Fast 102 Millionen Euro: Über so einen Gesamtetat hat noch kein Tirschenreuther Kreistag entschieden. Nach knapp zwei Stunden waren alle Abstimmungen rund um den Haushalt erledigt. Nicht ohne kritische Anmerkungen, aber in relativer Harmonie angesichts der gewaltigen Aufgaben. Die Themen Realschulneubau in Kemnath, Sanierung der Sporthalle in Tirschenreuth und Erhalt der Krankenhäuser zogen sich als roter Faden durch die Sitzung.
Eine Premiere war die Tagung in der Erbendorfer Stadthalle. Die zweite Neuerung: Alle Anwesenden brachten einen aktuellen negativen Corona-Bescheid mit oder unterzogen sich an Ort und Stelle einem Schnelltest, wofür das BRK extra eine Station aufgebaut hatte. Außerdem kam erstmals eine Stoppuhr zum Einsatz, die künftig als sanfte Erinnerung bei allen längeren Reden und Referaten im Kreistag dienen soll. Beim ersten Einsatz stellte sich heraus, dass die vorgegebenen zehn Minuten pro Haushaltsrede kein Problem darstellten.
Landrat Roland Grillmeier kommentierte die umfangreichen Vorberatungen der Haushaltszahlen: "Der Landkreis investiert und stellt Weichen für die Zukunft." Er dankte allen dafür, die Steigerung der Kreisumlage um einen halben Prozentpunkt auf 45,5 mitzutragen.
Als größte Ausgabe im Vermögenshaushalt sind 7,6 Millionen Euro für die Realschule Kemnath verplant, die insgesamt 63,2 Millionen Euro kosten soll. "Wir kommen gut voran", lobte Grillmeier das neue Planerteam stellte sich den Baubeginn noch dieses Jahr vor. Bei der Sanierung der Dreifachhalle in Tirschenreuth – Gesamtkosten 10,8 Millionen Euro, dieses Jahr eingeplant 1 Million - habe sich die Neubetrachtung mit Abkehr vom Neubau gelohnt. So spare man 2,7 Millionen Euro. Für die finanzielle Sicherung der Kliniken AG seien 5 Millionen Euro eingeplant, damit wären die Sanierungsverpflichtungen erfüllt.
In seinem ersten Amtsjahr habe er einige Projekte angestoßen, die den Kreis in den nächsten Jahren begleiten würden. Hier nannte der Landrat die Neuaufstellung der Wirtschaftsförderung, Mittel für das Klimaschutz-Management, die Heimatstrategie mit Rückkehrer-Management und die Hausarztschmiede. Grillmeier dankte abschließend allen Bürgern, Firmen, Städten und Gemeinden für ihren Beitrag, all die Ausgaben auch schultern zu können. Sonderlob gab es für die Unterstützung bei der Corona-Krisenbewältigung und dafür, das Schiff Landkreis auf Kurs zu halten und neue Impulse zu setzen.
- CSU: Schlüssige Konzepte
"Unser Landrat entwickelt ein schlüssiges Projekt nach dem anderen", sagte CSU-Fraktionschef Bernd Sommer. Er könne sich an kein Jahr erinnern, in dem so viel angeschoben werde. Endlich gehe man auch das Hausarztproblem an. Bei den Kliniken werde Geld in die Hand genommen, um die Lage zu stabilisieren. Damit würden die Häuser im Landkreis erhalten, wenn auch der Verlust von Waldsassen schmerze. Bei der Digitalisierung habe man einen Turbo erlebt, lobte Sommer die Ausstattung der Schulen. Und die Realschule in Kemnath werde ein Vorzeigeprojekt, das auch noch in Jahrzehnten Bestand habe, prophezeite er.
"Das alles kostet viel Geld. Das geht nur über die hohe Umlagekraft der Kommunen", dankte der CSU-Sprecher gerade auch den kleinen Gemeinden für ihren Anteil. "Wir dürfen sie nicht auspressen." Oberste Maxime sei sparsames Wirtschaften. Alles in allem sei der Haushalt gewaltig, aber solide und stabil finanziert.
- FW: Aufsteigerregion
"Eine fast unglaubliche Summe, mit der sich viel bewegen lässt", kommentierte FW-Sprecher Hans Klupp das Haushaltsvolumen. Der Landkreis habe sich vom strukturschwachen Gebiet zur Aufsteigerregion entwickelt. Bildungsangebote für alle Begabungen zu schaffen, sei eine der wichtigsten Herausforderungen. Mit den Projekten Realschule, Turnhallensanierung und Neugestaltung der Berufsschul-Werkstätten werde man dieser Verpflichtung gerecht.
Die Bestellung eines Klimaschutzmanagers begrüßte Klupp. Insgesamt könne der Landkreis noch mehr für Biodiversität und Artenvielfalt tun. Unverzichtbar seien die Krankenhäuser und die Geriatrie: "Hochwertige Medizin in erreichbarer Nähe zum Wohnort ist Menschenrecht."
