„Schön, dass du heute wieder da bist“, begrüßte Olga Luft herzlich Erna Häring, eine von acht Gästen im Erzählcafé. Die 97-jährige Tirschenreutherin ist gerngesehener Gast, weil sie manchmal ihre Gitarre mitbringt und zur Unterhaltung singt. Auch diesmal, als es um kulinarische Leckereien ging.
Ins Leben gerufen worden ist diese gut angenommene Veranstaltungsreihe von „Leben plus“ Geschäftsführerin Cornelia Stahl nach einer Idee der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Olga Luft. Sie habe etwas gegen die Einsamkeit während der Pandemie machen wollen, wie Olga Luft erklärte. Bei „Leben plus“ fand sie offene Türen.
Nicht nur Kaffeeklatsch
Ein Erzählcafé ist, wie der Name sagt, nicht nur ein Kaffeeklatsch. Die Gäste erzählen sich gegenseitig Geschichten, meist von früher. „Ich bin bespannt, wann wir den ersten Mann begrüßen können“, meinte Olga Luft jetzt lachend mit schweifendem Blick über die wieder komplette Damenrunde. Aus Platzgründen können nur acht Personen teilnehmen, eine sofortige Neuanmeldung nach dem Kaffeeklatsch ist nicht möglich. „Damit auch andere drankommen“, so Luft.
Die offizielle Begrüßung machte jetzt wieder Mitarbeiterin Janka Hannemann-Mathes, die deutlich jünger ist als die anderen in der Runde. Sie begeistere der reichhaltigen Schatz an Wissen, über den die Seniorinnen verfügen. „Lieblingsgerichte der Kindheit“ lautete diesmal das Thema, das Hannemann-Mathes sehr spannend finde, auch für ihre Küche.
Nachdem Kaffee und Kuchen verteilt waren, stimmte Erna Häring stimmt ein Lied an. „Mit der Zeit blühn‘ d’Hackstöck“ tröstete die 97-Jährige danach ihren nicht sehr motivierten Chor und nannte zur Erheiterung aller die anderen, jeweils über 70-jährigen anwesenden Frauen „junge Dinger“.
Rätselraten um Begriffe
Gleich das erste Lieblingsgericht gab Rätsel in der Runde auf. Reierbirzl, Reiberbirzl oder Reiwerbirzl? Wie jetzt? Maria Bitterer, eine gebürtige Mähringerin, bestand auf „Reierbirzl“ und erklärte, dass es sich um einen Hefeteig handelte, mit dem ihre Mutter entweder Zucker- oder Zwiebelkuchen gebacken habe. „Des woar wos Guads“, schwärmte Erna Häring. Der legendäre „Reiwadatschi“ dürfte weitgehend auch in der Gegenwart bekannt sein. Ihn gibt es „eingedeutscht“ als „Reibekuchen mit Apfelmus“ auf nahezu jedem Bürgerfest. „Jetzt schmeckt das alles nicht mehr wie in der Kindheit“, bedauerten die Frauen. Das liege an den kindlichen Wahrnehmungen, meinte Olga Luft. „Die Kinder sind stundenlang draußen herumgelaufen, die Männer haben auf den Feldern schwer gearbeitet. Das machte Hunger – und hungrig schmeckt alles besser.“
bhaftes Stimmengewirr geherrscht hatte, schlug die Moderatorin höflich mit den Löffel ans Glas und bat darum, wieder zuzuhören. In den Mittelpunkt rückten nun wöchentliche Speisepläne von damals und heute sowie einige Rezepte. Ursula Unger erklärte das Rezept „Sauerer Gockel“: Ein Hähnchen wird wie saure Bratwürste eingelegt, eineinhalb Stunden gekocht und am Ende mit Einbrenne und Rotwein aufgegossen. „Dazu Semmelknödel“, schwärmte Unger. Dieses Speise war wenig bekannt in der Runde, aber alle erinnerten sich an die „Milchsuppe mit Brot“, eine Lieblingsspeise aus der Kindheit von Olga Luft.
Der Wandel der Lebensmittel
Nudeln oder Reis kamen früher in Rezepten nicht vor – das gab es nicht. Ebenso keine in Plastik verpackten Lebensmittel, betonten die Frauen. Kaum zu glauben: In der relativ kurzen Zeit eines Menschenlebens habe sich der Lebensmittel-Bereich komplett gewandelt und tragen wegen sinnloser Verpackungen und Importen aus aller Welt zu den großen Umweltproblemen bei, sinnierten die Frauen. „Ich kaufe keine Erdbeeren zu dieser Jahreszeit“, machte die Moderatorin ihrem Unmut darüber Luft und erntete Zustimmung. Kartoffeln und Mehl, stellten die Seniorinnen fest, seien früher die Hauptzutaten gewesen. „Liwanzler“ nannte Erna Häring als Beispiel. Für eine Großfamilie nehme man ein Dreiviertelpfund Mehl, lauwarme Milch, Salz, Zucker, Eier, Fett für die Pfanne. Wieviel von allem? Keine Ahnung, Erna Häring wähle aus Erfahrung aus, ohne abzuwiegen, wie sie sagte. Mit Apfelmus, Zucker, Zimt oder Kompott sei diese Speise ein Gedicht. „Oder mit Vanillesoße“, schlug Olga Luft vor.
Zucker sei früher teure Mangelware gewesen, erinnerte sich Marlene Kuchenreuther. Er sei im Krieg rationiert worden und nur mit Lebensmittelkarte erhältlich gewesen. „Meine Mutter hat den Zucker versteckt vor uns Kindern. Einmal konnte ich mich nicht beherrschen und habe die ganze Dose aufgegessen.“ Schimpfen habe die Mutter nicht müssen – die Strafe sei schnell in Form schlimmer Bauchschmerzen gekommen. Ingrid Pickl, geboren in Tschechien, sprach die böhmische Küche an. „Ein Sonntag ohne böhmische Knödel war kein Sonntag“, meinte sie lachend. Hier schieden sich die Geister wegen der Rezeptur, wie auch bei den Schopperlern. Am Ende der lebhaften Erzählrunde gibt es vier unterschiedliche Varianten von Schopperlern.
Flugs war die Zeit verstrichen, Janka Hanne Hannemann-Mathes und Olga Luft mussten ihre Gesprächspartnerinnen schließlich verabschieden. Nicht ohne das Versprechen, später einmal die Rezepte auszutauschen.
Am Montag, 4. April, um 15 Uhr heißt es in den Räumen von Leben Plus "Fastenzeit früher und heute". Anmeldung unter Telefon: 09631/700 10 14.
Rezept für Liwanzen
- 350 Gramm Mehl
- ½ Liter Milch
- 1 Ei
- Salz und Zucker
- ½ Würfel Hefe
- us Hefe, etwas lauwarmer Milch und Zucker einen Vorteig machen und gehen lassen. Mit den restlichen Zutaten vermengen, wieder gehen lassen.
- In einer Pfanne mit etwas Öl runde Liwanzen backen. Mit Zucker und Zimt bestreuen. Dazu passen Apfelmus, Powidl oder Kompott
(Rezept von Regina Löffler, Vorsitzende des Heimatkreises Plan-Weseritz)
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