ONETZ: Herr Häfner, was macht denn nun eigentlich ein Betreuer?
Manfred Häfner: Wenn ein Mensch seine eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, zum Beispiel aufgrund einer schweren Krankheit oder einer Behinderung, kann das Amtsgericht einen Betreuer für diese Person bestellen. Betreuung heißt hier lediglich „rechtliche Vertretung“, nicht jedoch Versorgung und Pflege.
ONETZ: Und was fällt alles unter diesen Begriff „rechtliche Vertretung"?
Manfred Häfner: Dies sind beispielsweise die Bereiche Vermögenssorge, Gesundheitssorge, Vertretung bei Behörden, Versicherungen und Sozialleistungsträgern. Aber das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Im Endeffekt berät und entscheidet ein Betreuer genau in den Rechtsbereichen, die vom Betreuungsgericht festgelegt werden.
ONETZ: Das klingt nach viel Arbeit, die zudem nicht ganz einfach ist. Wird es denn entsprechend entlohnt?
Manfred Häfner: Grundsätzlich ist das Betreuungssystem auf ehrenamtliche Betreuungsführung ausgerichtet. Als Aufwandspauschale für ehrenamtlich Tätige gibt es eine Vergütung von 425 Euro im Jahr. Das ist natürlich sehr wenig, soll aber wegen des Ehrenamtcharakters auch nur eine Anerkennung sein.
ONETZ: Aber ist bei der Betreuersuche nicht ein Mitglied der eigenen Familie die erste Wahl?
Manfred Häfner: Das sollte so sein. Allerdings haben sich die traditionellen Familienbande vielfach gelöst oder gar aufgelöst: Die Betroffenen leben alleine, die Familienmitglieder sind weit verstreut, selbst beruflich oder persönlich stark belastet und froh, mit sich und den eigenen Belangen zurecht zu kommen. Manchmal wollen Familienmitglieder eine Betreuung auch einfach nicht übernehmen, um innerfamiliäre Konflikte zu vermeiden.
ONETZ: Gibt es denn eine Alternative zur ehrenamtlichen Betreuung?
Manfred Häfner: Die Bestellung von beruflich tätigen, bei einem Verein angestellten oder selbständig tätigen Betreuern sollte zwar immer nur die Ausnahme sein. Jedoch müssen wir immer wieder auf diese Betreuer zurückgreifen, weil keine geeigneten ehrenamtlichen Betreuer zur Verfügung stehen. Diese beruflichen Betreuer sind meist fachlich sehr gut qualifiziert, häufig handelt es sich dabei um angestellte oder selbständige Sozialpädagogen, jedoch auch Inhaber anderer Berufe. Aber auch hier machen wir uns um ausreichenden und geeigneten Nachwuchs große Sorgen.
ONETZ: Und warum gibt es dieses Defizit?
Manfred Häfner: Zum einen trifft uns natürlich der generelle Fachkräftemangel im Bereich der Sozial- und Erziehungsberufe sowie die steigenden Lebenshaltungs- und Energiepreise. Zum anderen verschlechtert sich seit Jahrzehnten die Vergütung dieser Betreuer im Vergleich zur allgemeinen Einkommensentwicklung und der steigenden Lebenshaltungs- und Sachkosten. Die Tätigkeit ist finanziell einfach nicht mehr attraktiv, nicht selten müssen berufliche Betreuer sehr herausfordernde Klienten übernehmen. Und die Problemlagen werden dabei immer komplexer.
ONETZ: Was machen Sie, wenn sich niemand findet, der die Betreuung für eine Person übernimmt?
Manfred Häfner: Wenn wir dem Gericht keinen Betreuer vorschlagen können, bleibt dem Gericht nichts anderes übrig, als unsere Behörde als Betreuer zu bestellen. Dies ist bisher noch nicht geschehen, aber schon für die nähere Zukunft ist das nicht mehr kategorisch auszuschließen und würde bei uns eine Personalmehrung erfordern.
ONETZ: Wie sehen Sie die Zukunft?
Manfred Häfner: Es wird in Zukunft – auch wegen der Babyboomer-Generation – noch mehr Menschen geben, die eine Betreuung benötigen. Einerseits gibt es zwar die im Grundgesetz verankerte Fürsorgepflicht des Staates – er muss das Wohlergehen seiner Bürger gewährleisten – und wir alle wünschen uns diesbezüglich auch einen hohen Standard. Andererseits aber fehlt es zunehmend an den hierfür erforderlichen personellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die der Bund zur Verfügung stellen müsste. Und leider ist es meistens doch so: Solange man nicht selbst betroffen ist, sieht man die Problematik nicht. Erst wenn es einem selber trifft, merkt man, was wirklich dahintersteckt.
Entmündigung und Betreuung
- In Deutschland gibt es seit 1992 unabhängig von der gesundheitlichen Situation einer Person grundsätzlich keine Entmündigung erwachsener Menschen mehr. Auch betreute Menschen gelten zunächst grundsätzlich weiter als uneingeschränkt geschäftsfähig.
- Jeder Volljährige, der bereit und geeignet ist, eine Betreuung zu führen, kann Betreuer werden. Bei der Auswahl ist in erster Linie dem Wunsch der Betroffenen zu entsprechen.
- Im Landkreis Tirschenreuth werden ca. 70 Prozent aller Betreuungen von Familienangehörigen geführt. Diese finden jederzeit Beratung und Unterstützung bei der Betreuungsstelle des Landratsamtes.
- Steht kein Betreuer aus dem Familien- und Bekanntenkreis zur Verfügung und kann auch kein anderer ehrenamtlicher Betreuer gefunden werden, wird die Betreuung einem Berufsbetreuer/Vereinsbetreuer übertragen.
- Betreuungen sind persönlich zu führen und haben sich an Wunsch und Wille betreuter Menschen zu orientieren.
- Tipp der Betreuungsstelle am Landratsamt Tirschenreuth: Jede Person kann schon „in guten Tagen“ Vorsorge treffen und so in sehr vielen Fällen ein Betreuungsverfahren vermeiden. Das wichtigste Instrument dabei ist eine Vorsorgevollmacht. Diese kann bei der Betreuungsstelle am Landratsamt beglaubigt werden.
- Weitere Informationen unter www.kreis-tir.de im Bereich "Senioren & Beratung"
Quelle: Betreuungsstelle des Landratsamts Tirschenreuth
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