen.

Für Staatsanwältin Jaclyn Zäch war der "ganze Vorgang eindeutig". Sie machte auch klar, dass der Angeklagte die Tat als Heranwachsender begangen hatte. Eigentlich würde daher Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden. Aber in diesem Fall sei es eine typische Jugendverfehlung gewesen. Die Juristin forderte eine Geldauflage von 800 Euro und das Tragen der Verfahrenskosten.

"Durch das Geständnis haben wir sicher eine pragmatische Lösung gefunden", meinte Anwalt Andreas Wölfel. Sein Mandant sei sich der Tragweite seines Tuns nicht bewusst gewesen. Der Rechtsanwalt sprach von einer jugendlichen Dummheit: "Ich sehe daher auch keinen Ausdruck politischer Aktivität." Zudem habe die Hausdurchsuchung bei dem 21-Jährigen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wölfel plädierte auf eine Geldauflage von 600 Euro und auf eine Befreiung von den Verfahrenskosten.

Jugendtypische Verfehlung

Schließlich schloss sich der Richter den Forderungen der Staatsanwältin an. Die 800 Euro muss der 21-Jährige an die Mitterteicher Tafel überweisen. Politisch wollte Höreth den Vorgang nicht werten: "Man kann sich seinen Teil dazu denken, welcher Gruppierung und politischen Gesinnung Sie nahestehen. Das möchte ich aber gar nicht einfließen lassen." Ein Profilbild einfach so rauszuhauen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, passiere immer wieder. Höreth sprach ebenfalls von einer jugendtypischen Verfehlung. Aus Gleichbehandlungsgründen müsse er dies wie bei jedem Heranwachsenden heranziehen. Daher komme er zur Jugendstrafe.

Der Jurist machte aber darauf aufmerksam, dass er als Jugendrichter immer wieder mit dem sehr laschen Umgang in sozialen Medien konfrontiert werde. Die jungen Leute würden sich keine Gedanken machen, was sie posten. Das Urteil ist rechtskräftig.

Hintergrund:

Ordnungsgeld und Beugehaft

(rti) Trotz Nachfrage des Anwalts Andreas Wölfel wollte der Zeuge den Namen der Person nicht öffentlich machen, die ihm den Ausdruck des Screenshots gegeben hatte. "Den Herren will ich zu seinem Schutz nicht nennen", erklärte der 24-Jährige. Lieber zahle er ein Ordnungsgeld. Nach einer Sitzungsunterbrechung machte Richter Höreth dem Zeugen deutlich, dass ihm noch weitere Konsequenzen drohen würden. Die Frage des Anwalts sei zulässig. Denn für die Strafbemessung spiele es schon eine Rolle, ob man die Bilder auf Facebook nur Freunden oder einer großen Öffentlichkeit zugänglich mache.

Die erste Stufe der "Eskalation" wäre das Verhängen eines Ordnungsgeldes über 150 Euro. Bei einem Fortsetzungstermin müsste der Zeuge die Kosten des Anwalts des Angeklagten tragen. Und danach wäre Beugehaft von bis zu sechs Monaten möglich. Das sei die "höchste Eskalationsstufe", so Höreth. Nach längerem Zögern und einem Telefonat mit der betroffenen Person nannte der 24-Jährige den Namen. Und er ergänzte, dass dieser aber nicht mit dem Angeklagten auf Facebook befreundet sei.

 
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