Sorge bereitete Klupp die hohe Verschuldung trotz großer Wirtschaftskraft. "Wir unterstützen deshalb die moderate Anhebung der Kreisumlage." Eine Diskussion um eine Senkung in den nächsten Jahren sei schwer verständlich. Das "süße Gift" zinsloser Kredite beschädige längerfristig die Handlungsfähigkeit des Landkreises und verlagere die Belastung auf nachfolgende Generationen.
- SPD: Hohe Neuverschuldung
Mit 48,8 Millionen Euro sei die Kreisumlage die Haupteinnahme des Landkreises, doch durch gestiegene Ausgaben etwa durch die Bezirksumlage bleibe kaum Spielraum, sagte Uli Roth (SPD). Die Aufgaben vor allem auf dem Bildungssektor seien nur mit einer hohen Neuverschuldung zu schultern. Mit 45,5 Punkten Kreisumlage liege der Landkreis an der Spitze in der Oberpfalz, gab er zu bedenken.
Gestiegen seien die Schulden auch durch massive finanzielle Verpflichtungen innerhalb der Kliniken AG. "Die Bevölkerung hat hier schwerste Bedenken, dass der Kahlschlag in der Fläche zu unseren Ungunsten weitergeht", bezog sich Roth auf die Schließung des Krankenhauses Waldsassen. Die Sanierung der AG dürfe nicht auf dem Rücken der Tarifbeschäftigten vorwiegend in den unteren Lohngruppen ausgetragen werden, appellierte der SPD-Fraktionschef an Landrat Grillmeier, sich in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender gegen die Auslagerung in eine Service-GmbH auszusprechen.
- Zukunftsliste: Volle Kraft voraus
"Die Liste Zukunft steht voll und ganz hinter dem Haushalt", betonte Matthias Grundler. Die Investitionen und die Neuverschuldung seien absolut vertretbar. Dennoch habe er bei manchen Diskussionen den Eindruck, Geld spiele keine Rolle, man könne es sich ja von den Kommunen holen: "Hier muss es ein klares Stoppschild geben." Landkreis und Gemeinden säßen in einem Boot, wobei die Kommunen die Ruderer seien. Der Aufwärtstrend in den einzelnen Orten sei nur möglich, wenn Luft bleibe, selbst zu investieren in Dinge wie Schulen und Kinderbetreuung.
Die Orientierung an Maß und Mitte gelte ebenso für den Landkreis. Man brauche auch für andere Schulen und Projekte Luft für Investitionen. Mit Blick auf die Ausstattung der Realschule verteidigte Grundler Entscheidungen, die "nicht ganz so sexy sind und auf Kritik stoßen". Insgesamt sah er den Landkreis auf einem guten Weg "volle Kraft voraus".
- Grüne: Krankenhäuser stärken
Ebenso wie alle anderen Fraktionen dankte Heidrun Schelzke-Deubzer (Grüne) dem Kreiskämmerer Klaus Pöllmann für die Ausarbeitung und umfangreiche Vorbesprechungen des Zahlenwerkes. "Der Haushalt steht auf festen Füßen und sollte den Landkreis mit der moderaten Erhöhung der Kreisumlage gut durch dieses Jahr tragen." Bei den Krankenhäusern gelte es, neben den Zuzahlungen in Millionenhöhe auch darauf zu achten, die Akzeptanz bei der eigenen Landkreisbevölkerung zu erhöhen. Es gelte, die Vorteile gegenüber Großkliniken zu nutzen.
Über die Besetzung einer Klimaschutzstelle freute sich die Grünen-Sprecherin ebenso wie über die Beraterin für Biodiversität, die geplante Hausarztschmiede und den ÖPNV-Ausbau. Mutig gehe der Landkreis auch den Bau der Realschule Kemnath an, wobei die Entwicklung der Schulden Sorgen bereite. Viele weitere Investitionen stünden an, die nicht auf die lange Bank geschoben werden könnten. Noch seien die Umlagezahlen vielversprechend, doch die Pandemie werde sich auf die Wirtschaftskraft wohl nicht förderlich auswirken.
Eckdaten des Kreishaushalts
Einige Eckdaten des Kreishaushalts 2021 (in Klammern die Veränderungen zum Vorjahr):
- Verwaltungshaushalt: 81,93 Millionen Euro (+3,03 Mio. Euro)
- Vermögenshaushalt: 19,8 Millionen Euro (+5,15 Mio. Euro)
- Gesamtvolumen: 101,74 Millionen Euro (+8,55 Mio. Euro)
- Kreisumlage: 48,82 Millionen Euro (+6,78 Mio. Euro)
- Schlüsselzuweisungen: 9,21 Millionen Euro (-2,96 Mio. Euro)
- Kreditaufnahme: 9,5 Millionen Euro (+5,1 Mio. Euro)
- Zuführung zum Vermögenshaushalt: 4,71 Millionen Euro (+264.550 Euro)
- Voraussichtliche Pro-Kopf-Verschuldung: 554 Euro (+141 Euro)
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